Event reports
Wer nicht mitbestimmt, wird fremdbestimmt!
Tagesseminar, 31.05.08, Erbacher Hof, Mainz
Zu Beginn des Seminars referierte Nathanael Liminski zum Thema „Kaum zu glauben, aber Politik macht Spaß!“. Der Begriff „Spaß“, so Liminski, sei hierbei eher unpassend, vielmehr würde er den Begriff „Freude“ an der politischen Betätigung ins Feld führen. Wenn man in der Politik Freude erleben will stelle sich immer die Fragen: Was will man? Und vor allem: Wie will man diese Ziele erreichen? Für ihn bedeute jung sein die Welt verändern und Ideale umsetzen zu wollen. Gleichzeitig werde nach Auffassung Liminskis aber viel zu wenig über Handwerkliches gesprochen vielmehr werden Theorien durchdiskutiert. Sein Vorschlag für ein erfolgreiches politisches Engagement ist es daher den Fokus auf bestimmte Themen zu legen, um die man sich dauerhaft bemühen sollte, um gezielt Kompetenzen zu verstärken und auszubauen. Die Arbeit in vielen verschiedenen Gremien allerdings ist nach Ansicht Liminskis nicht von Vorteil, da die politisch Aktiven so zur „bewegbaren Masse“ werden, die dann fremdgesteuert und fremdbestimmt wird. Freude an Politik zu entwickeln und ein erfolgreiches Agenda Setting zu betreiben hänge, so Liminski, von vielen Faktoren ab. So sei die Arbeit innerhalb einer Partei und somit das praktische politische Engagement zentral, um Minderheitenmeinungen zur beschlussfähigen Mehrheitsmeinung werden zu lassen. Auch der gezielte und innerhalb des Gremiums oder der jeweiligen Gruppe arbeitsteilig organisierte Umgang mit den Medien ist hierbei wichtig. Die Erfahrung des Referenten zeigt, dass es leicht ist, heutzutage mit geringem Aufwand sehr viel Öffentlichkeit herzustellen. Ganz im Sinne der Grassroots-Bewegung müsse sich auch jeder Einzelne einbringen und seine Meinungen und Ansichten nach außen hin - wenn nötig auch lautstark und unbequem – vertreten. Volkes Stimme werde häufiger erhört, als man gemeinhin denkt, meint Nathanael Liminski dazu. Abschließend plädierte er für einen engagierten Ausbau der Netzwerkarbeit, die u.a. auch der Vergewisserung gemeinsamer Ziele dienen soll. „Netzwerke, um der Netzwerke Willen“ seien hier jedoch nicht gewinnbringend, mahnte der Referent an.
Hieran anschließend widmete sich Dr. Clemens Christmann in seinem Vortrag der Politik als berufliches Betätigungsfeld. In seiner Funktion als Leiter des Büros des hessischen Wirtschaftsministeriums berichtete er von seiner täglichen Arbeit, die vor allem voraussetzt, dass man die Diskrepanz zwischen den hochgesteckten Zielen und den eingeschränkten Möglichkeiten, die der politische Alltag bietet, zu akzeptieren lernt. Als Grundvoraussetzung, um in die Politik mit beruflichem Engagement einzutreten, müsse man, so Dr. Christmann, Politik auch als Berufung verstehen. Erachtet man dies nicht als vordringlich wichtig, so müsse man sich letztlich nicht wundern, wenn unpolitische Leute Politik beeinflussen. Daher forderte der Referent dazu auf Politik viel stärker auch ins persönliche Umfeld zu transportieren und dort Diskussionen zu forcieren. Denn, so Christmann, „wer nicht bereit ist zu kritisieren, der hat in der Politik nichts zu suchen.“ So ist es in erster Linie der Widerspruchsgeist, den er vom politischen Nachwuchs einfordert.
