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Mit einem Zitat von William Yeats - “a terrible beauty is being born” – eröffnete Mosiuoa „Terror“ Lekota die Gründungskonferenz des Congress of the People am vergangenen Sonntagmorgen in Bloemfontein, mit einem Zitat eines in Südafrika weitaus besser bekannten Mannes schloss er die Veranstaltung am Dienstagnachmittag: “Never, never and never again shall it be that this beautiful land will again experience the oppression of one by another”, hatte schon Nelson Mandela nach seiner Vereidigung zu Südafrikas erstem demokratisch gewählten Präsidenten am 11. Mai 1994 gesagt. Während sich Mandelas Worte vor 14 Jahren vor allem auf das Aparheids-Regime bezogen, richteten sich die Worte Terror Lekotas allerdings am Dienstag gegen seine einstigen Mitstreiter aus dem ANC: Persönliche Machtkämpfe, die mit dem erzwungenen Rücktritt Thabo Mbekis und der eiligen Vereidigung Kgalema Motlanthes als Übergangspräsidenten am 25. September ihren Höhepunkt gefunden hatten, Korruptionsvorwürfe auf allen Regierungsebenen, eingestellte Gerichtsverfahren gegen den Parteipräsidenten Jacob Zuma, die undemokratischen Strukturen des ANC und eine zunehmende Sprache der Gewalt hatte Lekota vor einigen Wochen als Hauptgründe dafür genannt, den ANC zu verlassen (siehe Länderbericht vom 9. Oktober 2008). Tausende Südafrikaner – unter ihnen so prominente ANC-Politiker wie der ehemalige Premier der Provinz Gauteng, Mbhazima Shilowa, Lekotas ehemaliger Stellvertreter im Verteidigungsministerium, Mluleki George, und der ehemalige Gewerkschaftsführer Willy Madisha – folgten. Am 1. November trafen sich die Abtünnigen zur Sandton-Convention in Johannesburg (siehe Länderbericht Dr. Werner Böhler vom 4. November 2008) und beschlossen die Gründung der neuen Partei. Nach eigenen Angaben hat COPE in den vergangenen sechs Wochen seit der Sandton-Convention bereits 400.000 Mitglieder rekrutiert. Hochburg soll das Eastern Cape sein – die eigentliche Geburtsstätte und das Herzstück des ANC.
So ist Südafrika an einem Punkt angelangt, an dem sich das Parteiensystem nachhaltig verändern könnte. Nach den erfolglosen Versuchen in der Vergangenheit (1997 gründete sich das United Democratic Movement, im Jahr 2003 gelang den Independent Democrats erstmalig der Einzug ins Parlament – beide Parteien sind aber heute bedeutungslos) scheint mit COPE erstmalig eine südafrikanische Partei in der Lage, eine ernst zu nehmende Alternative zum ANC zu bilden. Die ehemalige Bereiungsbewegung dominiert das Land seit 1994 mit einer stetig wachsenden Mehrheit. Der ANC regiert in allen neun Provinzen der Republik und mit Ausnahme vom Democratic-Alliance-regierten Kapstadt in allen Metropolen des Landes. Zurzeit verfügt die Regierungspartei auf nationaler Ebene über eine Zwei-Drittel-Mehrheit und hat somit die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern. Genau diesen Aspekt greift COPE nun auf: “In Defence of our Constituition” und “In Defence of Democracy” sind zwei der immer wieder kehrenden Slogan. COPE sieht die Verfassung und den südafrikanischen Rechtsstaat in Gefahr, wie Lekota in den vergangenen Tagen in Bloemfontein immer wieder betonte.
