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dpa/picture alliance, Gerd Roth

Event reports

Versailles 1919

Ein Friede, der keinen Frieden brachte

Das Politische Bildungsforum Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung hatte anlässlich des 100. Jahrestages des Versailler Vertrags nach Mainz eingeladen, um gemeinsam mit einem deutsch-französisch besetzten Podium und den Gästen über die Kraft gemeinsamer Lösungen in Europa und der Welt nachzudenken.

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An die für Deutsche und Franzosen gleichermaßen folgenreiche und weltweit bedeutungsvolle Zäsur des Jahres 1919 erinnerte zum Auftakt der Veranstaltung Philipp Lerch, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung und Leiter des Politischen Bildungsforums Rheinland-Pfalz. Michael Stürmers Zitat „1919 ist eine jener Jahreszahlen, die alles Vorhergehende und alles Kommende in sich bergen“ weise, so Lerch, auf das apokalyptische Inferno des Ersten Weltkrieges, auf die Barbarei des Zweiten Weltkrieges und auf die komplexen Entwicklungen in Europa und der Welt hin. Schließlich folgte auf den Vertrag von Versailles weder ein dauerhafter Friede noch eine stabile Ordnung. Die deutsch-französische Aussöhnung im alten Sinne einer karolingischen Schicksalsgemeinschaft und die Europäische Einigung als an gemeinsamen Werten orientierte Chancengemeinschaft zu verstehen, sei 100 Jahre nach dem „Frieden, der keinen Frieden brachte“ eine zentrale Aufgabe. Vor allem mit jungen Menschen müsse darüber gesprochen werden, dass Frieden und Freiheit in Europa historisch und politisch eine Ausnahmesituation von unschätzbarem Wert bilden.

„Utopie und mögliches Eden ist ein geeintes Europa“

Diese Friedensbotschaft von Fiquelmont aus dem Jahr 1916, hinterlassen von deutschen Soldaten, nur wenige Kilometer von Verdun entfernt, gehört zu jenen seltenen Zeugnissen der Menschlichkeit aus den Materialschlachten des Ersten Weltkrieges. Der Diplom-Politologe Ingo Espenschied ordnete diese Botschaft in seiner DOKULIVE-Präsentation „Europa und der Erste Weltkrieg. Die Friedensbotschaft von Fiquelmont“ in einen großen historischen Kontext ein. Er zeigte, dass einfache Frontsoldaten schon frühzeitig eine Vorstellung von einem geeinten Europa entwickelten - zu einer Zeit, in der Nationalismen die politischen Geschicke bestimmten und die „europäische Idee“ noch in weiter Ferne lag. „Damals war Europa ein schöner Traum“, so Espenschied abschließend, „heute ist er Wirklichkeit. Wir haben nur eine Chance, wenn wir als Europäer in einem geeinten und friedlichen Europa zusammenarbeiten“.

Der Historiker Prof. Dr. Michael Stürmer befasste sich im Rahmen seines Kurzimpulses mit den Folgen der in den Verträgen des Jahres 1919 installierten Nachkriegsordnung. Um einen echten Friedensvertrag habe es sich keinesfalls gehandelt, erklärte Stürmer. Darin lägen die bis in unsere Gegenwart wirkenden Probleme.

„Seit 1919 ist die Weltgeschichte nicht mehr zurückzudrehen, die Prägungen dieser Zeit beschäftigen uns bis heute“

Versailles vermochte es Stürmer zufolge nicht, ein Mächtegleichgewicht im Sinne der Wiener Friedensordnung vom Beginn des 19. Jahrhunderts zu schaffen.

Die französische Sicht auf die Verträge von 1919 stellte der an der Pariser Sorbonne lehrende Politikwissenschaftler Prof. Dr. Henri Ménudier dar. Versailles sei ein Zeichen der französischen Macht und der kulturellen Ausstrahlung des Landes gewesen: „Der Vertrag war als Erniedrigung Deutschlands und als Revanche für die vorangegangene Proklamation des Deutschen Kaiserreichs auf französischem Boden“ konzipiert.

„Die Staatsmänner der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg waren ein Segen und ein großes Glück für Europa“

Menudier zeigte sich enthusiastisch die Zukunft der Europäischen Union betreffend. Vor dem Hintergrund, dass Staatsmänner wie Konrad Adenauer und Robert Schuman später vermochten, vor allem die deutsch-französische Aussöhnung als wichtigste Achse für die Stabilität in einem geeinten Europa zu initiieren, sehe er Europa heute in einem krisenfesten Status.

Die Direktorin des „Office national des anciens combattants et victimes de guerre“, Juliette Roy, arbeitet vor allem mit jungen Menschen, um eine gemeinsame deutsch-französische Erinnerungskultur zu schaffen. Dies sei nicht ohne Weiteres selbstverständlich, gab sie zu bedenken: „Eine gemeinsame Erzählung ist schwierig, jedes Land hat sein eigenes Narrativ“. Wichtig sei, so Roy, vor allem das Schreiben einer gemeinsamen Geschichte der Verständigung nach dem Zweiten Weltkrieg.

„Beide Nationen haben Zeit gebraucht, um ihre Geschichte auch als Katharsis zu schreiben“

In ihrer Arbeit auf den ehemaligen Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs seien drei große Aufgaben zu bewältigen, die aus dem Krieg heraus entstanden sind:  die Anerkennung, die Wiedergutmachung sowie das Andenken. Das Würdigen, das Mitteilen und das Weitergeben der Erinnerung konstatierte sie als die unerlässlichen Grundpfeiler im Kontext dieser Projektarbeit im Sinne der Schaffung einer gemeinsamen Erinnerungskultur.

Richard Stock, Direktor und Generalsekretär des Centre européen Robert Schuman, beklagte, dass immer noch jede der vom Ersten Weltkrieg betroffenen Länder und Regionen ein eigenes Narrativ für sich beanspruche. Auf der anderen Seite unterstrich er auch die Einsicht Frankreichs, dass es sich bei den Verträgen des Jahres 1919 weniger um einen Vertrag als um ein Diktat gehandelt habe.  

„Man musste in der Folge die Hürden entfernen, die es dem Besiegten unmöglich machten zum Verbündeten zu werden“.

Darüber seien sich die Historiker der Gegenwart einig, stellte Stock fest.

Die Friedensbotschaft von Fiquelmont müsse in die kommenden Generationen hineingetragen und dort bewahrt werden, lautete zum Abschluss des Podiumsgesprächs, an dem sich zahlreiche, auch junge Gäste mit Fragen und Einschätzungen beteiligten, der Appell der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Wir müssen zwischen Menschen aller europäischen Länder immer wieder neue Begegnungen ermöglichen – auch auf den ehemaligen Schlachtfeldern, im stillen Gedenken und in der couragierten Absicht, den europäischen Frieden zu bewahren und die Europäische Union zu festigen“, so Lerch.

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