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Country reports

G7-Preisdeckel für russisches Öl

Eine gute Idee in der Energiekrise?

Der Energiemarkt ist zu einem zentralen Konfliktfeld rund um den Russland-Ukraine-Krieg geworden. Die G7, die EU und weitere westliche Demokratien versuchen die Erlöse aus russischen Kohle-, Gas- und Ölexporten mit Sanktionen und Importverboten zu verringern. Russland wiederum schränkt gezielt seine Gasexporte für Europa ein und erschließt neue Einnahmequellen in Asien. Ein neues Instrument in der Auseinandersetzung ist der G7-Ölpreisdeckel, der die Einnahmen aus russischen Ölexporten durch einen erzwungenen Niedrigpreis verringern soll. Seine Wirksamkeit ist umstritten, da die großen Ölimporteure Indien und China sich voraussichtlich nicht daran beteiligen werden. Zudem besteht das Risiko, dass Russland seine Ölexporte als Gegenreaktion stoppt und damit eine Ölpreiskrise auslöst. Auf der anderen Seite ergibt sich aus dem Ölpreisdeckel ein Verhandlungsvorteil für potentielle Ölimporteure gegenüber Russland.

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Energiesanktionen

Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine haben die G7-Staaten, die EU und weitere westliche Demokratien damit begonnen Russland umfassend zu sanktionieren. Im Energiesektor zielen die Sanktionen darauf ab, Russlands Einkommen aus seinen

 

Energieexporten zu verringern, um damit die Finanzierung des Krieges gegen die Ukraine zu erschweren. Dafür haben die G7-Staaten und die EU zunächst den Ausstieg aus russischen Kohleimporten beschlossen. Die EU will zudem bis zum Ende des Jahres den Import von russischem Rohöl über den Schiffsweg beenden. Der Import von Öl über Pipelines ist weiterhin erlaubt. Die USA haben bereits im Frühjahr dieses Jahres den kompletten Öl-, Flüssiggas- und Kohleimport aus Russland verboten. Die EU-Gasimporte aus Russland, obwohl sie bisher nicht sanktioniert wurden, sind ebenfalls drastisch gesunken. Viele EU-Mitgliedstaaten haben begonnen auf andere Gasexporteure auszuweichen. Zugleich hat Russland selbst den Gasexport an verschiedene EU-Mitgliedstaaten als Reaktion auf die Energie- und Finanzsanktionen mehr oder weniger eingestellt. Die EU als ehemaliger Hauptimporteur russischer Energieressourcen befindet sich damit auf dem Weg zu einer vollständigen energiewirtschaftlichen Entkopplung von Russland.

 

Russland auf der anderen Seite versucht seine Energieexporte nach Asien umzuleiten. Dort werden diese zu günstigen Konditionen gerne abgenommen. Der langjährige Energiepartner China und der neu dazugekommene Energienachfrager Indien haben sich dabei in den vergangenen Monaten zu den Hauptprofiteuren entwickelt. Russland exportiert mittlerweile den Großteil seiner Kohle nach China. Indien hat seine Ölimporte aus Russland stark ausgebaut. Es verwundert deshalb nicht, dass nun auch weitere Länder wie Indonesien1, Philippinen2, Pakistan3 oder Sri Lanka4, die besonders unter den hohen Weltmarktpreisen für Energie leiden, Interesse an günstigem russischen Öl, Kohle und Gas äußern.

Indien- Rohölimporte aus Russland (Mio. Tonnen) (Eigene Darstellung, Datenquelle: https://commerce.gov.in/trade-statistics [13.10.2022])
Indien- Rohölimporte aus Russland (Mio. Tonnen)

Inwieweit die Energiesanktionen auf Russland wirken, ist umstritten. So stiegen die russischen Einnahmen aus seinen Energieexporten kurzfristig in der ersten Jahreshälfte deutlich. Allerdings war das auf die enorm hohen – kriegsbedingten – Energiepreise zurückzuführen. Mittlerweile zeichnet sich aber ab, dass die russischen Einnahmen abnehmen und sogar zu Haushaltsdefiziten führen.5 Hier schließt sich an, dass der Export nach Asien zwar zunimmt, aber die Einnahmeverluste aus dem vorherigen Europageschäft dadurch nicht so schnell ersetzt werden können.    

