Country reports
Obwohl Südafrika zu den aufstrebenden Ländern zählt und etwa ein Viertel des BNP Afrikas erwirtschaftet, bleiben die Wirtschaftsdaten ambivalent.
Das Wirtschaftswachstum entwickelte sich seit dem demokratischen Neubeginn mit 2-3 Prozent auf niedrigem Niveau. Lediglich 2004-2008 konnten etwa 5 Prozent erzielt werden. Nach einem Minuswachstum von 1,8% im Krisenjahr 2009 werden für 2010 und 2011 wieder etwa 3 bis 3,5 Prozent Wachstum erwartet. Damit bleibt Südafrika deutlich hinter Emerging Countries wie Indien, Indonesien, oder Brasilien zurück.
Die Arbeitslosigkeit stieg von 17 Prozent in 1995 auf 26 Prozent in 2005 (enge Fassung) und bewegt sich seitdem in diesem Bereich. Die reale Arbeitslosigkeit liegt jedoch bei 27 Prozent bzw. 40 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit übersteigt 50 Prozent.
Gemäß dem letzten UNCTAD-Report fielen in 2010 die ausländischen Direktinvestitionen in Südafrika um 78 Prozent, in der Region Afrika lag der Rückgang bei nur 14 Prozent.
Mit einem Gini-Index von über 65 liegt SA mit Ländern wie Namibia, Botswana oder Sierra Leone an der Spitze der ungleichen Einkommensverteilung. Für Brasilien nimmt der Index hingegen aufgrund des starken Wirtschaftswachstums deutlich ab.
Mit welchem Wirtschaftssystem beabsichtigt Südafrika die verbreitete Armut, die Arbeitslosigkeit und die ungerechte Einkommensverteilung zu beseitigen?
Ist ein marktorientiertes und Wachstum förderndes Wirtschaftssystem das Ziel oder setzt die Regierung auf zentralisierte planwirtschaftliche Konzepte?
Welches Wirtschaftssystem?
Das südafrikanische Wirtschaftsmodell kann zutreffend als „Staatsinterventionistische Marktwirtschaft“ umschrieben werden. Ordnungspolitik i.S. einer klaren Definition des Wirtschaftssystems gibt es folglich in Südafrika nicht. Das mag aus der Sicht des dominanten ANC in einem faktisch bestehenden asymmetrischen Zweiparteiensystem durchaus mit Absicht verbunden sein.
Programmatisch haben sich der dominante ANC und die von ihm getragene Regierung auf den Developmental State festgelegt. Mit dem Developmental State als Konzept, das durch direkte Interventionen seitens der Regierung ausgehöhlt wird, können sich alle Interessengruppen der Dreierallianz unter dem Dach der „Broad Church ANC“ treffen und ihre Interessen vertreten sehen.
Nicht erst seit der Finanzkrise interessieren sich der ANC und die von ihm gestellte Regierung für in Asien entwickelte Wirtschaftssysteme. Es ist jedoch sehr fragwürdig, ob das sog. Asiatische Modell eines Developmental State auf die afrikanische Region oder einzelne Länder übertragbar ist. Obwohl unterschiedlich, sind den asiatischen Entwicklungsmodellen einige konstituierende Voraussetzungen gemein. Dazu gehören in erster Linie eine klare Definition der Ziele und eine fokussierte Strategie, ein starker Staat mit einer effizienten und unabhängigen öffentlichen Verwaltung und effektive Führung.
Die staatlichen Interventionen zerstören die Grundlagen für einen Developmental State, der in Südafrika ein „Democratic Developmental State“ sein könnte. Dafür sind deshalb die Voraussetzungen nicht gegeben, solange der ANC und dessen Allianzpartner an dem Konzept der National Democratic Revolution (NDR) festhalten, das in eine Umverteilungswirtschaft mit zentralen Planvorgaben führen soll. Bei der Festlegung auf den „Developmental State“ handelt es sich folglich eher um eine Worthülse, deren Inhalt wenig oder widersprüchlich definiert ist. Deshalb sind klare Eckpunkte des bestehenden oder angestrebten Wirtschaftssystems schwer erkennbar.
