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In seiner Begrüßung formulierte Karl-Heinz B. van Lier den mit dieser Abschlussveranstaltung verbundenen Wunsch, vom breitgefächerten Podium ein abschließendes Statement zu den Fragen der mit dem demografischen Wandel verbundenen Herausforderungen zu befördern. Vor allem die Vertreter der jungen Generation von Politikern seien hierzu aufgefordert, sagte van Lier, da diese Aufgabenbewältigung auch künftig in ihren Aufgabenbereich fiele.
Dr. Christiane Florin, die eingangs die Referenten vorstellte, leitete die Veranstaltung mit dem Ausspruch: „Mit Frauen redet man meistens über Kinder, mit Männern über Demografie“ ein.
Im Rahmen seines Statements fokussierte Roland Tichy zunächst die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des demografischen Wandels. Die Zahl der Arbeitskräfte werde in den kommenden Jahrzehnten in Deutschland um 40 Prozent sinken, „fast ein ganzes Bundesland in der Größe Hessens wird über 80 Jahre alt sein, eine kleine Großstadt wird dann aus über Hundertjährigen bestehen“.
Auch stellte er die Frage in den Raum, ob ein Anstieg der Geburtenraten überhaupt sinnvoll und volkswirtschaftlich vertretbar sei: „Gesellschaften, die schnell wachsen, haben aber auch Probleme. Könnte Deutschland überhaupt 100-120 Millionen Menschen vertragen? Denn Länder mit hohen Geburtenraten sind Länder, in denen man nicht gerne sein möchte wie beispielsweise Palästina oder Somalia“. Tichy plädierte daher für eine geänderte Wahrnehmung. Man müsse aufhören die demografische Entwicklung negativ zu sehen und stattdessen die Entwicklung selbst gestalten. Der Gesamtzustand der Volkswirtschaft sei, so Tichy, sehr zufriedenstellend, aber die Wirtschaft und Politik sei nicht darauf abgestellt und angepasst worden. Für ihn ist es ein Fehler zu glauben, man könne den Trend umkehren: „Denn bereits heute kennen wir die Beteiligten der nächsten dreißig Jahre was beispielsweise die Rentenentwicklung anbetrifft“.
Hinsichtlich der Geburtenentwicklung werde sich Tichys Auffassung zufolge ebenfalls nicht mehr viel ändern, da dies ein säkularer Trend zu sein scheint. Er stellte einen historischen Zusammenhang zwischen Geburten- und Sterblichkeitsraten her: „Wegen besserer hygienischer Verhältnisse starben weniger Kinder, was aber nicht bedeutet, dass mehr Kinder pro Frau geboren wurden. Die Geburtenexplosionen, zum Beispiel während der Industrialisierung, ist daher eine Überlebensexplosion, nicht aber ein Geburtenanstieg“.
Zur Entwicklung der Arbeitswelt merkte Tichy an, dass der so genannte Drehtüreffekt, nämlich vorne junge Arbeitskräfte hereinzuholen und gleichzeitig die alten Arbeitnehmer rauszuschicken, künftig nicht mehr funktionieren werde: „Es werden keine Jungen mehr da sein!“. Die Lösung müsse daher im lebenslangen Lernen liegen. In Deutschland sei, so der Journalist, die biografische Verteilung von Bildungskosten zugunsten der jungen Generation im internationalen Vergleich überproportioniert, bei der Weiterqualifizierung und Fortbildung von älteren Arbeitnehmern zähle man hierzulande hingegen zu den Schlusslichtern.
Hinsichtlich der Rentenentwicklung äußerte Tichy die Auffassung, dass die bismarcksche Altersgrenze von 65 sich künftig nicht mehr halten lassen werde: „Wir leben in einer Generation, die einen hedonistischen Lebensstil pflegte. Die Stalingrad-Generation ist nicht alt geworden, die Folgegeneration hat keine Kinder mehr bekommen und sich stattdessen lieber den zweiten Mallorca-Urlaub finanziert“. Die Frage, ob Zuwanderung das demografische Problem lösen könne, beantwortete der Ökonom wie folgt: „Humanitäre Zuwanderung ist unfraglich, sie muss aber daraufhin geprüft werden, ob sie geeignet ist, die Probleme zu lösen. Leider haben wir es in der Vergangenheit nicht geschafft, eine systematische Einwanderung zu schaffen, die Deutschland nützt“. Für Tichy ist Einwanderung somit kein quantitatives, sondern vielmehr ein qualitatives Problem. Zudem seien die Kosten von Altersversorgung dringend in den Griff zu bekommen und eine Reduzierung der Pflegebedürftigkeit, unter anderem durch die Schaffung altersgerechten Wohnens und der damit verbundenen Infrastruktur, notwendig.
Abschließend hielt Tichy fest, dass die Veränderung durch den demografischen Wandel unsere Gesellschaft immens ändere: „Wir merken es nur nicht, da wir zusammen alt werden. Das Glück des Alters muss bewältigt werden!“.
