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Country reports

ANC vor erneutem Wahlsieg

Parlamentswahlen 2014 in Südafrika

Am 7. Mai wählt Südafrika zum 5. Mal seit dem Ende der Apartheid. Die Befreiungsbewegung African National Congress, die in einer Koalition mit der Kommunistischen Partei (SACP) und dem Gewerkschaftsverband COSATU regiert, wird auch diese Wahlen gewinnen. Fraglich bleibt, ob es zu der von Staatspräsident Zuma angestrebten Zwei-Drittel Mehrheit kommen wird.

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Für die Parlamentswahlen bewerben sich 29 Parteien um die ca. 25 Millionen Stimmen der registrierten Wähler. Circa 80 Prozent der 31,5 Millionen wahlberechtigten Südafrikaner haben sich bis zum Abschluss der Wählerregistrierung in die Wählerlisten eintragen lassen und können damit am 7. Mai über die künftige Zusammensetzung des Parlaments entscheiden. Das Parlament wiederum wird anschließend den neuen – oder alten - Staatspräsidenten wählen. Zeitgleich mit den nationalen Parlamentswahlen finden die Wahlen zu den neun Provinzparlamenten statt. Der regierende African National Congress (ANC) hat seit 1994 alle nationalen Wahlen mit über 60 Prozent der Stimmen gewonnen. Auf Provinzebene regiert der ANC alle Provinzen bis auf das Westkap, das von der Democratic Alliance geführt wird.

Die jetzige Regierung des Landes besteht aus einer Koalition von drei Partnern, dem ANC, der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) und dem Gewerkschaftsdachverband COSATU. Zu den Wahlen tritt allerdings nur der ANC an, der die Mitglieder der beiden Koalitionspartner in seine Parteilisten integriert hat.

ANC in Umfragen vorn

Jüngste Umfragen für die nationalen Parlamentswahlen sehen den ANC bei 65,5 Prozent der Stimmen, womit die Koalition in etwa das Ergebnis der Wahlen des Jahres 2009 erreichen würde. Eine deutliche Verbesserung würde demnach mit ca. 23 Prozent die stärkste Oppositionspartei, die Democratic Alliance (DA) unter der Führung von Hellen Zille erzielen (2009:16,6%). Ernüchternd dürften die Wahlen für die kleineren Parteien wie die Inkatha Freedom Party (IFP) werden, die weiter an Unterstützung verlieren. Die kurz vor den Wahlen 2009 gegründete Partei COPE wird das damalige Ergebnis von 7,3 Prozent bei weitem nicht erreichen und kämpft nun ums Überleben. Ebenso verpufft sind die Wahlaussichten der im Jahr 2013 gegründete Partei Agang SA, die in den jüngsten Umfragen nicht mehr erfasst wurde. Eine ebenfalls neu gegründete Partei, die Economic Freedom Fighters (EFF) könnte nach den Wahlprognosen aus dem Stand drittstärkste Kraft werden.

Große Unzufriedenheit mit Regierung

Die guten Wahlaussichten des ANC stehen in einem augenscheinlichen Widerspruch zur jüngeren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes. Eine deutliche Zunahme sozialer Proteste, eine zunehmende Arbeitslosigkeit insbesondere unter jungen Menschen und eine Abnahme von Investitionen hätten eine geringere Unterstützung des ANC erwarten lassen. Die Korruption in Südafrika nimmt laut Transparency International zu, auf dem Index of Economic Freedom of the World der Heritage Foundation rutscht Südafrika zuletzt ebenso ab wie auf dem Ease of Doing Business Index der Weltbank. Südafrikas Wirtschaftswachstum nahm in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich ab, von 3,6 % 2011, über 2,5 % 2012 bis zu nur noch 1,9% 2013. Der Nationale Entwicklungsplan der Regierung geht von einem jährlichen Wachstum von wenigsten 5% aus, um die im Plan vorgegeben Ziele der Reduzierung der Armut und Schaffung von Arbeitsplätzen zu erreichen. Die Zahl der 16 Mio. Empfänger von sozialen Leistungen ist mehr als doppelt so hoch wie die Zahl von Steuerzahlern. Es stellt sich daher zunehmend die Frage, wie nachhaltig die jetzige Regierungspolitik ist.