Die Gründungskonferenz
Datum und Ort der Gründungsversammlung, die unter dem Motto „COPE a new agenda for change and hope“ stand, waren von den Verantwortlichen wohlüberlegt ausgesucht: Sowohl der 16. Dezember als auch der Ort Bloemfontein sind geschichtsträchtige Symbole in Südafrika: Am 1. Januar 1912 gründete sich der ANC in Bloemfontein, am 16. Dezember 1838 siegten die weißen Afrikaner über die Zulu, am 16. Dezember 1961 wurde der bewaffnete Flügel des ANC, Umkhonto weSizwe, ins Leben gerufen, und seit 1994 feiern die Südafrikaner am 16. Dezember ihren “Day of Reconciliation”, den Tag der Aussöhnung. Aussöhnung war auch eins der bestimmenden Themen der COPE-Versammlung. Schon in ihren Eröffnungsreden wiesen Lekota, Shilowa und die anderen Redner immer wieder darauf hin, dass COPE eine vereinende Partei sein soll, die niemanden ausschließt. Wichtige Passagen ihrer in englischer Sprache gehaltenen Reden wiederholten die beiden daher sowohl in Xhosa und Zulu als auch in Afrikaans. Wie sehr er auch um die Stimmen der weißen Afrikaans-Gruppe des Landes kämpfen will, machte Lekota eindrucksvoll deutlich, als er vor den 4000 Delegierten das alte Afrikaans-Volkslied „Suikerbossie“ anstimmte. “Wir sind nicht hier, um Hasslieder zu singen”, ermahnte er außerdem Versuche einiger COPE-Anhänger, Lieder gegen den ANC anzustimmen. Auf dieses Niveau des ANC, so Lekota, wolle man sich nicht herablassen.
Die neue Parteispitze
Nach den einstimmenden Reden stand an den folgenden Tagen allerdings inhaltliche Arbeit auf dem Programm. Wichtigstes Thema neben Parteistruktur und Parteiprogramm war die Frage der Parteispitze. Wie erwartet einigte man sich auf Terror Lekota als Parteiführer und Mbhazima Shilowa als Stellvertreter. Lekota gehörte unter Mbeki als Verteidigungsminister der Regierung an, Shilowa ist der ehemalige Premier von Südafrikas stärkster Provinz Gauteng. Beide hatten nach Mbekis Rücktritt ihren Austritt aus dem ANC erklärt.
Während die meisten Beobachter schon vor Beginn des Kongresses den redegewandten Lekota als wahrscheinlichsten Parteivorsitzenden gehandelt hatten, kam eine Entscheidung für Journalisten und Delegierte überraschend: Mit Lynda Odendaal als zweiter stellvertretenden Vorsitzenden neben Mbhazima Shilowa hatte niemand gerechnet. Die 44 -jährige ist auf der politischen Bühne völlig unbekannt und scheint eine Verlegenheitskandidatin zu sein: Berichten einzelner Delegierter zufolge hatte die COPE-Führung noch während des Kongresses verzweifelt nach einer Person gesucht, die zum Image der Partei passt und dem selbst ernannten Anspruch, die gesamte Regenbogennation zu repräsentieren, erfüllt. Charlotte Lobe, ebenfalls ehemalige ANC-Funktionärin, die von vielen als aussichtsreiche Kandidatin gehandelt wurde, schied demnach für den Posten aus. Mit Lynda Odendaal hat COPE so nun zwar eine zweite Vorsitzende, die kaum jemand kennt, doch soll sie sowohl weiße als auch weibliche Wäher für COPE gewinnen. Die alleinerziehende Mutter von vier Kindern, die aus dem Eastern Cape kommt und nun in Johannesburg in der IT-Branche tätig ist, hat sich nach Aussage Lekotas zufolge im Vorfeld der Konferenz mit ihrer harten freiwilligen Arbeit für COPE hervorgetan. “Sie hat zwar kein politisches Profil, aber das werden wir aufbauen”, so Lekota. Während des Parteitags selbst und in ihrer ersten und bislang einzigen Pressekonferenz blieb Lynda Odendaal allerdings still und wirkte blass zwischen all den wohlbekannten und eloquenten Persönlichkeiten.
Weitere Überraschung in der COPE-Führungsregie ist der ehemalige Befreiungskämpfer Reverent Allan Boesak. Erst Ende Oktober hatte der ehemalige Führer der United Democratic Front (UDF) sich kritisch zur Gründung von COPE geäußert und eine Mitgliedschaft ausgeschlossen. Stattdessen hatte er gefordert, innerhalb des ANC eine Debatte über die Ziele der Freedom Charta zu führen und deren konsequente Umsetzung zu forcieren. Jetzt sei aber ein Punkt erreicht, an dem er nicht mehr ruhigen Gewissens dem ANC angehören könne, teilte der Reverent der jubelnden COPE-Menge am Montag mit. Vor allem im Western Cape könnte Allan Boesak nun zum wichtigen Zugpferd von COPE werden. Weitere prominente Übertritte von ANC-Politikern, wie im Vorfeld der Konferenz vermutet, blieben allerdings aus.
