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Event reports

Aktuelle Herausforderungen der Flüchtlingspolitik für Kommunen und Gesellschaft

Veranstaltung in Burg - im Rahmen der Themenreihe "25 Jahre Sachsen-Anhalt - Von der Neugründung zum Zukunftsland in der Mitte Deutschlands"

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Welche Herausforderungen sind mit dem Zustrom an Flüchtlingen für Kommunen und Gesellschaft verbunden und wie sind diese zu bewältigen? Unter dieser Fragestellung stand eine Abendveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Burg. Gäste aus vielen Bereichen der Gesellschaft, darunter Kommunalpolitiker wie Bürgermeister, Kreistags-, Stadtrats- und Gemeinderatsmitglieder, Unternehmer, Pädagogen sowie freiwillige Helfer und ebenso zahlreiche junge Erwachsene waren der Einladung des Politischen Bildungsforums Sachsen-Anhalt ins Burg Theater gefolgt, dem ältesten durchgängig betriebenen Kinobau Deutschlands. Doch diesmal wurde kein Film gezeigt, sondern es fand eine rege Diskussion unter Moderation von Markus Kurze MdL (stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion) statt. Der Abend war Teil der Themenreihe „25 Jahre Sachsen-Anhalt - Von der Neugründung zum Zukunftsland in der Mitte Deutschlands“.

 

 

 

Nach Begrüßung durch Alexandra Mehnert (Leiterin des Politischen Bildungsforums Sachsen-Anhalt) folgte ein Grußwort von Katharina Lanatowitz vom Betreiberverein WEITBLICK e.V., deren Vertreter Bernd Goldbach vor der Veranstaltung mit dem Publikum hinter die Kulissen des Kinos blickte. Staatssekretär Michael Richter (Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt) eröffnete die Diskussion mit seinem Statement und erörterte zunächst den Ablauf der Asylverfahren sowie die aktuelle Lage in Sachsen-Anhalt. Gemäß dem „Königsteiner Schlüssel“ nimmt Sachsen-Anhalt ca. 3 Prozent der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge auf. Nach erfolgtem Asylverfahren in den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie auf die Kommunen verteilt, doch aus Kapazitätsgründen geschieht dies derzeit oft schon, bevor der Asylstatus entschieden ist. Bei Anerkennung sind schließlich die Kommunen in der Pflicht, etwa bei der Vermittlung von Wohnungen, beim Sprachunterricht (erfolgt bereits bei der Erstaufnahme), bei der Unterbringung von Kindern in Kindergärten, Schule und Hort, bei der Berufsausbildung/Qualifikation sowie bei Unterstützung von Arbeitssuche.

 

 

 

Von den derzeit nach Sachsen-Anhalt kommenden Flüchtlingen handelt es sich zu 40-50 Prozent um Menschen aus den Kriegsgebieten in Syrien, auch zu einem großen Anteil (über 20 Prozent) um Afghanen. Ein Rückgang auf ca. 2 Prozent ist dagegen bei Asylbewerbern vom Westbalkan zu verzeichnen. Der Staatssekretär berichtete ferner, dass viele der Flüchtlinge oftmals dorthin weiterziehen, wo ihre Verwandten leben, etwa in die skandinavischen Länder oder in Großstädte (z.B. Berlin). Um den immensen Zustrom zu meistern und die Verfahren zu beschleunigen (i.d.R. auf zwei Tage), wurden in mehren Bundesländern große Aufnahmezentren errichtet, etwa in Heidelberg oder in Bad Fallingbostel, wo jeweils ehemalige Kasernengelände genutzt werden. Solche Modelle soll es künftig in allen Bundesländern geben. Allerdings würden nach dem schnelleren Ablauf der Asylverfahren die Flüchtlinge aus schneller in die Kommunen verteilt, was neue Herausforderungen mit sich bringt. Umso wichtiger sei eine schnelle finanzielle Unterstützung der Kommunen durch das Land.