Auch an handfesten Skandalen mangelt es im auslaufenden Mandat der jetzigen Regierung nicht. Dazu zählte die Erschießung von 34 protestierenden Minenarbeitern durch Polizeikräfte im August 2012. Eine noch nicht abgeschlossene Affäre um die aus Steuermitteln vorgenommene Modernisierung des Wohnsitzes des südafrikanischen Staatspräsidenten Zuma schien zeitweise die Unterstützung für den ANC einbrechen zu lassen. „Nkandla Gate“ führte dazu, dass selbst in der eigenen Partei wenige Monate vor den Wahlen darüber diskutiert wurde, ob Präsident Zuma der geeignete Spitzenkandidat sei. Umfragen zufolge waren zeitweise mehr als die Hälfte der ANC-Mitglieder der Auffassung, Zuma müssen noch vor den Wahlen zurücktreten.

Die Regierungskoalition aus Kommunisten, Gewerkschaftlern und ANC kämpfte zuletzt um ihren Zusammenhalt. Der größte Mitgliedsverband des Gewerkschaftsdachverbandes COSATU, der Nationale Verband der Metallarbeiter Südafrikas NUMSA, entzog COSATU und damit der Regierung die Unterstützung. Überdies tragen mit COSATU und der kommunistischen Partei gleich zwei von drei Koalitionspartnern das zentrale Planungselement der Regierung, den 2012 beschlossenen Nationalen Entwicklungsplan, nicht mit. Hinter vorgehaltener Hand wird der kommunistischen Partei von ANC-Kräften vorgeworfen, in der Regierung ineffizient und insgesamt führungsschwach zu sein.

Widerstand auch innerhalb des ANC

Auch innerhalb des ANC gibt es eine deutliche Spaltung in Befürworter und Gegner der jetzigen Führungsmannschaft. Zuletzt führten diese Auseinandersetzungen sogar zum Aufruf prominenter ANC-Mitglieder, die Wahlstimme ungültig zu machen und dem ANC so seinen Unmut mitzuteilen. Anlässlich einer am 16. April 2014 gemeinsam von der Universität Stellenbosch und der Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführten Veranstaltung formulierte der Gründungsgeneralsekretär der Gewerkschaftsverbandes COSATU und ehemalige Minister im Kabinett Nelson Mandelas, Jay Naidoo drastisch: „Südafrika brennt, während unsere Politiker in der Benommenheit selbstgefälliger Verweigerung abschalten.“

Von der Wählerschaft scheint solche Kritik aber nahezu abzuprallen. Insbesondere unter den älteren Wählern wird der ANC noch immer zunächst als die Bewegung gesehen, die Südafrika vom Joch der Apartheid befreit hat. Die nach 1994 geborenen Südafrikaner, von denen sich nicht zuletzt die Oppositionsparteien eine Unterstützung erhofft haben, waren nur schwer von der Teilnahme an den Wahlen zu überzeugen. Sie sind – noch – nicht der von der Opposition erhoffte „game-changer“, denn nur etwa ein Drittel dieser Bevölkerungsgruppe ist für die Teilnahme an den Wahlen registriert.

