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Event reports

Deutschland das nächste Kapitel

Sicherheit im Wandel

Um über die weltweite Sicherheitslage mit namhaften Experten ins Gespräch zu kommen, hatte das Politische Bildungsforum Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Mainz eingeladen. Zu der Frage, wie die NATO angesichts der zukünftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen als internationaler Akteur reagieren kann und welche Rolle Deutschland in diesem Gefüge übernehmen muss, kamen bei der Podiumsdiskussion NATO-General a.D. Hans-Lothar Domröse und der ehemalige Bundesminister der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung ins Gespräch mit den Gästen.

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Karl-Heinz B. van Lier, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Rheinland-Pfalz erläuterte im Rahmen seiner Begrüßung das besondere Format der Veranstaltung. Neue Entwicklungen erforderten es, so van Lier, ein neues Kapitel in der Betrachtung aufzuschlagen. Hierzu wolle die Veranstaltung einen Beitrag leisten.

Bedingt durch die gerade erfolgte Mandatsverlängerung für die Auslandseinsätze der Bundeswehr sei das Thema besonders aktuell. Die Welt drehe sich auch ohne Deutschland weiter, hielt van Lier fest, daher sei Deutschland dringend aufgefordert zu handeln. Dies weitergehend zu erläutern, dafür seien die Referenten des Abends außerordentlich prädestiniert.

NATO-General a.D. Hans-Lothar Domröse zeigte in seinem Vortrag auf, dass die neuen Herausforderungen in Form eines neuen Kapitels der Sicherheitspolitik nicht abrupt, sondern schleichend kommen. Er nannte sechs Beispiele für das, was er den „Fundamental change“ nennt. Die Lehman-Pleite, die Krise im Irak und die Ukraine-Krise. Letztere bezeichnete Domröse als „Krieg in Europa“. Gleichzeitig, so der ehemalige Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command, sei die Idee Europa nicht mehr klar und verschwimme immer mehr. Dies alles kumuliere seit 2015 mit der Flüchtlingskrise und der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung, die auch für die Streitkräfte Veränderungen mit sich bringe.

Immer entscheidender sei die geopolitische Lage eines Landes, merkte Domröse an. „Deutschland“, so der ehemalige General, „muss im Herzen von Europa ausgleichend wirken. Dies ist das Erbe unserer Eltern.“ Somit sieht er auch die Rolle der Türkei am Rande Europas als exponiert an. Im Verhältnis zur EU genauso wie im NATO-Kontext. Im Hinblick auf nukleare Sicherheitsaspekte gab Domröse zu bedenken, dass sich in Asien insgesamt sechs Nuklearmächte untereinander nicht gewogen seien.

Das Ziel der NATO sei die Kriegsverhütung mittels des Ausgleichs zwischen Werten und Interessen. „Daher müssen NATO und EU komplementär zusammenarbeiten“, lautete die Einschätzung des ehemals ranghöchsten deutschen Soldaten. Erreichbar sei dies durch die Bündelung der europäischen Verteidigungsfähigkeit auch deshalb, damit nicht 25 Mitgliedsstaaten permanent Parallelstrukturen aufrechterhalten und finanzieren müssen. Differenziert sei hier allerdings die Souveränitätsfrage zu betrachten. Die anfängliche Kritik von US-Präsident Trump hält Domröse in Teilen für nachvollziehbar: „70 Prozent der NATO-Truppen sind amerikanischen Ursprungs, insofern sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache“. Der Wunsch der USA auf ein 50:50-Verhältnis zu kommen, sei daher nur fair.

Vor allem in Afrika habe man in den letzten Jahren gelernt, dass es nicht mehr bloß darum gehe eine Schlacht zu gewinnen. Prävention sei das moralische Ziel eines Auslandsengagements: „Wir können zwar 24/7militärische Schläge gewinnen, aber es ist doch wünschenswerter Sicherheit als Voraussetzung für Wohlergehen, eine „social security“ zu schaffen. Dann ist militärisches Engagement letztlich erfolgreich“.

Abschließend fasste der General a.D. seine Position zusammen: Ernst sei die Lage, aber wir seine gut geführt – unabhängig davon, wer auch immer wann und wie regieren werde. Auch die NATO sei auf einem sehr guten Weg, müsse aber noch zulegen.

Auch Dr. Franz Josef Jung griff die Rolle der USA auf. Selbst wenn es nicht der richtige Weg sei, sich immer nur auf die USA zu verlassen, so sei die transatlantische Zusammenarbeit doch immens wichtig. Zugleich sollte man sich vergegenwärtigen, dass Deutschland wie auch die NATO insgesamt nicht als Weltpolizei agieren könne und solle und ein militärischer Einsatz immer nur Ultima Ratio sein, so Jung.

Der ehemalige Bundesverteidigungsminister erläuterte das bis 2024 geplante 2-Prozent-Ziel hinsichtlich des deutschen Beitrags zur NATO-Finanzierung. „Oft stellen wir unser Licht unter den Scheffel“, äußerte Jung bedauernd. Dabei leiste die Bundeswehr vor allem in Afghanistan, aber auch seit den neunziger Jahren im Kosovo, einen umfassenden Beitrag zur internationalen Sicherheit. „Dies wird“, so Jung weiter, „durchaus auch gesehen und anerkannt“.

Jedoch gestand der ehemalige Verteidigungsminister zu, dass man bei Rüstungsausgaben effektiver und effizienter werden müsse: „Das Geld muss vernünftiger eingesetzt werden und eben nicht nur im Bereich des Personals, sondern auch bei der Ausrüstung“. Die Leistung deutscher Soldaten in aller Welt für unsere Freiheit und Sicherheit sei mehr als respektabel und unterstützenswert und sollte auch in der medialen Wahrnehmung stärker in den Vordergrund treten.

Das Podiumsgespräch, moderiert vom Politikredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Dr. Thomas Gutschker, bot die Gelegenheit einzelne Aspekte des zuvor Gehörten im Gespräch mit den Referenten zu vertiefen. Dabei erwies sich vor allem die europäische Perspektive als zentraler Punkt hinsichtlich der sich ändernden internationalen Sicherheitslage. Nach Meinung der Experten sei der nächste Schritt die Schaffung einer gesamteuropäischen Verteidigungsunion, bei der es um das Aufstellen einer einsatzfähigen Streitkraft über die bilateralen Einsatzkräfte hinausgehen wird. Hier habe die EU der NATO vor allem die zivil-militärische Zusammenarbeit voraus, so General a.D. Hans-Lothar Domröse.

Domröse äußerte im Rahmen der Abschlussdiskussion auch seine Ansicht zur besonderen Rolle Russlands im internationalen Sicherheitsgefüge: „Unsere Werte und unsere Demokratie werden in Russland anders ein- und wertgeschätzt.“ Und Domröse weiter: „Er wird die NATO nicht angreifen, da sich für ihn daraus kein Mehrwert ergibt. Aber als Ärgernis für das transatlantische Militärbündnis zu agieren, ist für ihn durchaus erstrebenswert.“

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Karl-Heinz B. van Lier

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