Über die konkreten Inhalte dessen, was moderner Konservatismus heute impliziert, sprach hiernach Dr. Volker Kronenberg. Als die zwei zentralen Elemente führte er den Patriotismus und ein modernes Verständnis von Leitkultur an. Patriotismus, so Dr. Kronenberg, sei nicht gleichzusetzen mit einem veralteten Verständnis von Nationalismus. Vielmehr sei Patriotismus eine politische Tugend, die an antike Wurzeln und ein mittelalterliches Naturrechtsverständnis anknüpft, eine rationale wie eine emotionale Komponente hat und sich auf den modernen Nationalverfassungsstaat bezieht. Ein zeitgemäßer Patriotismus missachtet im Gegensatz zum Nationalismus ebenso wenig andere Nationalitäten wie die Liebe anderer zu ihrem Vaterland. Nach Kronenberg verweist er stattdessen auf eine Selbstverpflichtung des Bürgers, sich für sein eigenes Vaterland zu engagieren – im Großen (z.B. durch Krieg), wie auch im Alltäglichen. Moderner Patriotismus ist auch mehr als eine breite gefühlsmäßige Zuneigung (siehe z.B. WM 2006) oder eine vorpolitische Heimatverbundenheit, da er nicht politisch verstanden werden kann. Er impliziert freiwilliges politisches Handeln und befindet sich Kronenberg zufolge seit circa zehn Jahren in einer Wandlungsphase, die zuvorderst durch einen Generationenwechsel (durch Migration und den demografischen Wandel) hervorgerufen wurde. Diese Wiederbewusstmachung des Patriotismus führte zu einer positiveren Konnotation des Patriotismusbegriffs. Ein modernes und weltoffenes Verständnis von Leitkultur, so Dr. Kronenberg, baut auf einer Verpflichtung für gemeinsame Werte und auf Rechte und Pflichten zur Regulierung des Gemeinwesens auf, die letztlich ein friedliches und sicheres Zusammenleben erst möglich machen. Im Kern sei die Vorstellung von einer Leitkultur vor allem gekennzeichnet durch kulturellen Pluralismus und Toleranz, formuliere gleichzeitig aber auch eine Bringschuld der Zuwanderer und eine Holschuld der Deutschen. Welche aber sind die verpflichtenden Werte? Einerseits sind es die Kenntnis und die Beherrschung der gemeinsamen Sprache, andererseits die als freiheitlich demokratische Grundordnung definierten Inhalte des Grundgesetzes. Denn, so Kronenberg weiter, „wer das Grundgesetz als allgemeingültig anerkennt, kann nicht gleichzeitig die ihm zugrunde liegende Wertordnung für irrelevant halten“. Abschließend plädierte der Referent für eine Neujustierung des Verhältnisses der Bürgergesellschaft zum Staat: der erforderliche Mentalitätswandel müsse berücksichtigen, dass ein zeitgemäßer und weltoffener Patriotismus immer auch von einer bestimmten Leitkultur geprägt und dass die Dimensionen der deutschen und europäischen Kultur nicht voneinander trennbar seien.
Hanna Kaspar schloss mit einem weiteren wissenschaftlich orientierten Vortrag zum Thema „Politik ohne mich? Wie können Parteien junge Leute für ein Engagement begeistern?“ an. Die Stabilität des politischen Systems, so Kaspar, ist abhängig von der Partizipation der Bevölkerung. Die Parteien selbst fungierten in diesem System als Mittler zwischen Staat und Gesellschaft. Heute aber sehen sich die Parteien einer sinkendenden konventionelle Partizipation und einer stetig abnehmenden Parteiidentifikation gegenübergestellt. Für die Parteien folgt daraus zwangsläufig, dass auch die Zahl ihrer Mitglieder sinkt, sich zu wenige junge Mitglieder engagieren und somit die Mitgliedsstruktur zunehmend überaltert. Daher benötigten die sie dringend Nachwuchs, um die Linkage-Funktion junger Menschen zu nutzen, die immer auch als Indikator für gesellschaftliche Veränderungen dienten. Empirische Befunde zeigen Kaspar zufolge aber kein Nachfrageproblem. Im Gegenteil: junge Menschen weisen in hohem Maße ein politisches Interesse auf und sind durchaus zu Engagement und Beteiligung am politischen Diskurs bereit. Daher muss - was die Rekrutierung des politischen Nachwuchses anbelangt - von einem Angebotsdefizit der Parteien gesprochen werden. Studien, so die Referentin weiter, zeigen eindeutig, dass Jugendliche den Parteien nicht vertrauen und diese als geschlossene Zirkel wahrnehmen. Wichtig sei jungen Menschen aber in erster Linie, dass sie in einem bestimmten Maße mitbestimmen und gleichzeitig flexibel in der Ausgestaltung und Dauer ihrer politischen Betätigung sein können. Nach der Vorstellung von Jugendlichen sollte Politik zudem Spaß machen, flexibel, zeitnah, transparent, wissenserweiternd und in ihren sozialen Kontext eingebunden sein. Daher sprach sich Kaspar eindeutig dafür aus, dass Parteien nach außen hin offener werden müssen (z.B. durch die Möglichkeit der Partizipation ohne formale Mitgliedschaft)und ihre Kommunikation zielgruppenadäquater gestalten sollten. Hierzu gehöre auch, so die Referentin abschließend, dass man Jugendliche nicht nur vor Wahlen, sondern kontinuierlich ansprechen und die Themen junger Menschen verstärkt in die jeweilige Agenda aufnehmen sollte.
Jennifer Roskopp beschloss dass Seminar mit einem Statement, in dem sie ihr persönliches Engagement in der Hochschulpolitik kurz skizzierte. Als Mitglied des RCDS-Vorstands der Universität Mainz schilderte sie unter anderem die Problematik der Gewinnung von neuen Interessenten für die hochschulpolitische Arbeit vor Ort und ermunterte gleichzeitig dazu sich unverbindlich über das Engagement des RCDS zu informieren. Weiterhin ermutigte Roskopp den politischen Nachwuchs zur ständigen Informationsbeschaffung in verschiedenen Medien und dazu, auf Grundlage dieser erworbenen Kenntnisse zu bestimmten Sachverhalten unbeirrt und zielstrebig eigene Interessenslagen zu formulieren und öffentlich zu äußern.