 

Energiekrisen

Für die EU selbst sind die Energiesanktionen mit hohen Belastungen verbunden. Sie kauft zu hohen Preisen überall auf der Welt Öl, Gas und Kohle aus nichtrussischen Beständen ein. Der Gaseinkauf ist dabei besonders teuer und schwierig zu ersetzen. Die EU erhielt einen Großteil ihrer Gasimporte über ein breites Pipeline-System aus Russland. Jetzt muss sie Flüssiggas (LNG) weltweit einkaufen und parallel entsprechende Flüssiggasinfrastrukturen (LNG-Terminals) aufbauen. Der LNG-Preis ist dadurch zwischenzeitlich erheblich gestiegen. Mit erheblichen Konsequenzen für Privathaushalte und die Industrie in der EU.

 

Die europäische Energiekrise hat sich auch auf andere Staaten weltweit übertragen. Diese können bei den hohen Energiepreisen nicht mehr mitbieten. Gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern Süd- und Südostasiens führt das zu Energiekrisen. In Sri Lanka und Bangladesch musste das öffentliche und wirtschaftliche Leben, zeitweise erheblich eingeschränkt werden, um Energie zu sparen.6 Der Kohleexporteur Indonesien hat damit

 

begonnen, die hohen Öl- und Gaspreis an seine Bürger weiterzugeben, weil die Energiesubventionskosten den Staatshaushalt zu stark belasteten.7 Die wirtschaftlichen Folgewirkungen der hohen Energiekosten in Form von Inflation und Rezession führen zu weiteren Entwicklungshemmnissen in der Region.

 

Immer mehr Länder greifen daher in ihre Energiemärkte ein. Die EU erwägt die Einführung eines gemeinsamen Gaspreisdeckels. Deutschland wiederum verabschiedete ein 200 Milliarden Euro umfassendes Schutzschild, mit dem der Energiepreisanstieg verhindert werden soll. In Japan und Südkorea wurden ebenfalls Maßnahmen beschlossen, um die Energiekrise zu bewältigen. Darunter Sonderkredite für Energieunternehmen, Steigerung der Energieeffizienz und Energieeinsparmaßnahmen sowie allgemeine Energiepreiserhöhungen für Industrie und Verbraucher.8 Japan will zudem bis zum Ende des Jahres weitere Kernkraftwerke reaktivieren.9

 

G7-Ölpreisdeckel  

Mit dem Ölpreisdeckel der G7 steuert die energiepolitische Auseinandersetzung auf die nächste Eskalationsstufe zu. Im Fokus stehen die weltweiten Öleinnahmen Russlands. Ab dem 5. Dezember soll zusätzlich zu dem geplanten Importstopp von russischem Öl nach Europa ein von den G7-Staaten und der EU beschlossener Ölpreisdeckel in Kraft treten. Er soll einen Preisdeckel für russische Ölexporte, die über den Schiffsweg erfolgen, weltweit erzwingen und so die Einnahmen Russlands empfindlich treffen. Seine Durchsetzung ist nicht einfach und hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab: 1) Viele Länder müssen mitmachen; 2) Es braucht Kontroll- und Durchsetzungsinstrumente; 3) Wie reagiert Russland?

 

1) Neben den G7-Staaten, der EU und weiteren westlichen Demokratien wird es viele weitere Unterstützerstaaten brauchen, um dem globalen Ölmarkt einen Preis für russisches Öl aufzuzwingen. Gerade in Asien, dem neuen Hauptabsatzmarkt für russische Energieexporte, könnte dies schwierig werden. China hat sich, wenig überraschend, sehr früh dagegen ausgesprochen. Es ist wohl auch nicht davon auszugehen, dass sich Indien der Sanktion anschließt.10 In Indonesien, das den Import von russischem Öl in Betracht zieht, um seine Energiekrise zu bewältigen, mehren sich ebenfalls die kritischen Stimmen mit Blick auf den Ölpreisdeckel.11 ASEAN will das Thema gar nicht erst diskutieren.12 Südkorea auf der anderen Seite reduziert bereits signifikant seine russischen Ölimporte. Japan als G7-Mitglied trägt die Sanktion mit. Auch Australien hat sich dafür ausgesprochen.