 

 

 

Die Finanzsituation der Kommunen sei eines der größten Probleme, wie Jürgen Leindecker (Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt) darlegte. Hinzu käme ein oftmals überaltertes Personal. Doch bei allem Engagement gibt es viele komplizierte bürokratische Hindernisse, die einer besseren Flüchtlingshilfe oft im Weg stehen. Leindecker sprach sich dafür aus, flexibel bei Übergangslösungen (z.B. Ausschreibungen) zu sein und die Hemmnisse abzubauen. Die Verwaltung müsse zudem schneller und übersichtlicher werden. Praktische Lösungen sollten im Mittelpunkt stehen, nicht so sehr die Vorschriften. Flexibilität sei das Schlüsselwort. Auch seien nur noch jene Flüchtlinge auf die Kommunen zu verteilen, die dort längerfristig bleiben können und wollen.

 

 

 

Pfarrer i.R. Götz Boshamer hob die hohe Bedeutung ehrenamtlicher Unterstützung hervor und betonte, dass er erfreut sei, wie viel unvorstellbar Gutes durch engagierte Kommunalpolitiker, Vereine, Verbände, Bürger entstehe, die mit viel Fantasie und Initiative viel erreichen. An mehreren Bibelzitaten zeigte Boshamer auf, wie der Umgang mit Flüchtlingen/Fremdlingen im Christentum verankert ist: So heißt es bereits im Alten Testament „Du sollst das Recht des Fremdlings und des Waisen nicht beugen “ (5. Mose 24, 17) und weiter „Verflucht sei, wer das Recht des Fremdlings, des Waisen und der Witwe beugt! Und alles Volk soll sagen: Amen.“ (5. Mose 27, 19). Besonders kommt die christliche Verantwortung für Flüchtlinge im Gleichnis vom barmherzigen Samariter zum Ausdruck, wo Jesus fordert „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!“ (vgl. Lukas 10, 27).

 

 

 

Im weiteren Verlauf des Abends berichteten Vertreter aus Vereinen und Kommunen über ihr Engagement und über die bürokratischen Probleme und Hemmnisse. So wurde in einem Ortsteil von Burg Wohnraum für Flüchtlinge geschaffen, doch diese würden nicht entsprechend zugewiesen, auch weil eine Busverbindung vom Ortsteil in die Stadt fehlt. Diskutiert wurde zudem der Ausbau der Infrastruktur angesichts den Zuwachs an Flüchtlingen – beispielsweise bei Kitas oder Schulen – und ob diese Ressourcen auch längerfristig genutzt werden. Gerade bei den Kindereinrichtungen sowie in Schulen herrscht das Problem der Kommunikation, da viele Flüchtlingskinder die deutsche Sprache noch nicht beherrschen und es gleichzeitig zu wenige Lehrer gibt, die deren Muttersprachen beherrschen. Auch bzgl. Schuleingangsuntersuchungen wurden bürokratische Hemmnisse kritisiert.

 

 

 

Anknüpfend an das Statement von Pfarrer Boshamer stand die Frage nach christlichen Werten im Blickpunkt. Boshamer wies darauf hin, dass Christentum, Judentum und Islam eng verwurzelt sind, dass es aber eine Entfremdung von der christlichen Religion gebe. Andere Religionen seien aber vor allem dann zu kennen, wenn man die eigene Religion und die Wurzel der eigenen Werte kennt und sich dem kulturellen Erbe verpflichtet.

 

 

 

Insgesamt plädierten die Teilnehmer der ausgesprochen sachlich geführten Diskussion für eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge in kleinen Gruppen auf verschiedene Orte im Kreis. Sachsen-Anhalt steht – wie ganz Deutschland – vor großen Herausforderungen, aber mit großem Engagement und vor allem mit Abbau der angesprochenen Hemmnisse können diese bewältigt werden. „Wir brauchen weniger Vorschriften, wir müssen die Menschen machen lassen!“ postulierte hierzu ein anwesender Bürgermeister. Die aus Kriegsgebieten geflohenen Menschen haben so die Chance auf ein Leben in Frieden und Sicherheit.

 

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Logo der Themenreihe des PBF Sachsen-Anhalt PBF Sachsen-Anhalt

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