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Vera Lengsfeld, Bürgerrechtlerin und Autorin,
zeigte sich in ihrem Eingangsstatement entsetzt über die Notwendigkeit ein Phänomen wie „DIE LINKE“, in der die SED – trotz mehrmaliger Umbenennung – überlebt hat, diskutieren zu müssen. Wie aber konnte die Partei und eine Idee, die die unermesslichen ökologischen, wirtschaftlichen und psychologischen Schäden in der ehemaligen DDR zu verantworten hatte, überleben?
Die Kontinuität dieses Phänomens sieht sie in erster Linie in der Hilfe und Unterstützung seitens des Westens während des Kalten Kriegs begründet: „Der reale Sozialismus hätte nie existieren können, wenn es nicht den Salonkommunismus in den westlichen Ländern, vor allem in den USA, gegeben hätte.“ Auch ein nicht zu unterschätzender Anteil der westdeutschen Linken sah die DDR als den `besseren Teil Deutschlands`, so Lengsfeld. Daher galt nach der Wende alle Mühe dem Erhalt und der Unterstützung der alten SED, um wenigstens die politische Idee am Leben zu erhalten. In der Westausdehnung sah man früh die Überlebenschance der dann in PDS umbenannten SED, die entscheidend von Oskar Lafontaine unterstützt wurde: „Die PDS wäre heute nicht mehr im Bundestag vertreten, wenn nicht Lafontaine ihr beigekommen wäre.“ Trotz – oder gerade aufgrund – der Tatsache, dass über 80 % der Parteimitglieder der Linken auch SED-Mitglieder waren, wurden in der Folgezeit Symbolfiguren in den Vordergrund gerückt, die erfolgreich das Image einer jungen und erneuerten Partei verbreiteten.
Eine öffentliche Auseinandersetzung mit der PDS hat seinerzeit auch deshalb nicht stattgefunden, so Lengsfeld, weil der Partei der Griff gelungen ist alle gegen sie gerichteten Angriffe als Angriffe auf die Lebensleistung der Ostdeutschen und Beschädigung der ostdeutschen Identität zu stigmatisieren. Hierfür besetzten „DIE LINKEN“ gewisse Begriffe wie beispielsweise `Bürger 2. Klasse`. Der friedlichen Revolution, die in Deutschland etwas geschaffen hat, was man nicht für möglich gehalten hätte, folgte eine Konterrevolution: „Eine Anerkennung dieser Aufbauleistung hat es seitens der Linken nicht gegeben, stattdessen wurde Geschichte insgesamt sowie individuelle Lebens- und Aufbauleistungen uminterpretiert.“
Unter anderem durch eine ungeheure Medienpräsenz (ca. 80 % der Medienberichterstattung in den neuen Bundesländern dreht sich um „DIE LINKEN“) profitiert die Partei heute überdurchschnittlich von der allgemein sinkenden Wahlbeteiligung, da der Linkswähler leichter zu mobilisieren ist. Ausgehend von einem Wählerpotential der Linkspartei von 10 % aller Wahlberechtigten mahnt die Bürgerrechtlerin dringend an sich den übrigen 90 % Wählern zuzuwenden, um hier politische Aufklärung zu betreiben.
Das Parteiprogramm der Linkspartei, so Lengsfeld weiter, besteht zu drei Vierteln aus alten SED-Forderungen (Enteignung, Umverteilung, usw.) und kommt heutzutage modisch aufgepeppt und ohne Klassenkampfjargon daher. Gefordert wird auch ein `Systemwechsel`, aber niemand fragt, was mit diesem Systemwechsel eigentlich gemeint ist. Künftig werden „DIE LINKEN“ die fortschreitende Krise ausnutzen, indem sie die gesellschaftlichen Zerklüftungen und Verwerfungen weiter vorantreibt, um Kräfte zu mobilisieren. Als Gegenmittel schlägt Lengsfeld vor die Linkspartei an den eigenen grandiosen Bankrott zu erinnern: „Die sozialistischen Rezepte werden in der Krise nichts zum Besseren wenden können. Mit den Mitteln von gestern kann man nicht die Krise von morgen bewältigen“, meint Lengsfeld.
