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Event reports

Stadt, Land, Flucht?

Veranstaltungsreihe "Handlungsauftrag Demografie"

Um die durch den demografischen Wandel entstehende Probleme für den ländlichen Raum, vor allem aber Lösungsansätze, zu diskutieren, hatte das Politische Bildungsforum Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung zu einer weiteren Veranstaltung in der Reihe „Handlungsauftrag Demografie“ eingeladen.

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Der Landesbeauftragte und Leiter des Landesbüros Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz B. van Lier, stellte im Rahmen seiner Einführung fest, dass der demografische Wandel die gesamte Gesellschaft unweigerlich und nachhaltig verändern wird. „Er wird Druck auf die Sozialsysteme ausüben, da die nachwachsende Generation um rund ein Drittel kleiner sein wird als heute“, so van Lier.

Der Moderator des Abends, der Ingenieur und Experte für Energieffizienz an der Fachhochschule Bingen, Prof. Dr.- Ing. Markus Lauzi freute sich über die große Resonanz, die das Thema hervorrief. „Allerdings“, so Prof. Lauzi, „überrascht diese nicht, denn das Bewusstsein hinsichtlich der alternden Gesellschaft wächst“. Die Folgen des demografischen Wandels seien mittlerweile erkennbar, aber noch immer nicht offensichtlich.

Kerstin Faber, Architektin und Urbanistin sowie Dozentin für Internationalen Städtebau am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), stell

te ihre Veröffentlichung „Raumpioniere in ländlichen Regionen: Neue Wege der Daseinsvorsorge“ vor. Ihre These darin lautet: Im ländlichen Raum ist kein Leistungsstaat mehr notwendig!

Problematische Konstellationen wie beispielsweise die Entkopplung von Landbewirtschaftung und Landbesiedlung durch die Aufgabe historischer Feldwege, die dann die Dörfer von den umgebenden Landschaftsräumen entkoppelt , oder beispielsweise das Pendeln zum Arbeiten in die Stadt, brächten weitergehende Schwierigkeiten für den ländlichen Raum mit sich, so Faber. Durch die Abwanderung sänken die Steuereinnahmen der Kommunen, was wiederum automatisch zu einer weitergehenden Einschränkung der Lebensqualität führe.

Um diesen und weiteren Nachteilen, die dem ländlichen Raum durch den demografischen Wandel und durch die Landflucht entstehen, entgegenzuwirken, arbeiten die von Kerstin Faber vorgestellten ‚Raumpioniere‘. Solche Vordenker also, die Projekte nicht nur für sich, sondern für den Raum, in dem sie leben entwickeln. Hierbei, so die Architektin, ginge es seltener um monetäre Beteiligung obwohl die Projekte meist unternehmerisch geführt seien. Ziel dieser vielfältigen Projekte sei es, auch für Junge und neu Zuziehende Chancen in den ländlichen Regionen zu schaffen.

Als Beispiel nannte die Referentin die in mittlerweile großer Zahl vor allem in NRW ins Leben gerufenen Bürgerbusvereine. Um der medizinischen Unterversorgung auf dem Land entgegenzuwirken, stellte Faber das Modell des MVZs (Medizinisches Versorgungszentrum) vor. Hier wären die praktizierenden Ärzte - anders als bislang üblich - bei den jeweiligen Zentren angestellt und nicht mehr selbständig tätig. Somit minimierten diese ihr wirtschaftliches Risiko, dass beim Praktizieren auf dem Land für Mediziner unweigerlich relevant sei. Ein weiterer Lösungsansatz für die Problemlagen im ländlichen Raum, die Faber in ihrer Publikation beschreibt: der AGZ, der Arbeitgeberzusammenschluss. Hierbei schlössen sich verschiedene Arbeitgeber zu einem zusammen und beschäftigten einen Arbeitnehmer, der jeweils dort zum Einsatz kommt, wo seine Arbeitskraft gebraucht wird. So könne unter anderem der Schließung von Schulen auf dem Land und der immer umfassendere Unterversorgung mit kommunalen Dienstleistungen entgegengewirkt werden.

Letztlich, so da Fazit Fabers, müsse man vom Ressortdenken abkommen und hin zu einer viel stärkeren Verknüpfung. Dazu müsse vor allem auf der Ministerialebene stärker zusammengearbeitet werden, damit die Politik Spielräume eröffnen kann und der Staat vom Versorger zum Ermöglicher wird: „Es braucht ein anderes Verhältnis zwischen Staat und Zivilgesellschaft. Es braucht einen kooperativen, ermöglichenden Staat.“

Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Wallmerod im Westerwald, Klaus Lütkefedder, stellte im weiteren Verlauf seinen Ansatz vor, das Dorfleben attraktiver zu gestalten. Die in seiner Verbandsgemeinde erdachte Initiative „Leben im Dorf – mitten drin“ zielt darauf ab, die Infrastruktur und Ansiedlungsanreize im ländlichen Raum zu verbessern. Das Problem, so Lütkefedder, sei vor allem das Sterben der Ortskerne mit dem auch die Attraktivität des Dorflebens insgesamt verlorenginge.