 

2) Der zweite Faktor, auf den die G7 und die EU setzen, ist der Öltransport über den Schiffsverkehr. Schiffe, die Öl weltweit ausliefern brauchen Versicherungen. Diese liegen zu über 90 Prozent in der Hand von europäischen und britischen Unternehmen.13 Daraus entsteht ein großer Hebel, der tatsächlich dazu führen könnte, dass nun fast nur noch Öl verschifft wird, das die entsprechenden Konditionen des Ölpreisdeckels aufweist. Mittlerweile gibt es auch vermehrt Versicherungsanbieter aus anderen Ländern. Aber dieser Markt wird sich nicht so schnell entwickeln können, um die Nachfrage kurzfristig zu bewältigen.

 

3) Der dritte Faktor ist die Reaktion Russlands. Dort ist man sich über das Risiko, das von diesem Instrument ausgeht, bewusst und droht offen, diejenigen Länder zu bestrafen, die sich dem Ölpreisdeckel anschließen. Wie auch schon beim Gas könnte Russland dazu übergehen, denjenigen Ländern, die sich diesem Sanktionsinstrument anschließen, den Ölverkauf zu verweigern.  Ein überraschender Schritt ging zudem jüngst von der OPEC plus aus. Russland als Mitglied der OPEC plus hat sich zusammen mit Saudi-Arabien dafür stark gemacht, dass die Öl-Produktion insgesamt gedrosselt wird. Die Folge wird ein Anstieg des globalen Ölpreises sein, was dem Ziel des Ölpreisdeckels zu wieder läuft. Als Hauptargument für die OPEC plus Entscheidung wird eine sich abschwächende Konjunktur angeführt, die die globale Energienachfrage verringert und damit auch den Ölpreis. Die OPEC plus will den Preis aber stabil halten. 

 

Das Kalkül der G7 und der EU ist es, dass Russland im Zweifel den Ölpreisdeckel hinnimmt, um überhaupt Einnahmen zu haben. In diesem Fall wäre genügend günstiges Öl auf dem Weltmarkt verfügbar und Russland würden wichtige Einnahmen entgehen. Es könnte aber auch das komplette Gegenteil eintreten. Mögliche weitere Ölexporteinschränkungen seitens der OPEC plus, etwaige russische Ölexportstopps für die Länder, die den Ölpreisdeckel unterstützen sowie eine eingeschränkte Verschiffung von Öl mangels Versicherungen könnten auf dem Ölmarkt eine ähnliche Entwicklung anstoßen, wie sie bereits auf dem Gas-Markt zu beobachten ist. Der Ölpreis könnte mangels Verfügbarkeit erheblich steigen. Zur Gaspreiskrise käme eine Ölpreiskrise.

 

Ausblick

Auch wenn der Ölpreisdeckel ein Sanktionsinstrument ist, dem viele Staaten in Asien aus geopolitischen oder anderen Erwägungen heraus nicht folgen wollen bzw. können, so könnte es am Ende dennoch dazu führen, dass Russland weniger Einnahmen aus seinen Ölexporten erhält. Letztlich stellt sich für potentielle Ölimporteure, die Frage, warum sie russisches Öl zu einem Preis oberhalb des Deckels kaufen sollten, wenn sie es auch billiger bekommen. Dafür müssen sie noch nicht einmal offiziell Unterstützer des Instruments sein bzw. sich darauf beziehen. Sie würden indirekt von einer verbesserten Verhandlungsposition profitieren können. Gerade für die asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländer, die in Erwägung ziehen russisches Öl zu kaufen, könnte das zu einer wichtigen Größe werden. Die Wirksamkeit des Ölpreisdeckels hängt somit auch nicht ausschließlich von Indien und China ab, die gegenwärtig am meisten russisches Öl importieren. Dessen ungeachtet, könnten aber beide Länder ebenfalls zusätzliche Preisabschläge heraushandeln. Dass Russland zu Verhandlungen bereit ist, um Staaten an sich zu binden, haben die vergangenen Monate gezeigt.