Eindeutig ist jedoch, dass sich Südafrika vor allem seit dem Parteitag in Polokwane im Dezember 2007 von einem Marktwirtschaftssystem konsequent weg entwickelt und zunehmend auf öffentliche Investitionspläne vertraut.
Wie hat sich das Wirtschaftssystem seit dem demokratischen Neubeginn entwickelt?
Die Regierung der Nationalen Einheit (ANC, NP, IFP) verabschiedete im Juni 1996 den makro-ökonomischen Growth, Employment and Redistribution Plan (GEAR). Damit wurde das 1994 eingeführte Reconstruction and Development Programme (RDP) abgelöst, das die Befriedigung der Grundbedürfnisse (Wasser, Low-Cost-Houses, Strom) für die arme Bevölkerung, aber auch einen Politikwechsel mit negativen Auswirkungen auf Investorenvertrauen und Wirtschaftswachstum, zum Ziel hatte.
Vor allem vom Gewerkschaftsdachverband COSATU wurde GEAR heftig kritisiert und als liberales Konzept abgelehnt. Die angestrebten Wachstumsraten blieben mit etwa 3 Prozent weit hinter den erwarteten 6 Prozent zurück. Dieser Wert wird als Voraussetzung für einen Abbau der hohen Arbeitslosigkeit angesehen.
Abgelöst wurde GEAR durch die Accelerated and Shared Growth Initiative for South Africa (AsgiSA) im Februar 2006, die zum Ziel hatte, Arbeitslosigkeit und Armut bis 2014 zu halbieren. Identifiziert wurden sechs Punkte, die eine höhere Wachstumsrate verhindern:
- Kosten, Effizienz und Kapazität des nationalen logistischen Systems
- Mangelnde Ausbildung und fehlende Fachkräfte
- Eintrittsbarrieren, Wettbewerbsbeschränkungen
- Überregulierung
- Defizite der staatlichen Administration und Führungsqualitäten
- Volatilität der Währung
Dieses Programm wurde vervollständigt durch die Joint Initiative on Priority Skills Acquisition (JIPSA), das auf die berufliche Qualifizierung insbesondere in Mangelberufen abzielte (Facharbeiter, Ingenieure).
Verallgemeinernd kann die Feststellung gelten, dass die erste Dekade im demokratischen Südafrika auf ein überwiegend marktorientiertes Wirtschaftssystem ausgerichtet war.
Die Infragestellung von GEAR war der Beginn des abnehmenden Einflusses von Thabo Mbeki auf die wirtschaftspolitische Orientierung des Landes. Obwohl er (Mbeki) von der marxistischen Schule kam, sahen die internationalen Organisationen, die Wirtschaft und weite Kreise im ANC in Mbeki den Garant für eine offene, marktorientierte Wirtschaft. Im Vorfeld der Nationalwahlen 2004 brachte der ANC die Debatte um den Developmental State in Gang. Das Konzept wurde Teil des Wahlprogramms und zielte zunächst vor allem darauf ab, die radikaleren Partner, den Congress of South African Trade Unions (COSATU) und die South African Communist Party (SACP) sowie deren Wähler, innerhalb der „Tripartite Alliance“ zu halten.
Der Parteitag in Polokwane im Dezember 2007 veränderte die Kräfteverhältnisse innerhalb des ANC und der Tripartite Alliance grundlegend. Die radikaleren und linksorientierten Teile der Allianz bestimmten Programm und Agenda und wählten mit Jacob Zuma einen populären/populistischen Volkstribun aus KwaZulu/Natal zum Parteipräsidenten.
In seinen beiden State of the Nation Addresses 2009 und 2010 legte Jacob Zuma die Regierung auf die Einführung des Developmental State fest.
Ein „… performance-oriented state by improving planning …“ soll etabliert werden und für fast alle Bereiche, einschließlich der Wirtschaft, zuständig sein. Offen bleibt, woher die dafür notwendigen Planungskapazitäten und die entsprechenden Qualifikationen kommen und wie diese effizient gemanagt werden sollen. Der Private Sektor als Akteur oder der Beitrag der Wirtschaft für die Entwicklung des Landes, werden nicht erwähnt. Ebenso fehlt eine Aussage über die Schaffung von angemessenen Rahmenbedingungen für die Privatwirtschaft, insbesondere den Aufbau mittelständischer, produktiver Unternehmen, seitens des Staates.
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