Bildung der Regierung
Staatspräsident Zoran Milanovic übertrug am 16. Juli 2020 dem amtierenden Ministerpräsident Andrej Plenkovic das Mandat für die Bildung einer neuen Regierung. Neben den acht Abgeordneten der Minderheiten bekam die HDZ auch die Unterstützung der liberalen Parteien HNS (1) und NS Reformisti (1). Alle diese Koalitionspartner hatten die HDZ auch in der vergangenen Legislaturperiode zeitweilig unterstützt.
Die Regierung hat fünf Prioritäten für die kommende Amtszeit festgelegt:
- Soziale Sicherheit
- Zukunft mit Perspektive
- Wirtschaftswachstum
- Moderne Souveränität im Kontext europäischer Einheit
- Globale Erkennbarkeit
Aufgrund der Pandemie erwartet Kroatien einen großen wirtschaftlichen Schock. Das kroatische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 könnte ungefähr um 10 Prozent sinken. Das Land hofft auf eine deutliche Erholung im nächsten Jahr. Die Europäische Kommission prognostiziert momentan ein Wachstum von 7,5 Prozent für Kroatien im Jahr 2021. Ein wichtiger Bestandteil des zukünftigen wirtschaftlichen Aufschwungs könnten dabei zusätzliche europäische Mittel sein.
Die Regierung Plenkovic hat großen Wert darauf gelegt, die Opposition in die Bewältigung der kommenden Herausforderungen miteinzubeziehen. In den folgenden Jahren wird Kroatien maßgebliche politische Entscheidungen treffen müssen, nicht zuletzt über den Beitritt zur Eurozone.
Das Land hat seit der seiner Unabhängigkeit viermal eine gemeinsame Anstrengung aller entscheidender politischen Kräfte erlebt:
- In den Zeiten des „Heimatkrieges“ 1991 formierte Franjo Tudjman die Regierung der nationalen Einheit, bei der eine Reihe wichtiger oppositioneller Politiker Teil der Regierung wurde;
- 2005 vereinbarten Ministerpräsident Ivo Sanader (HDZ) und SDP-Chef Ivica Racan die Gründung der „Allianz für Europa“, um zusammen den Beitritt Kroatiens zur EU zu voranzutreiben;
- 2009 bekam Ministerpräsidentin Jadranka Kosor (HDZ) im Parlament auch die Unterstützung der Opposition für die Einigung mit Slowenien in Bezug auf eine Schlichtung hinsichtlich der Frage der Staatsgrenzen;
- 2010 vereinbarten Ministerpräsidentin Kosor und Zoran Milanovic (SDP) für den Beitritt Kroatiens in die EU bedeutende Änderungen der Verfassung.
Höhere Effizienz durch weniger Ministerien
Die neue Regierung hat vier stellvertretende Ministerpräsidenten. Finanzminister Zdravko Maric und Innenminister Davor Bozinovic hatten dieses Amt bereits während der letzten Legislaturperiode inne. Dazu kommen Tomo Medved, Minister für Kriegsveteranen, und der ethnische Serbe Boris Milosevic (SDSS) als Vertreter der Minderheiten.
Bereits während der Wahlkampagne kündete die HDZ eine Initiative an, die Anzahl der Ministerien zu reduzieren, um eine effizientere öffentliche Verwaltung zu schaffen. Schlussendlich wurde die Anzahl von Ministerien von 20 auf 16 reduziert:
- Das Justizministerium und das Verwaltungsministerium wurden zusammengelegt;
- Das Bauministerium und das Ministerium für staatliches Vermögen wurden zusammengelegt;
- Das Ministerium für nachhaltige Entwicklung wurde durch die Einbeziehung des Umweltministeriums in das Wirtschaftsministerium integriert;
- Dem Ministerium für Arbeit und Renten wurde auch eine Abteilung für Sozialpolitik hinzugefügt;
- Das Ministerium für Tourismus ist jetzt auch für Sport zuständig.
Zusätzlich wurde eine zentrale staatliche Institution für Demographie und Jugend eingerichtet, die alle politischen Entscheidungen der Regierungen auf ihre demographische Nachhaltigkeit untersuchen wird. Des Weiteren soll diese Institution Vorschläge erarbeiten, wie einerseits der „Brain Drain“ besonders in den ländlichen Regionen verhindert und andererseits die Remigration von im Ausland lebenden Kroaten unterstützt werden kann.