Die Strategie des sogenannten „Wallmeroder Modells“ sei es, intakte Ortskerne zu schaffen. Nach dem Prinzip ´innen vor außen‘ versuche man vor allem auf die Aktivierung des Innenpotentials der Dörfer hinzuwirken, bei gleichzeitiger Vermeidung von Neubaugebieten, erklärte der Verbandsbürgermeister. Ganz bewusst wurden in der gesamten Verbandsgemeinde Wallmerod in den vergangenen zehn Jahren keine Neubaugebiete erschlossen. Im Rahmen des Modells wurden in erster Linie der Erwerb und die Sanierung alter Häuser sowie die Bebauung von leeren Baugrundstücken innerorts finanziell gefördert. Hier stellte Lütkefedder ausführlich einzelne Beispiele vor, die auf der Website www.lebenimdorf.de nachzulesen sind.

Die permanente Kommunikation dieser Initiative und die Schaffung eines hohen Wiedererkennungswertes machte das Modell zu einem Erfolg. Bis heute wurden 162 Projekte gefördert und realisiert. Etwa drei Viertel der Nutzer seien Familien mit Kindern, die meisten von ihnen seien Zugezogene, hielt Lütkefedder fest. Hierdurch seien vielerlei positive Effekte erzielt worden: die Attraktivität der Orte wurde erhöht, die Einwohner wurden gehalten, viele Neubürger kamen hinzu. „In den Ortskernen leben jetzt Jung und Alt zusammen“, erklärte der Verbandsbürgermeister. Und weiter: „Zudem haben heimische Firmen Aufträge erhalten, die vorhandene Infrastruktur wurde genutzt und musste nicht neu gebaut werden“.

Wichtig seien also - neben der Schaffung und Erhaltung intakter Ortskerne sowie einer zeitgemäßen Infrastruktur - aktive Generationen, die beispielsweise Generationentreffs organisierten und vor allem eine funktionierende Dorfgemeinschaft. Der Erfolg des Modells (weietere Informationen unter www.lebenimdorf.de)hängt demnach sehr eng auch mit dem individuellen Engagement der Menschen, die im ländlichen RaumLeben und diesen selbst aktiv mitgestalten wollen, zusammen. Folglich lautet Lütkefedders Fazit: „Der demografische Wandel ist nicht aufzuhalten, aber die Folgen für den ländlichen Raum und die Dörfer können abgemildert werden“.

Im Kontext der auf dem Land entstehenden Probleme durch Abwanderung und Überalterung wird immer auch über die Probleme der Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung gesprochen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie im rheinland-pfälzischen Landtag, Dr. Peter Enders, MdL, referierte abschließend zum Thema „Probleme und Lösungsstrategien der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum“.

Dabei betonte er die - im Vergleich zu anderen europäischen Ländern - noch gute Flächenversorgung mit Fachmedizinern. „Zwar sind wir hier gut versorgt, haben aber auch Probleme, vor allem damit Hausärzte und Allgemeinmediziner in die ländlichen Regionen zu bekommen“. Unter anderem dadurch, dass immer mehr Frauen ein Medizinstudium abschlössen, sei die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer vordringlicher geworden, meint der Abgeordnete. Ab von den schlechteren Verdienstmöglichkeiten sei auch hier die Attraktivität und Anziehungskraft des ländlichen Raums geringer, als die der Städte oder Ballungszentren.

Daher sieht Dr. Enders, selbst Mediziner, die Notwendigkeit von Medizinischen Versorgungszentren, die schon Erwähnung gefunden hatten. Zudem müssten neue Finanzierungsansätze für die ländliche Notfallversorgung gefunden werden, die auf kommunaler Ebene geleistet wird. „Es wird unabdingbar sein flächendeckend ärztliche Bereitschaftsdienste zur Versorgung im ländlichen Raum einzurichten“, so Enders. Hinsichtlich der Neuordnung von Krankenhausstrukturen gab er zudem zu bedenken: „Wer für Normalfälle die örtlichen Kliniken nicht nutzt, die in der Regel sehr leistungsstark sind, zerstört diese!“. Auch im Hinblick auf die Apothekenversorgung hält er es für zumutbar in dringenden Fällen auch mal einen weiten Weg auf sich zu nehmen, „denn erfahrungsgemäß werden die Nacht- und Wochenenddienste kaum genutzt“, hielt Enders abschließend fest.

Die anschließende Diskussion - moderiert von Prof. Dr.-Ing. Lauzi - fokussierte sich vor allem auf das mit großem Interesse aufgenommene ‚Wallmeroder Modell‘, welches Klaus Lütkefedder vorgestellt hatte. Sie zeigte aber auch, dass vor allem der Einsatz jedes Einzelnen wichtig ist, um im ländlichen Raum die Folgen des demografischen Wandels abzuschwächen und den Status quo zu erhalten, ihn vielleicht sogar noch zu verbessern.

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Karl-Heinz B. van Lier

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