Dr. Mario Voigt, MdL, Generalsekretär der CDU Thüringen, stellte eingangs seines Statements die Frage, ob Deutschland mit seiner Geburtenentwicklung aus dem Rahmen falle. Hierzu hielt er fest, dass fast die Hälfte der Welt eine niedrigere Geburtenrate als Reproduktionsrate habe und folgerte: „Dieser Trend entwickelt sich offenbar völlig unabhängig von den jeweiligen politischen Maßnahmen“. Insgesamt, so Voigt, sei aber festzuhalten, dass wenn die Menschen gesünder, reicher, besser gebildet, mehr emanzipiert seien und häufiger in Städten lebten, ein demografischer Wandel in Richtung weniger Geburten stattfinde.
Weiter stellte er die Frage in den Raum, warum wir angesichts der demografischen Herausforderungen glaubten, dass die Zukunft nur schlechter werden kann, wenn die Vergangenheit zeigt, dass es stetig immer besser geworden sei? Vor allem für die östlichen Bundesländer könne man sagen, dass sich die Familienfreundlichkeit vor allem am Wohnumfeld, an den Betreuungsmöglichkeiten und den Berufsperspektiven einer Region zeige. Welches familiäre Arrangement sollte also als Norm kommuniziert werden, so die Frage Voigts. Seine eindeutige Antwort: „Flexible Arrangements werden von Familien benötigt, um sich entfalten zu können“.
Auch stellte der thüringische Generalsekretär Thesen zur Lösung des demografischen Problems auf. Erstens: In Kinder und Kindheit investieren, um den Wohlstand zu stärken. Im Klartext bedeute dies für ihn, man müsse um die Stellung von Kindern streiten und dürfe es nicht zulassen, dass Ehe und Familie in der Öffentlichkeit schlecht geredet würden. Hierzu sollten nach Auffassung Voigts ebenso institutionelle Angebote ausgeweitet, um eine echte Wahlmöglichkeit für Eltern und Familie zu schaffen, wie auch das Leitbild einer sorgenden Gesellschaft festgeschrieben werden.
Zweitens: Wirtschaftliches Wachstum und demografischer Wandel müssen miteinander verbunden werden, d.h. „Die Entwicklung muss auch als Katalysator begriffen werden“. Drittens: Der strukturelle Wandel vor allem im ländlichen Raum müsse, nach Auffassung Voigts, bei Ungleichzeitigkeit und regionalen Unterschieden dennoch gestaltet werden. Dies bedeute, dass man die Auswirkungen des demografischen Wandels nicht einfach nur geschehen lassen solle, sondern die Folgen aktiv gestalten müsse. Hierzu sei unter anderem mehr Flexibilität notwendig, beispielsweise hinsichtlich verschiedener EU-Vorgaben oder über eine entsprechende Gestaltung des Länderfinanzausgleichs. Abschließend nannte Voigt einen vierten Punkt zum aktiven Umgang mit dem demografischen Wandel: „Sich Zeit nehmen, um Kinder zu zeugen!“.
Der Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner stellte zunächst fest, dass es bei all den Fragen, die sich mit dem demografischen Wandel verbänden um eine ganz einfache Wahrheit drehe: „ Eine Gesellschaft mit Kindern ist eine andere als ohne Kinder!“. In einer Familie mit Kindern sei Offenheit und Neugier immer gegenwärtig und so verlerne man dort auch das lebenslange Lernen nicht. Rheinland-Pfalz sei, so der Oppositionspolitiker, hinsichtlich seiner Wertschätzung für Familien schlecht aufgestellt, da auf dem Papier viele Leistungen für Kinder und Familien zugesagt seien, diese aber kaum Umsetzung fänden. „Familie“, so Schreiner, „muss wertig sein und das muss auch so kommuniziert werden“. Weiter forderte er eine Förderung der frühen Elternschaft, bessere Möglichkeiten für Eltern in Ausbildung sowie die Ermutigung zu einer lebenslangen Bindung an einen Partner.
Seine Lösungsansätze lauten daher: „Erstens: Wir müssen gut über Familie reden. Zweitens: Durch mehr Mut machen kann man die Geburtenrate steigern. Drittens: Der bereits bestehende Trend muss flexibel gestaltet werden, um auch flexibel reagieren zu können. Der Wandel muss gestaltet sein und darf nicht nur passieren“. Angesichts des bevorstehenden Schrumpfens der rheinland-pfälzischen Bevölkerung in der kommenden Generation von vier auf drei Millionen Einwohner, gäbe es, so Schreiner abschließend, Ansätze zur kurzfristigen Gestaltung, der demografische Wandel sei jedoch eine dringende Herausforderung vor allem für die Flächenländer.