We have a good story to tell

Der Wahlkampf des ANC wurde – wohl auch um von den Alltagsproblemen abzulenken – auf die Verdienste seit dem politischen Wechsel vor 20 Jahren ausgerichtet. „We have a good story to tell“ lautet der Wahlkampfslogan des ANC – nicht zu Unrecht, wie viele politische Beobachter verkündeten. Südafrika konnte in den vergangenen 20 Jahren die politische Stabilität des Landes gewährleisten, angesichts der tiefen Gräben in der Gesellschaft war dies sicher keine Selbstverständlichkeit. Die vor 20 Jahren geschaffenen demokratischen Institutionen haben sich etabliert, Millionen früher benachteiligter Menschen haben Zugang zu Gesundheitsversorgung, Strom, Wasser und Schulausbildung erhalten. Das Wirtschaftswachstum war durchgehend positiv, eine neue schwarze Mittelklasse ist entstanden. Selbst Teile der Opposition erkannten diese vorzeigbare Bilanz an, freilich ergänzt um die Feststellung, dass die jetzige Regierung alle Errungenschaften der Vergangenheit aufs Spiel setze.

Opposition mit begrenzter Schlagkraft

Die Opposition selbst bot sich im Wahlkampf bisher nicht immer als glaubwürdige Alternative für die Regierung an. Die führende Oppositionspartei DA scheiterte beim Versuch, ihr Image als Partei der Weißen durch einen Deal mit der afrikanischstämmigen Vorsitzenden der Partei Agang SA, Mamphela Ramphele abzulegen, wonach diese Präsidentschaftskandidatin der DA werden solle. Das Bündnis zwischen beiden hielt dann aber nur eine Woche und zerbrach mit einem großen öffentlichen Knall, was dann von der Regierungspartei als Steilvorlage für den eigenen Wahlkampf genutzt wurde. Die Bemühungen von Hellen Zille, insbesondere Unterstützung bei den Mitgliedern der wachsenden afrikastämmigen Mittelklasse zu gewinnen, führte überdies zu Unmut in den Kreisen der traditionellen Wählerschaft, die der liberalen DA eine Sozialdemokratisierung vorwerfen.

Die Partei COPE, die 2009 mit Wucht gestartet war, fiel zuletzt überwiegend durch einen parteiinternen Streit um den Parteivorsitz auf, der von den Gerichten entschiiden werden musste. Der Parteisprecher Johann Abrie wandte sich im Januar 2014 mit folgenden Worten an die Wähler: “We are going on our knees in front of the South African public, asking them to forgive us. We are asking forgiveness from 1,3 million people who voted for us in 2009.”

Auch die Inkatha Freedom Party, weiterhin unter der Führung des inzwischen 85-jährigen Mangosuthu Buthelezi, wird den schon über mehrere Wahlen andauernden Prozess des Niedergangs nicht aufhalten können. Buthelezi wirkt im Wahlkampf erschöpft, die starke Fokussierung der Partei auf seine Person versperrt die Möglichkeit, ein grundsätzlich überzeugendes Wahlprogramm erfolgreich zu kommunizieren und damit neue Unterstützung durch die Wählerschaft zu erhalten.

Die Economic Freedom Fighters, deren Vorsitzender den Titel eines Commander in Chief führt und auch wegen des roten Baretts Anlehnung an Hugo Chavez nimmt, dürften nach den Wahlen nicht nur den Einzug ins Parlament schaffen, sondern sogar drittstärkste politische Kraft werden. Offenbar verfangen die Kernbotschaften, zu denen die Erhöhung von Steuern auf private Unternehmen, die drastische Erhöhung der Mindestlöhne für Minenarbeiter und Hausangestellte, die Verstaatlichung von Minen und Banken sowie die Enteignung von Landbesitz ohne Kompensation zählen, nicht nur bei der weniger gebildeten Bevölkerung, sondern auch an den Universitäten. Malema - selbst ernannter Revolutionär mit einem Hang zu Produkten der Marke Louis Vuittons - steht wegen nicht gezahlter Steuerschuld in Höhe von über einer Millionen Euro vor der Zwangsvollstreckung und könnte in diesem Fall ein gewonnenes Mandat gar nicht antreten.