 

Der G7-Ölpreisdeckel ist ein Sanktionsinstrument mit Eskalationspotential für alle Beteiligten. Welche Wirkung er am Ende auf die russischen Einnahmen und die Ölpreise haben wird ist offen. Es gibt kaum Erfahrungswerte und die Umstände sind politisch komplex. Gewiss ist nur, den globalen Energiemärkten stehen weitere turbulente Zeiten bevor.

 

1 Rahtje, Miriam (14.09.2022): Defizit von 5,8 Milliarden Euro: Russlands Einnahmen aus Öl- und Gasexporten brechen massiv ein, Tagesspiegel, https://www.tagesspiegel.de/politik/58-milliarden-euro-defizit-russlands-einnahmen-aus-ol-und-gasexporten-brechen-ein-8637439.html [19.10.2022].

2 Subramaniam, Tara (28.06.2022): Energy prices are causing chaos in Asia. Here’s why the rest of the world should worry, CNN Business, https://edition.cnn.com/2022/06/25/business/asia-energy-crisis-sri-lanka-pakistan-australia-coal-climate-change-intl-hnk/index.html  [18.10.2022].

3 Adetunji, Jo (Editor), (01.09.2022): Indonesia’s energy subsidy dilemma: how can the government better protect the poor?, The Conversation, https://theconversation.com/indonesias-energy-subsidy-dilemma-how-can-the-government-better-protect-the-poor-188592 [18.10.2022].

4 Stapczynski, Stephen (06.10.2022): Japan Gives Up To $900 Million Loan to Power Producer to Buy LNG, Bloomberg, https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-10-06/japan-gives-up-to-900-million-loan-to-power-producer-to-buy-lng [18.10.2022].

5 Ryall, Julian (30.08.2022): Japan signals a shift back to nuclear energy, 11 years after Fukushima disaster, Deutsche Welle, https://www.dw.com/en/japan-signals-a-shift-back-to-nuclear-energy-11-years-after-fukushima-disaster/a-62970544 [18.10.2022]. 

6 Laskar, Rezaul H (15.09.2022): New DelhiIndia dismisses G7 oil price cap, says energy security needs will guide crude purchases, Hindustan Times, https://www.hindustantimes.com/india-news/india-dismisses-g7-oil-price-cap-says-energy-security-needs-will-guide-crude-purchases-101663265638511.html  [18.10.2022].

7 Ebd. 1

8 Fh, Sumaira (12.10.2022): ASEAN Not Discussing Support For G7 Idea On Russian Oil Price Cap - ASEAN Energy Center, UrduPoint, https://www.urdupoint.com/en/business/asean-not-discussing-support-for-g7-idea-on-r-1577002.html [18.10.2022].

9 Wessel, David (05.07.2022): The story behind the proposed price cap on Russian oil, Brookings, https://www.brookings.edu/blog/up-front/2022/07/05/the-story-behind-the-proposed-price-cap-on-russian-oil/ [18.10.2022].

10 Laskar, Rezaul H (15.09.2022): New DelhiIndia dismisses G7 oil price cap, says energy security needs will guide crude purchases, Hindustan Times, https://www.hindustantimes.com/india-news/india-dismisses-g7-oil-price-cap-says-energy-security-needs-will-guide-crude-purchases-101663265638511.html  [18.10.2022].

10 Ebd. 1

12 Fh, Sumaira (12.10.2022): ASEAN Not Discussing Support For G7 Idea On Russian Oil Price Cap - ASEAN Energy Center, UrduPoint, https://www.urdupoint.com/en/business/asean-not-discussing-support-for-g7-idea-on-r-1577002.html [18.10.2022].

13 Wessel, David (05.07.2022): The story behind the proposed price cap on Russian oil, Brookings, https://www.brookings.edu/blog/up-front/2022/07/05/the-story-behind-the-proposed-price-cap-on-russian-oil/ [18.10.2022].

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