Darüber hinaus hat sich die Regierung dafür entschieden, das Amt des Assistenzministers (entspräche in Deutschland einer Position, die zwischen Staatssekretär und Abteilungsleiter angesiedelt ist) abzuschaffen, um somit die Anzahl der Beamten zu senken.
Reform der lokalen Verwaltung
Die Regierung beabsichtigt, während ihrer Amtszeit einen neuen gesetzlichen Rahmen für die lokale Selbstverwaltung zu erarbeiten und die Anzahl von lokalen Beamten zu halbieren. Dieses wichtige Reformvorhaben könnte eine auschlaggebende Rolle bei den kommenden Kommunalwahlen im Mai 2021 spielen, da die bis dahin möglicherweise verabschiedeten Gesetzesänderungen bereits ab dieser Wahl gelten könnten.
Die Reduzierung der Anzahl von Beamten soll mittels einer teilweisen Abschaffung der Ämter der stellvertretenden Gemeindevorsitzenden (in kleineren Kommunen), Bürgermeister (in Städten) und Gespane erreicht werden. Durch diese Änderung könnten jährlich Einsparungen von ungefähr 22 Millionen Euro erzielt werden. Das Justiz- und Verwaltungsministerium erarbeitet schon seit längerem Entwürfe hinsichtlich dieser Reduzierungen. Einige Einheiten der lokalen Selbstverwaltung werden diese Ämter dennoch weiterhin behalten. Das hängt von ihrer Größe und ihrem Entwicklungsstand ab. Die Quote dieser Ämter, die von den Minderheiten besetzt werden, wird durch die Reformen nicht berührt.
Zusätzlich ist geplant, die Anzahl von Abgeordneten in den lokalen Versammlungen (Gemeinde- und Stadträte) um 20 bis 30 Prozent zu reduzieren. Ziel ist es dabei, Mittel einzusparen und die Effizienz dieser Versammlungen zu erhöhen.
Weiterhin ist beabsichtigt, Gemeinden im Bereich von kommunalen Dienstleistungen zusammenzulegen, die diese nicht alleine erfüllen können. Diese Form von Zusammenschlüssen gibt es bereits in anderen Mitgliedsländern der EU, darunter Deutschland, Frankreich und Österreich.
Gemäß dem jetzigen Entwurf soll der territoriale Aufbau und die Anzahl von Einheiten der Selbstverwaltung nicht geändert werden.
Schließlich ist beabsichtigt, die Position der Hauptabteilungsleiter (pročelnik) zeitlich zu befristen. Ziel ist es dabei, eine effizientere kommunale Verwaltung voranzutreiben.
Steuerreform
Ein weiteres wichtiges Projekt stellt die Steuerreform dar. Die Steuersätze auf Einkommen und Ertrag sollen gesenkt werden.
Die Regierung hofft auf zwei Effekte: Durch die erhöhten Einkommen der Bürger sollen die Verbraucherausgaben ansteigen. Zusätzlich soll Kroatien dadurch für ausländische Investitionen und Investoren attraktiver werden.
Finanzminister Maric hat bereits angekündigt, dass der Basissteuersatz für Einkommen von 24 Prozent auf 20 Prozent und der Spitzensteuersatz von 36 Prozent auf 30 Prozent gesenkt werden soll. Auch soll die Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel von 25 Prozent auf 13 Prozent gesenkt werden.
Wiederaufbau Zagrebs
Die Hauptstadt Kroatiens hat im März 2020 ein schweres Erdbeben erlebt. Besonders in der Altstadt Zagrebs sind umfangreiche Sanierungen notwendig. Der Gesamtschaden beläuft sich auf insgesamt 11,5 Milliarden Euro. Die Regierung hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, der Zuwendungen in Höhe von 5,6 Milliarden Euro vorsieht. Das entspricht ungefähr 10,5 Prozent des kroatischen BIP im Jahr 2019. Nach dem gegenwärtigen Gesetzentwurf wird der Staat 60 Prozent dieser Kosten übernehmen, 20 Prozent die Stadt Zagreb und 20 Prozent die Bürger selbst. Bei dem Gesetzentwurf handelt es sich bezüglich Gebäude im Privateigentum nur um die Sanierung der Gebäudestatik.
Der Inhalt dieses Gesetzes wird eine bedeutende Rolle bei den Kommunalwahlen in Zagreb spielen, bei denen der seit 20 Jahren amtierende, umstrittene Bürgermeister Milan Bandic zum ersten Mal nicht als deutlicher Favorit ins Rennen geht.
