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„Meine Sprache wohnt woanders. Gedanken zu Deutschland und Israel“

Autobiographische Lesung und Reflexionen zu Christentum und Judentum mit Lea Fleischmann (Israel)

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In Kooperation mit dem Förderverein Alte & Kleine Synagoge Erfurt sowie dem Katholischen Forum im Land Thüringen war die israelische Schriftstellerin Lea Fleischmann in Mühlhausen zu Gast. Hatte sie sich schon in vielen früheren Büchern mit dem christlich-jüdischen Verhältnis und den jüdischen Riten beschäftigt, so steht in ihrem neuen Werk die Autobiographie im Mittelpunkt.

Lea Fleischmann wurde 1947 in Ulm geboren, erinnert sich aber nicht mehr an ihren Geburtsort. Die Vergangenheit ihrer Familie und ihres Volkes beschreibt sie als „Scherbenhaufen“, als „Trümmerfeld der jüdischen Kultur und Geschichte“. Fleischmann kam in einem Lager für „Displaced Persons“ zur Welt. Dort kamen jene Menschen zusammen, die während der nationalsozialistischen Diktatur viele Jahre in Konzentrationslagern verbringen mussten und nun ihre Heimat verloren hatten. Auch die eigene Familie litt unter der rassistischen Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. So überlebte von den elf Geschwistern der Mutter lediglich ein Bruder die Gräuel des Holocaust. Es gab keine Erinnerungstücke an die Verwandten – sie waren „aufgelöst als hätten sie nie existiert“, so Fleischmann. Der Vater überlebte als einziger seiner Familie das KZ, verlor seine erste Ehefrau und seinen Sohn. Wie sich ihre Eltern kennen lernten und nach Ulm, weiß Lea Fleischmann nicht; auch über die Haft im KZ bzw. über die Zwangsarbeit sprach die Familie nie. Sehr wohl erinnert sich die Schriftstellerin an das DP-Lager, das einem jüdischen Schtetl glich und in dem Jiddisch gesprochen und religiöse Feiern begangen wurden. Noch war die Erinnerung an den Holocaust allgegenwärtig, die deutschen Nachbarn galten als Feinde.

Nach Auflösung des DP-Lagers kam die Familie in eine Sozialwohnung nach Frankfurt am Main. Noch immer waren Deutsche bei den Fleischmanns nicht gern gesehen – Lea durfte keine deutschen Mitschüler heim bringen, auch für Nachbarn war die Wohnung tabu. Nach dem Abitur studierte Lea Fleischmann in Frankfurt am Main, ging danach in den Schuldienst. Hier bemerke die junge Frau aber bald, dass das „typisch deutsche“ engstirnige Beamtentum nicht ihren Erwartungen vom Berufsleben entsprach. Sie entschloss sich zur Auswanderung nach Israel und verließ die Bundesrepublik Deutschland im August 1979.

Durch das Erlernen der hebräischen Sprache erschloss Fleischmann für sich eine neue geistige Welt: Sie konnte nun die Bibel in der Originalsprache lesen und vertiefte ihren Glauben, fand darin Halt für alle Lebenssituationen. Vor allem fand sie die Liebe zum Schabbat, der „das größte Geschenk ist, das mir Jerusalem gemacht hat“, wie die Autorin ihr Verhältnis zu diesem wöchentlichen Feiertag beschrieb. Eindrucksvoll erzählte sie über die Art und Weise, wie sie selbst den Schabbat begeht: Die philosophische Ruhe, die mit den Vorbereitungen auf die Feier beginnt und am Samstag selbst ihren Höhepunkt findet, gibt ihr Kraft zum Meistern des Alltages.

Die interessierten Teilnehmer dieser Veranstaltung in Erfurt stellten religiöse Aspekte des Judentums und Unterschiede zum christlichen Glauben in den Mittelpunkt der Diskussion. Auf die Frage, wie sie den Nahost-Konflikt einschätze, bekundete die Autorin, dass es sich keineswegs um einen religiösen Konflikt handele, sondern vielmehr um den Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur. Schließlich sei unter den arabischen Führern die Angst vor der Demokratie und dem eigenen Machtverlust weit verbreitet. In diesem Kontext sprach die Autorin auch über ihr eigenes Leben in ständiger Angst vor Terror und Krieg.


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