Zweifel an demokratischen Wahlen

Zu beobachten bleibt, ob die Durchführung der Wahlen allen demokratischen Standards entsprechen wird. Ein aus allen relevanten Oppositionsparteien bestehendes Bündnis unter dem Namen Multi-Party Forum hat bereits öffentlich erhebliche Zweifel an der freien und fairen Durchführung der Wahlen kundgetan. Zu den Kritikpunkten gehörte die mangelnden Integrität der Leiterin der Wahlbehörde, der Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von Finanzmitteln der Wahlkommission vorgeworfen werden, sowie der Einsatz vieler in der Gewerkschaft organisierter Lehrer als Wahlhelfer. Die Lehrergewerkschaft unterstützt die Fortsetzung der Regierungskoalition sehr nachdrücklich.

Ein im April 2014 von der Community Agency for Social Enquiry (CASE) veröffentlichter Bericht unter dem Titel „Just singing and dancing?“ führt eine ganze Reihe von Fällen der Einschüchterung und unzulässigen Manipulation von Wählern auf, die im Vorfeld der Wahlen vorgekommen sind. Dazu zählen Gewaltandrohung und Gewaltanwendung gegen politische Gegner, das Versperren von Veranstaltungsräumen für Parteiveranstaltungen, die willentliche Irreführung der Wähler beispielsweise durch Informationen, wonach ein bestimmte Stimmabgabe Auswirkungen auf die Auszahlung von Renten und Sozialhilfe habe, sowie der Ausschluss von Anhängern der Opposition von der Vergabe von Jobs, Verträgen und Dienstleistungen. Immer wieder geraten Äußerungen führender Politiker in die Öffentlichkeit, die ein mangelndes Demokratieverständnis vermuten lassen. So verkündete ein Minister der Provinz Kwa Zulu Natal im Wahlkampf: „Menschen, die Sozialhilfe erhalten und dann die Opposition wählen, bestehlen die Regierung.“ „If you are in the opposition, you are like a person who comes to my house, eats my food and than insults me”.

Die südafrikanischen Medien berichteten im Vorfeld der Wahlen sehr ausführlich über verkappte Wahlveranstaltungen, anlässlich derer aus Haushaltsmitteln beschaffte Hilfspakete an bedürftige Teilnehmer verteilt wurden. Zweifellos haben die späteren Wahlverlierer schon jetzt ausreichend Anknüpfungspunkte für die Anfechtung des Wahlergebnisses.

Höhe des absehbaren Wahlsieges von großer Bedeutung

Trotz des absehbaren Wahlsieges des ANC wird der Ausgang der Wahlen für die Zukunft des Landes von erheblicher Bedeutung sein. Denn die Höhe des Wahlsieges wird nicht ohne Wirkung auf die Partei und deren Vorsitzenden bleiben. Der ohnehin politisch angeschlagene Parteivorsitzende wird sich bei einem Ergebnis unter 60 Prozent erhöhtem Druck aus den eigenen Reihen stellen müssen und dürfte große Mühe haben, sein fünfjähriges Mandat als Staatspräsident zu erfüllen. Mögliche Kandidaten für seine Nachfolge laufen sich bereits warm. Manche politische Analysten befürchten bei einem Wahlergebnis des ANC von unter 55 Prozent sogar eine Panikreaktion der Partei, die einen deutlichen Linksruck auslösen würde. Für freies Unternehmertum und weiße Landbesitzer könnten dann in Südafrika noch schwerere Zeiten anbrechen.

20 Jahre nach dem Beginn der Demokratie in Südafrika werden die Wahlen zum Nationalen Parlament zu keinen Überraschungen führen. Spannend zu beobachten bleibt, ob es der auf nationaler Ebene in der Opposition befindlichen Democratic Alliance gelingen wird, auch weiterhin die Regierung in der Provinz Westkap zu stellen und sie vielleicht darüber hinaus eine weitere Provinz gewinnen kann. Insgesamt ist schon jetzt erkennbar, dass der politische Wettbewerb im Lande zunimmt und Südafrika sich – trotz des erwartbaren Wahlergebnisses - von der bisherigen Einparteiendominanz wegentwickelt.

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