Dazu kommt die Tatsache, dass dieser Gesetzentwurf in den anderen Teilen Kroatiens Diskussionen über die Solidarität mit Zagreb und seinen Einwohnern ausgelöst hat. Kroatien gilt als stark zentralisiertes Land. Ein Viertel der kroatischen Bevölkerung lebt in der Hauptstadt oder ihrer unmittelbaren Umgebung. Daher ist die Frage, ob weniger entwickelte Regionen des Landes für die Schäden in Zagreb aufkommen sollen, hoch umstritten. Auch dies könnte Auswirkungen auf das Ergebnis der Kommunalwahl im kommenden Jahr haben.
Schengenraum und Eurozone
Außenminister Goran Grlic Radman hat nach der Bildung der jetzigen Regierung erneut betont, dass die wichtigsten außenpolitischen Ziele Kroatiens der Beitritt in den Schengenraum, die Eurozone und die OECD seien.
Kroatien hat Anfang 2015 beim Europäischen Rat um den Beginn des Beitrittsprozesses für den Schengenraum gebeten. Die Europäische Kommission hat Ende 2019 erklärt, Kroatien habe die technischen Voraussetzungen ausgefüllt.
Eine wichtiger Fortschritt war die Äußerung des amtierenden Ministerpräsidenten Sloweniens, Janez Jansa, der im Juli 2020 sich dahingehend äußerte, der Beitritt Kroatiens in den Schengenraum und die Eurozone entspräche dem slowenischen nationalen Interesse. Bisher scheiterte eine vertiefte europäische Integration Kroatiens oft am Widerstand Sloweniens, da beide Länder seit Jahrzehnten einen ungelösten Grenzstreit miteinander austragen (Piran-Bucht).
Hinsichtlich der Eurozone wurde Kroatien Anfang Juli 2020 in den Wechselkursmechanismus II aufgenommen. Den Beitritt zur Eurozone hat Ministerpräsident Plenkovic als eine der wichtigsten Interessen Kroatiens bezeichnet. Die Einführung des Euro werde nach seinen Worten Kroatien zukünftig ermöglichen, in Zeiten der Krise wie der jetzigen Coronakrise, stringenter und effektiver zu handeln. Dabei hält er es für möglich, dass der Beitritt Kroatiens zur Eurozone bereits im Jahr 2023 erfolgen kann.
Der Beitritt zur Eurozone ist in Kroatien nicht unumstritten. Ein Teil der nationalkonservativen Opposition inszeniert die Beibehaltung der nationalen Währung Kuna als ein Symbol der Unabhängigkeit des Landes. Der Ministerpräsident wies Befürchtungen hinsichtlich wachsender Lebensmittelpreise und eines sinkenden Lebensstandards ab. Kroatien sei bereits heute ein mit der Eurowährung stark verknüpftes Land. So seien z.B. 85 Prozent der Ersparnisse kroatischer Bürger in Euro angelegt. Die Erfahrungen anderer Transitionsländer der EU zeigten, dass die Einführung des Euros ein weiteres Wirtschaftswachstum auslöse.
Die Zusammensetzung der neuen Regierung
Das Regierungsbild ist stark durch Kontinuität geprägt. Die meisten Minister, die nach der umfangreichen Umbildung während des letzten Mandats Teil der Regierung waren, sind in ihren Ämtern verblieben. Insgesamt gibt es nur drei neue Minister.
Die neue Ministerin für Tourismus und Sport, Nikolina Brnjac, war während der letzten Amtszeit Staatssekretärin im Verkehrsministerium. Nach der Umbildung der Regierung im Juli 2019 wurde sie zur Staatssekretärin im Außenministerium. Sie wurde erst im Jahr 2016 HDZ-Mitglied, nachdem Plenkovic zum ersten Mal zum Parteichef gewählt worden war.
Die neue Ministerin für regionale Entwicklung und EU-Fonds ist Natasa Tramisak. Jahrelang war sie an der Vorbereitung und Verwaltung von seitens europäischer Mittel geförderten Projekten beteiligt. Seit 2018 war sie die Hauptabteilungsleiterin für Investitionen und EU-Fonds in der Gespanschaft Osijek-Baranja in Slawonien.
Radovan Fuchs ist der neue Minister für Wissenschaft und Bildung. Er hat einen Doktortitel in Biomedizin und war bereits während der Amtszeit von Kosor (2009-2012) der Minister für Wissenschaft, Bildung und Sport. Seit 2018 war er als Berater des Ministerpräsidenten tätig.About this series
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