Steffen Bilger, MdB, Vorsitzender der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Abgeordneten im Deutschen Bundestag, schilderte das Dilemma des demografischen Wandels aus der Sicht der jungen Generation. „Junge Menschen“, so Bilger, „engagieren sich nicht hinreichend politisch, obwohl der demografische Wandel enorme Auswirkungen auf die Politik, vornehmlich auf die Wählerorientierung der Politiker hat“. So entstehe eine Art Unterrepräsentation von jungen Menschen, was in erster Linie bei der Besetzung der Demografie relevanten Ministerien durch vornehmlich ältere Abgeordnete sichtbar werde. Das Rentenpaket sei ein vordringliches Thema der Großen Koalition gewesen, in dem Bilger allerdings eine falsche Weichenstellung sieht: „Nicht bei der Mütterrente, aber beim Renteneintrittsalter“. Seiner Ansicht nach sollte es normal sein, dass man in Rente gehen kann wann man will und so, wie es der Arbeitgeber mitmacht. „Dies wäre auch für die Gesamtwirtschaft gewinnbringend“, äußerte der junge Abgeordnete.
Weitere wichtige Themen für die junge Generation seien die Haushaltskonsolidierung, um für die Zukunft nicht mehr Schulden aufzubauen, sowie die Weiterentwicklung von Beschäftigung: „Fortbildungen müssen politisch unterstützt werden, um beispielsweise eine Weiterbeschäftigung im Alter zu gewährleisten, dann eventuell in einem körperlich weniger anstrengenden Beruf“. Nach Ansicht Bilgers müsse man zudem dazu kommen, dass die Pflegeversicherung in zunehmendem Maße mehr von denen finanziert werde, die keine Kinder oder nur ein Kind haben. Zudem könnte ein Familiensplitting die Kinder mehr in den Mittelpunkt stellen und so einen Beitrag zur Veränderung und zum gesellschaftlichen Wandel zugunsten von Kindern und Familie führen. Der Appell des Jungpolitikers lautete abschließend: „Die Diskussion über den demografischen Wandel muss viel mehr unideologisch geführt werden. Dies können junge Menschen häufig besser als die Generation 50 plus!“.
Karl-Heinz B. van Lier, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Rheinland-Pfalz und Initiator der Veranstaltungsreihe, resümierte in seinen Ausführungen die Ergebnisse der vergangenen und der aktuellen Veranstaltung.
Dabei gab er zu bedenken, dass der Begriff des demografischen Wandels häufig als trickreicher Euphemismus verstanden werden muss, der am Ende immer nur Stillstand bedeuten könne. Vor allem die Höhe des Geburtenmangels sei bedenklich: „Ein moderaterer Geburtenschwund wäre vielleicht besser verkraftbar, niemand aber redet über die damit verbundene Gemütslage!“. Ein weiterer unzulässiger Euphemismus sei, nach Ansicht van Liers, die vielbeschworene Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei sei „Familienpolitik zur Erwerbspolitik für Frauen“ geworden, so van Lier. Auch gab er zu bedenken, dass die Wirkungsmächtigkeit der Bilder nicht in dem Maße gegeben sei, wie es der demografische Wandel eigentlich erfordere: „Die Folgen des Wandels sind schleichend und nicht immer gleich sichtbar. So ergibt sich für den Bürger auch kein dringend notwendiger Politikwechsel!“.
Wie aber, so die Frage van Liers, halten wir es mit der Wertschätzung für unsere Familie? „Der Überindividualismus zerstört schöpferische Wirkung, denn wenn dieser Kern - die Familie - nicht gewürdigt wird, brauchen wir uns nicht mehr über Zerfallserscheinungen zu wundern!“, mahnte er an. Hinsichtlich der Rentensysteme gab er zudem zu bedenken, dass eine Besserstellung von Familien in diesem System nicht gleichbedeutend mit einer Schlechterstellung der bisherigen Rentenbezieher sei. Derzeit handele es sich um eine „intragenerationelle Umverteilungsmaschine, die Menschen ohne Kinder von Vorteil ist“, so van Lier weiter. Zur zunehmenden Verstaatlichung der Kindheit - und somit folgerichtig auch des Alters - äußerte van Lier: „Durch das wachsende Betreuungsangebot wird eine wachsende Nachfrage evoziert. Gleichzeitig werden Familien auf Schlafstätten mit Qualitätszeit am Abend reduziert!“. Abschließend formulierte er seinen Unmut über die Tatsache, dass bei der Diskussion über den demografischen Wandel der Geburtenmangel bereits als gegeben und unumkehrbar vorausgesetzt werde, „um nicht über die Ursachen reden zu müssen!“.
Die im Anschluss an die Statements der Referenten von Dr. Christiane Florin moderierte Diskussionsrunde wurde kontrovers geführt und rankte sich um Themen wie die mangelnde Akzeptanz von Kinder im eigenen Umfeld, die besondere Stellung der Ehe, die Möglichkeiten der Besserstellung von Familien im Steuer- und Rentensystem, die dringend notwendige gesamtgesellschaftliche Klimaveränderung zugunsten von Familien, die auch normativ über die Politik allokiert werden müsse sowie um die Rolle der Wirtschaft in all diesen Fragen. Einig waren sich die Teilnehmer vor allem darin, dass es insgesamt eine spürbare Erleichterung für jeden Einzelnen geben müsse, sich für Kinder und Familie entscheiden zu können, denn die Entscheidung für Kinder falle zu allererst im Kopf.