Die am Montag ins Amt gehobene Parteispitze – die einzelnen Personen wurden nicht gewählt, sondern im “Konsens aller Delegierten” berufen – sollen bis 2011 in ihrem Amt bleiben. Erst dann werden Wahlen über Personen und Ämter entscheiden.
Weil die Abspaltung des ANC kurz nach dem Partei-Coup gegen Mbeki ins Rollen gekommen war, werden immer wieder Vermutungen laut, der ehemalige Staatspräsident sei das “Mastermind” hinter COPE. Fakt ist jedoch, dass sich Mbeki nie zu Gunsten der neuen Partei geäußert hat. Dennoch stimmten die Delegierten des Bloemfontein-Kongresses immer wieder “Thabo, Thabo”-Gesänge an.
Abgrenzung zum ANC wird schwierig
Jedes Mal, wenn Lekota und sein Team sich auf Mandela, Thabo Mbeki oder die Freedom Charter, das zentrale Dokument des ANC, bezogen, jubelten die Massen in Bloemfontein. Doch genau diese Bezüge auf alte Zeiten und den Befreiungskampf bilden auch ein Problem: Wie genau will sich COPE vom ANC unterscheiden? Die Wirtschaftspolitik Mbekis, die makro-ökonomische Ausrichtung des Landes und die von Finanzminister Trevor Manuel implementierten Strategien sollen nach Vorstellung der neuen Opposition weiter geführt werden. “Wir sind diejenigen, die diese Politik entwickelt haben. Daher werden diese ANC-Strategien mit nur leichte Veränderungen in Kraft bleiben, wenn wir die Wahlen gewonnen haben”, kündigte Lekota an. Eine dieser Veränderungen, so der Vorsitzende, sei die Handhabung des Black Economic Empowerments. Zwar soll es nach COPEs Vorstellung auch weiterhin affirmative action geben, doch soll diese nicht nur für die schwarze Bevölkerung gelten. Diese Ankündigung hat bereits am selben Tag heftige Diskussionen ausgelöst. Ein weiterer Punkt, an dem sich COPE und ANC fundamental unterscheiden ist die Frage des Wahlsystems. In Bloemfontein wiederholte die Führungsriege der neuen Partei ihre Forderung nach der Einführung von Wahlkreisen im Zuge eines gemischten Wahlsystems und der Direktwahl von Staatspräsident und Premiers der Provinzen.
Den Vorwurf, seine Partei unterscheide sich kaum vom ANC, wies Lekota in mehreren Pressekonferenzen im Verlauf des Kongresses immer wieder verärgert von sich: “Wie können Sie uns unterstellen, wir unterscheiden uns nicht vom ANC? Wir stehen für Demokratie und Rechtsstaat. Der ANC verkörpert das genaue Gegenteil”, fauchte ein genervter Lekota einen Journalisten an. Im Gegensatz zum ANC, der sich selbst gerne als “große Kirche” bezeichnet und noch immer eher eine Bewegung ist, versteht sich COPE als erste moderne Massenpartei Südafrikas. COPEs Parteistrukturen sollen transparent sein, und ein Parteiprogramm ist für die zweite Januarhälfte 2009 angekündigt worden. Schwerpunktthemen dieses Programms werden Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, HIV/AIDS, Wahlreform und die wrtschaftspolitische Ausrichtung der Partei sein.
Zu dieser modernen Partei gehört in Zukunft wohl auch ein moderner Wahlkampf: In ihrer Vorbereitung auf den Kongress in Bloemfontein haben die COPE-Verantwortlichen offensichtlich von Amerika gelernt: Hope und Change sind die neuen Schlagworte, die “den hoffnungslosen Hoffnung geben” sollen, wie Lekota verkündete, und mehr denn je zuvor in der Geschichte der südafrikanischen Demokratie wird Wahlkampf über das Internet gemacht: Kurz nach der Sandton-Convention hatte COPE bereits seine eigene Website, und eine eigene Facebook-Gruppe verfügt mittlerweile über mehr als 9000 Mitglieder.
