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Keine Selbstverständlichkeit
Häufig wird vergessen, dass das Leben in einer Demokratie und die damit verbundenen Rechte und Freiheiten wie der Schutz der Menschenwürde, die Meinungs-, Versammlungs-, Religions- und Pressefreiheit oder auch das Wahlrecht nicht selbstverständlich sind. Laut aktuellen Studien leben heute rund 3,3 Milliarden in autokratisch regierten Staaten - Tendenz steigend. Eine Entwicklung, die nicht nur Prof. Dr. Norbert Lammert mit Sorge erfüllt. Der ehemaliger Bundestagspräsident und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung machte in seiner Einführungsrede darauf aufmerksam, dass Demokratie kein sich selbst erhaltendes System sei. „Demokratie steht nicht unter Denkmalschutz“, sagte Lammert am Dienstagabend vor rund 400 Gästen in Saarbrücken. In Hinblick auf die aktuellen Ereignisse in Chemnitz forderte er dazu auf, „allen Versuchungen, unsere Demokratie für selbstverständlich zu nehmen, sowie allen Angriffen auf sie mit Nachdruck entgegenzutreten“. Die Demokratie sei das bestmögliche System zum zivilisierten Austragen unterschiedlicher Interessen. Verabschieden müssten wir uns von der fast schon fanatischen Auffassung einiger Menschen, die eigene Meinung mit aller Macht durchsetzen zu müssen. „Streiten muss sein“, so Lammerts Auffassung. Aber eine Demokratie, die nur eine einzige Meinung zulässt, könne es einfach nicht geben. Wie schaffen wir es, die Menschen wieder mehr für Demokratie begeistern? Was wir brauchen sind Themen, die für die Menschen relevant sind, und eine Politik, die sich mehr durch spannende Debatten und wenige durch lahme Kompromisse auszeichnet, so die Einschätzung von Lammert.
Debattenkultur ohne „Absolutheitsanspruch“
Seit 40 Jahren ist die Konrad-Adenauer-Stiftung mit einem Politischen Bildungsforum nun schon im Saarland vertreten. 40 Jahre KAS im Saarland das heißt auch 40 Jahre politische Debatten anstoßen und 40 Jahre Menschen für Demokratie begeistern. Die ersten Jahre waren bestimmt keinen einfachen, denn es waren schwierigen Jahre für die CDU, eine regelrechte „Durststrecke“, wie es die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlandes in ihrer Festrede beschreibt. Hier, wo jeder jeden über zwei Ecken kennt, und Menschen über Ländergrenzen hinweg leben und arbeiten, steht die Politische Bildung vor besonderen Herausforderungen. „Das Saarland war schon immer etwas europäischer als andere Länder“, so die Einschätzung von Kramp-Karrenbauer. Sichtbar wird das nicht nur bei den Themen der Veranstaltungen, sondern auch bei den Teilnehmern, die nicht selten aus Frankreich oder Luxemburg anreisen.
Zur Gründung des Politischen Bildungsforums (damals noch Bildungswerk) im Jahr 1978 schrieb die Saarbrücker Zeitung, die KAS habe sich zum Ziel gesetzt, „Bürger in kritischer Distanz“ auszubilden. Diese kritische Distanz - auch zur eigenen Meinung - fehle in der heutigen Debattenkultur, so Kramp-Karrenbauer. In einer Demokratie müsse man „auch mal ertragen, dass jemand im Raum eine ganz andere Meinung vertritt als man selbst“, so die CDU-Generalsekretärin. Hitzige Debatten habe es in der Politik schon immer gegeben. Auch in der CDU wurde schon immer „heftig um Positionen gerungen“. Deutlich verschärft habe sich in den letzten Jahren jedoch die Tonalität und hinzugekommen sei ein „Absolutheitsanspruch“ an die eigenen Meinung. Aktuell in Chemnitz zeige sich, dass wir für die demokratischen Grundwerte in unserem Land immer wieder aufs Neue kämpfen müssen. Die Politik stehe in der Pflicht, Dinge, die uns wichtig sind, immer wieder neu zu begründen. „Wir dürfen unsere demokratischen Grundprinzipien nicht aufgeben“, lautete ihr Appell.
Nachhilfe in Sachen Digitalisierung
Im Anschluss an die Festrede der CDU-Generalsekretärin folgte eine lebendige Podiumsdiskussion zu den aktuellen Herausforderungen und Aufgaben der Politischen Bildung. Neben dem Moderator, der Journalist Axel Buchholz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Norbert Lammert hatte auch der amtierende saarländische Ministerpräsident, Tobias Hans MdL an der Podiumsdiskussion teilgenommen. Eine der größten Herausforderungen der Politischen Bildung sieht der Ministerpräsident aktuell in der Vermittlung von Medienkompetenz. „Wir müssen die digitale Bildung dringend voranbringen“, forderte er. Gerade durch Phänomene wie Fake News oder Echokammern werde es immer schwieriger zu erkennen, ob Informationen aus seriösen Quellen stammen oder nur das Werk von Bots sind. „Wir können nicht mehr sicher sein, dass alles, was wir im Netz lesen, auch wirklich stimmt“, so Hans. Schulen müssten besser ausgestattet werden und auch die Politik muss sich den neuen Medien öffnen, denn immer häufiger finde politische Meinungsbildung in sozialen Netzwerken statt, forderte der Politiker.
Ein Stabilitätsanker der Politischen Bildung
Die hochkarätige Veranstaltung im Saarbrücker Schloss hatte nicht nur das 40-Jährige Jubiläum des Politischen Bildungsforums der Konrad-Adenauer-Stiftung im Saarland zum Anlass, sondern auch die Verabschiedung seiner langjährigen Leiterin Helga Bossung-Wagner. Ein „Stabilitätsanker der Politischen Bildung“, nannte Hauptabteilungsleiterin Melanie Piepenschneider Bossung-Wagner, die in ihrer aktiven Zeit nicht nur die Arbeit des Frauenkollegs entscheiden mutgeprägt hat, sondern mit dem Kultursalon, den Politischen Flussschifffahrten und dem Europaforum viele erfolgreiche Veranstaltungsformate etabliert hat. Die gebürtige Rheinland-Pfälzerin hat in ihren 31 Dienstjahren für die Konrad-Adenauer-Stiftung rund 1.000 Veranstaltungen auf die Beine gestellt, die von schätzungsweise 65.000 Teilnehmern besucht wurden. „Geht nicht, gibts nicht“, lautet das Motto von Helga Bossung-Wagner, die seit 1987 mit viel Herzblut und Engagement die Politische Bildung im Saarland geprägt hat. „Ich bin dankbar für einen Beruf, der mich immer weiter wachsen ließ“, sagte Bossung-Wagner sichtlich bewegt in ihrer Abschiedsrede. Viele Freunde und Weggefährten waren am Dienstagabend in den Festsaal des Saarbrücker Schlosses gekommen, um sie in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden. So viele, dass kein einziger Sitz leer blieb und die Standing Ovations noch lange im Saal nachhallten.