Die Bürgerrechtlerin mahnt daher: „Es ist ein Fehler anlässlich des 20. Jahrestags der Wiedervereinigung nicht auf die historische Verantwortung der SED-Nachfolgepartei zu bestehen.“
Dr. Christean Wagner, MdL,
gab in seiner Einlassung zu Bedenken, dass „DIE LINKE“ als `normale` Partei und in der Regel nicht als eine verfassungsfeindliche angesehen wird. In der Frage der Bekämpfung des Kommunismus sind sich die demokratischen Parteien heute uneinig: die SPD schafft sich über „DIE LINKEN“ Mehrheiten, die GRÜNEN befinden sich gleichzeitig im Fahrwasser der SPD. Die Gründe hierfür sieht er vor allem in dem Umstand begründet, dass nach 1990 keine gründliche Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur stattgefunden hat.
Aus der politischen Praxis in Hessen berichtete Wagner von verfassungsfeindlichen Äußerungen und der Unterstützung rechtswidriger Betätigungen (z. B. der Roten Hilfe) durch „DIE LINKEN“. Weiter kritisierte der Vorsitzende der hessischen CDU-Landtagsfraktion die unklaren Koalitionsbekenntnisse der SPD, die er für nicht glaubwürdig und gefährlich hält: „Man kann den Rechtsstaat nicht schützen, wenn man von einer Partei abhängig ist, die diesen nicht unterstützt.“ Die CDU in Hessen positioniert sich daher in ihrer politischen Arbeit klar gegen die Linksfraktion, so Wagner, indem sie in keinem Fall Sachanträge - und seien diese auch noch so apolitisch – dieser Fraktion mitunterschreibt, um nicht einen Prozess der schleichenden Normalisierung in Gang zu setzen.
Wagner zufolge kann und muss – angesichts der nahenden Bundestagswahlen - die CDU auf Bundesebene selbst unter den erschwerten Bedingungen einer Großen Koalition ihr Profil schärfen. Vor allem im Rahmen der derzeit vorherrschenden Enteignungsdiskussion hätte sich die Union mit dem Distinktionsmerkmal der sozialen Marktwirtschaft stärker positionieren können.
Nach Auffassung Wagners müsse die Benennung der Linken als `Kommunisten` zulässig sein, da mit dem Begriff der Systemüberwindung die Abschaffung der sozialen Marktwirtschaft und die Überwindung des demokratischen Prinzips gemeint sei: „Die demokratische Wahl der Linkspartei legitimiert nicht ihr Programm als demokratisch.“
Prof. Dr. Jürgen W. Falter,
Politikwissenschaftler an der Uni Mainz, verdeutlichte in seinem Vortrag zum Thema „Die Parteienlandschaft: Im Fahrwasser der Linken?“ die Veränderung der Kräftekonstellation durch die Linkspartei. Die Regierungsbildung wird durch ein von sechs Parteien getragenes 5-Parteien-System auf Bundesebene immer schwieriger, die Koalitionen immer unklarer. Gewohnte Koalitionen mit einem großen starken und einem kleineren Partner wird der Einschätzung Falters zufolge kaum noch geben: „Der Wähler weiß heute nicht mehr, wozu seine Stimmabgabe führen kann.“ In dieser fehlenden Transparenz sieht der Parteienforscher auch die zunehmende Politikverdrossenheit und Wahlablehnung begründet.
Zudem machen sich „DIE LINKEN“ zwei tiefgreifende Konfliktlinien unserer Gesellschaft zunutze: einerseits den horizontalen Ost-West-Konflikt, mit dem die PDS-Wähler angesprochen werden, und andererseits den vertikalen Konflikt zwischen `Oben` und `Unten`, der soziale Ängste schürt und sich an die ehemaligen WASG-Mitglieder und –Wähler richtet. Der Anteil der alten SED-Wähler ist hierbei stark genug, um die Linkspartei über einen längeren Zeitraum zu erhalten, so Falter. Bei der Gruppe der alten WASG-Wähler, also den Protestwählern, verhält es sich anders: hier gibt es kein Stammwählerpotential und keinen Nachwuchs für die Zeit nach Lafontaine. Diese Konfliktlinien werden – verstärkt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise – noch über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben und sich gegebenenfalls noch weiter vertiefen. Und Falter weiter: „Es kann über mehrere Legislaturperioden dazu kommen, das das Wählerpotential hier auf ca. 5 % auf Bundesebene anwächst.“
Eine mögliche Regierungsbeteiligung der Linkspartei sieht er kritisch, da vor allem die Außenwirkung Deutschlands (z. B. auf EU-Ebene) hierunter leiden würde. Bezüglich ihrer Medienwirksamkeit führt Falter zwei Gründe an: die weitestgehende Linksorientierung der Medienschaffenden im Allgemeinen sowie die personelle Besetzung der Partei. „Hauptsache, die Quote stimmt – und die Akteure der Linken sind bunte Vögel, die dafür sorgen.“
Prof. Dr. Hans-Joachim Jentsch,
Bundesverfassungsrichter a.D., äußerte sich in seinem Vortrag „Die Linken: Partei einer anderen politischen Kultur“ betroffen über die Zurückdrängung des Wählers als dem Verantwortlichen für die Regierungsbildung. Eine Ursache hierfür sieht er in dem Versagen der demokratischen Parteien in Deutschland eine Diskussion über das bundesdeutsche Wahlrecht anzustoßen.
