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Sachsen-Anhalt ist reich an Traditionen und Kultur. Seine Kulturlandschaft ist geprägt von zahlreichen Burgen und Schlössern, Parks und Gärten Kirchen und Klöstern, Theatern sowie weiteren historischen Orten, die sich weltweiter Bekanntheit erfreuen. Gleich vier Stätten in Sachsen-Anhalt gehören dem UNESCO-Weltkulturerbe an; weitere – darunter die Kulturlandschaft Naumburg – haben sich um diesen Titel beworben. Gäste aus der ganzen Welt besuchen Sachsen-Anhalt und erleben nicht nur Traditionen, sondern eine lebendige Kulturlandschaft. Welche Bedeutung hat der Tourismus als Wirtschaftsfaktor? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen der Themenreihe „25 Jahre Sachsen-Anhalt – Von der Neugründung zum Zukunftsland in der Mitte Deutschlands“. Moderiert wurde der Abend durch den Landtagsabgeordneten Daniel Sturm.
Nach der Begrüßung durch Alexandra Mehnert, Leiterin des Politischen Bildungsforums Sachsen-Anhalt der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., stellte Staatssekretär Marco Tullner (Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft) dar, wie es nach dem politischen Umbruch 1989/90 darum ging, das Bundesland aufzubauen, aber auch historische Wurzeln wiederzuerkennen und die Bevölkerung mit dem Schatz vertraut zu machen. „Die besten Botschafter sind immer die eigenen Leute, sie sind wichtiger als jede Marketingbroschüre“, so Tullner. Servicequalität muss gelebt werden, so in der Gastronomie. Es ist wichtig, mit Hotel- und Gaststättenbetreibern an einem Strang zu ziehen. Wenn die Menschen vor Ort auf ihre Schätze aufmerksam machen, hat das überregionale Ausstrahlung.
Dr. Holger Kunde (Direktor der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz) begrüßte die Teilnehmer mit einem anfänglichen Grußwort. In seinem Statement bezog er sich auf die Bekanntheit der Stadt Naumburg vor 1990 und bis zur Gegenwart. Naumburg war auch vor 1990 in der alten Bundesrepublik durch die Uta im Naumburger Dom bekannt. Nach dem Fall der Mauer konnte die Stadt deshalb viele Besucher begrüßen. Naumburg befand sich in einem relativ guten baulichen Zustand. Die nächsten zehn Jahre wurde nach Einschätzung von Dr. Kunde dann „verschlafen“. Leider ist die gute Annahme der Stadt verebbt, da es auch im gesamten Bundesgebiet viele gute touristische Ziele gibt. Er stellte die Arbeit seiner Stiftung vor, die ihren Haushalt selbst erwirtschaften kann und auch muss. Mit viel Engagement wurden neue Ausstellungsräume und Ausstellungen etabliert, hier nannte der Gesprächspartner konkrete Beispiele wie die touristische Erschließung des Nord-West-Turms und die Landesausstellung Sachsen-Anhalt mit sehr vielen Besuchern. Mit diesen Angeboten war es auch möglich, die Stadt im europäischen Bewusstsein zu platzieren. Dr. Kunde stellte dar, wie wichtig Qualität in der Gastronomie ist, auch für die Aufenthaltsdauer der Gäste.
Nicola Rouette-Lauer von der Stadt Naumburg stellte nachdrücklich dar, dass Tourismus ein wichtiger Wachstumsmotor und Wirtschaftsfaktor ist. Sie bemängelte, dass es aus ihrer Sicht in der Region und Stadt nicht immer so wahrgenommen wird. Sie verdeutlichte, dass es wichtig ist, bestehende Angebote zu modifizieren und die Touristen dadurch zu motivieren, erneut zu kommen. Gerade in der Region um Naumburg gibt es so viel Kultur, dass das aus ihrer Sicht gelingen könne. Auch kritisierte sie eine fehlende Nachhaltigkeit nach der erfolgreichen Landesausstellung, hier wäre mehr möglich gewesen. Sie stellte dar, dass die Übernachtungszahlen in den letzten Jahren trotz Einflüssen von Hochwasser und großer Hitze insgesamt gut waren, aber trotzdem wäre auch das noch auszubauen gewesen. Viele Potentiale wie auch die Nutzung der vielfältigen Freizeitangebote sind noch nicht voll ausgeschöpft. Deutlich kritisierte sie ein mangelndes Service- und Tourismusverständnis in der Stadt. „Liebe zu seiner Region muss man ausstrahlen“, teilte sie die Gedanken ihrer Vorredner. Nachdenklich beschrieb sie den fehlenden Nachwuchs in der Gastronomie und im Hotelgewerbe und ermunterte, hier aktiv zu werden.
Auch Bernd Lüdkemeier (Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH) sah für die Region noch „Luft nach oben“. Er beschrieb die Vorzüge des Kulturlands Sachsen-Anhalt, sah Sachsen-Anhalt hier in einer herausgehobenen Stellung im Kulturtourismus, gar als Kernland und verwies auf die 7000jährige kulturelle Geschichte. Die Region sei erlebenswert und unverwechselbar in Europa mit ihrer hohen Kulturdichte. Als Beispiele nannte er das Reformationsjahr 2017, die UNESCO-Welterbestätten, die Himmelsscheibe von Nebra u.v.a.m. Er zeigte die große Chance der Landschaft Saale-Unstrut auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe auf. Lüdkemeier hob die Bedeutung der Tourismusverbände hervor. Bezüglich der Übernachtungen analysierte er, dass mehr Binnengäste in die Region kommen, weniger ausländische Gäste. Hier müsste es mehr Anreize geben, auch hinsichtlich der Bleibedauer.
Andreas Plehn zeigte die Entwicklung der örtlichen Straßenbahn und die Gründung der Naumburger Straßenbahn GmbH auf, als deren Geschäftsführer er wirkt. Heute wird die GmbH von drei Personen privat betrieben, was großes persönliches Engagement und Herzblut erfordert. Noch vor zehn Jahren fuhr die Bahn aus Tourismusbahn ausschließlich am Wochenende. Zwischenzeitlich hat die Stadt die Strecke für 12 Mio. Euro erneuert. 2005 gab es den Beschluss, die Bahn ab 2007 für sieben Monate auf eigenes Risiko fahren zu lassen. Unterstützung gab es auch vom Bundesland und der Stadt. Der Modellversuch wurde auf vier Jahre festgelegt. Der Schritt hat sich gelohnt, die Fahrgastzahlen konnten in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert werden. 40 Prozent der Fahrgäste sind Touristen. Das Unternehmen fährt ausschließlich mit historischen Fahrzeugen. Plehn machte am Beispiel der Naumburger Straßenbahn deutlich, dass es lohnt, sich für etwas einzusetzen.
In der anschließenden sehr munteren Diskussion wurden mehrere Blickwinkel aufgegriffen. Ein Schwerpunkt war die Bedeutung des Weinanbaus für die Ausstrahlung der Region. Als weiterer Punkt wurde der mangelnde Service in der Region diskutiert. Insbesondere Öffnungszeiten in der Gastronomie, Mängel im Hotelgewerbe, wenig ausgeprägte Willkommenskultur und Sprachbarrieren wurden hier hervorgehoben. Diskutiert wurde auch die Aufwertung des Berufsbildes in der Gastronomie, um junge Leute zu einer Ausbildung in diesem Bereich zu motivieren.