„Hope and Change“
Auf Hoffnung und Wandel setzte Lekota dann auch in seiner abschließenden Rede am Dienstagmorgen. „Die Geschichte Südafrikas wird niemals wieder diesselbe sein“, kündigte er an. Die Geburt von COPE als „progressiver“ Partei bilde einen Wendepunkt und lasse auf nationale Einheit hoffen. Die „Führungskrise“ in der sich das Land zurzeit befinde, werde nach den Wahlen 2009 beendet sein, wenn COPE die Regierung übernehme. Allerdings ist -entgegen der COPE-Rhetorik – nicht davon auszugehen, dass der ANC seine absolute Mehrheit im Parlament verliert.
Den feierlichen Höhepunkt und gleichzeitig den Abschluss der Konferenz in Bloemfontein bildete am Dienstagnachmittag die große Abschlusskundgebung, zu der rund 6000 Menschen ins Cricket-Stadion kamen. Hier beschränkten sich Lekota und sein Team aber auf eine kurze Vorstellung der neuen Parteispitze, kurze Reden und einige Gesänge. „Wir wollen, dass Ihr nun alle sicher nach Hause kommt und dort jeder einzelne von euch seinen Freunden sagt, warum sie COPE wählen sollen“, so Lekota abschließend. Der Aspekt der Sicherheit war es wohl auch, der die Abschlusskundgebung so kurz werden ließ. Jacob Zuma hatte nämlich zeitgleich in Bloemfontein zur Gegenveranstaltung aufgerufen, um mit seinen Anhängern den 47. Geburtstag von Umkhonto weSizwe feiern. Genau wie Lekota schien aber auch Jacob Zuma am “Day of Reconciliation” nicht auf eine offene Konfrontation aus. In seiner Ansprache vor einigen Tausend ANC-Anhängern im Seisa Ramabodu Stadium im Stadtteil Rocklands, nur wenige Kiometer von der COPE-Versammlung entfernt, bezog er sich vor allem auf den bewaffneten Befreiungskampf und die Verdienste von Umkhonto weSizwe. COPE würdigte er keines Wortes. Beide Seiten wollten offenbar ein Zusammentreffen der beiden Lager vermeiden. Zur einem einzigen kleinen Ziwschenfall zwischen COPE-Mitgliedern und Polizei kam es am Vorabend des 16. Dezembers, als die Polizisten einige COPE-Anhänger an einem Autokorso hinderten. Die Polizei sperrte – zum Ärger der Demonstranten – den Ausgang vom Versammlungsgelände ab und verhinderte so, dass Opposition und ANC in der Stadt aufeinander trafen. Nach Auskunft des Polizeisprechers der Provinz Free State, Sam Makhele, blieb die Lage ansonsten ruhig.
Sollte es COPE gelingen, ein eigenes Profil zu entwickeln und den Spagat zu schaffen, sowohl die kleine Mittelschicht als auch die verarmten Bevölkerungsmassen in den Townships sowie auf der anderen Seite auch weiße Wähler für sich zu gewinnen, ist eine echte Opposition zum ANC nicht mehr ausgeschlossen. Vergangene Wahljahre geben aber Anlass zur Vorsicht: Viele Südafrikaner sehen es noch i mmer als Verrat am Befreiungskampf an, die Stimme einer anderen Partei als dem ANC zu geben. Eine erste Niederlage hat der ANC jedoch schon erlitten: Die Klage gegen den Namen der neuen Partei wurde abgewiesen. Der “Congress of the People”, hatte der ANC argumentiert, beziehe sich auf die Versammlung, die am 16. Dezember 1955 die Freedom Charta ins Leben gerufen hatte. Dies bedeute aber nicht, dass der ANC einen Anspruch auf den Namen habe, argumentierte der Richter. Ob COPE nun von allen Bevölkerungsgruppen als neue Opposition akzeptiert wird und die 2/3-Mehrheit der Regierungspartei brechen kann, bleibt abzuwarten. Eine Zusammenarbeit mit anderen Oppositionsparteien haben Lekota und Shilowa ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Der Kongress in Bloemfontein lässt hoffen.