Wie schwierig sich der Umgang mit „DIE LINKEN“ gestalten kann verdeutlichte Jentsch am Beispiel der Verfassungsschutzberichte. Zwar macht der Verfassungsschutz im Pateiprogramm Bekenntnisse zur extremistischen Auslegung der Partei (durch Begrifflichkeiten wie „Veränderung der Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse“, „Bewahrung und Weiterentwicklung marxistischen Gedankenguts“ und „sozialistische Neuordnung der Gesellschaft“) aus, gleichzeitig erkennt er jedoch keine derart programmatische Umsetzung in der politischen Praxis. Nach Auffassung des ehemaligen Verfassungsrichters stellt sich aber allein aus dieser Programmatik heraus die Frage, ob die Linkspartei mit den Grundsätzen der Verfassung übereinkommt. Die Verfassungswidrigkeit der Linkspartei ist nicht geklärt und es drängt sich ohnehin vielmehr die Frage auf, ob es nicht wichtiger ist dem politischen Gegner in der Auseinandersetzung mit ihm zu begegnen anstatt ihn zu verbieten: „Das Verbot ist auch Stilmittel des Sozialismus und verbietet nicht den Menschen oder die Idee, sondern nur die Organisation“, meint Jentsch.
Unterhalb des Grundgesetzes, so Jentsch weiter, sind Konzepte der unterschiedlichsten politischen Vorstellungen denkbar, aber das Demokratieprinzip hat stets Vorrang und ist demnach nicht verhandelbar. Vordringlich ist auch der Kampf um die herrschende Wirtschaftsordnung, der nachhaltig geführt werden muss. Die soziale Marktwirtschaft impliziert auch ein gewisses Menschenbild mit einer bestimmten Vorstelllung von Freiheit und Verantwortung, das es zu schützen gilt, da das Grundgesetz keine Wirtschaftsordnung bestimmt oder vorschreibt.
Auf der Agenda der Linken stehen Jentsch zufolge massive Veränderungsversuche: „Man kann denjenigen, die ein System verantwortet haben, das Bautzen möglich gemacht hat, nicht absprechen sich umzuorientieren. Aber es muss eine Rechtfertigungspflicht gegenüber dem Festhalten am neuen System und an der Demokratie eingefordert werden.“ In der Vergangenheit wurde nicht genug geleistet, um die Menschen in den neuen Bundesländern vom Rechtsstaat zu begeistern und das politische System des Westens zu propagieren. Und: „Es wurden falsche Feindbilder verbreitet und man dachte, die politischen Gegebenheiten des Westens könne man eins zu eins auf den Osten übertragen.“
Hinzu kommt das im Osten verbreitete Legitimitätsdenken, dass davon ausgeht, dass es auf die Mittel und Wege nicht mehr ankommt wenn nur die Sache gut ist. Jentsch weiter: „Legitimität steht hierbei über Legalität.“ Daher darf es nicht nur darauf ankommen die Linkspartei ins Blickfeld zu nehmen, sondern eben auch ihre Wähler mit dieser immanenten anderen politischen Kultur, die sich „DIE LINKEN“ zunutze machen, um ein Gerechtigkeitsdenken zu propagieren, den nur sie den Menschen bringen kann: „Die Spaltung Deutschlands wird ausgenutzt, um eine alte und überkommene Kultur zu ihrem Vorteil wieder zu beleben.“ Auch im Westen darf die Werbung um ein Engagement für die Freiheit nicht aufhören meint Jentsch: „Unser Angebot ist attraktiv genug, um dafür zu werben.“