Event reports
Am 24. November lud das Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Veranstaltung „Unbequemer Dichter“-Die Ausbürgerung Wolf Biermanns und ihre Folgen. Im „Haus auf der Grenze“ hatten sich 75 Gäste zu diesem Event eingefunden und hörten den Referenten gespannt zu. 30 Jahre nach der Biermann-Ausbürgerung war es der Konrad-Adenauer-Stiftung Thüringen ein großes Anliegen, dieses geschichtliche Ereignis zu thematisieren, welches die Menschen bis heute beschäftigt und bewegt.
„Ich möchte am liebsten weg sein und bleibe am liebsten hier“ - Der Weg zur Ausbürgerung Wolf Biermanns
Nach einer kurzen Begrüßung durch Daniel Braun, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bildungsforums, übernahm Dr. Robert Grünbaum das Wort. In chronologischer Reihenfolge erläuterte er die Hintergründe der vorangegangenen Ereignisse, die zur Biermann-Ausbürgerung und dem anschließenden Protest in der DDR führten.
Anfängliche Liberalisierungstendenzen fanden Mitte der 70er Jahre bereits wieder ihr Ende, bis 1976 mit der Ausbürgerung des Liedermachers und Lyrikers Wolf Biermann ein neues Statut errichtet werden sollte. In diesem Jahr wurde ihm eine Konzertreise durch Westdeutschland genehmigt. Sein Lied „Ich möchte am liebsten weg sein und bleibe am liebsten hier“ stand beispielhaft für die innere Zerrissenheit des Liedermachers. Biermann wollte die Zustände in der DDR nicht beschönigen, allerdings musste er aufpassen nicht zu kritisch zu werden, um möglichen Bestrafungen aus dem Weg zu gehen. Doch die DDR hatte seine Ausbürgerung bereits beschlossen. Grund für seine Ausbürgerung war die angebliche grobe Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten. Biermann wurde zum Staatsfeind erklärt. Die Ausbürgerung sollte still und heimlich von statten gehen. Doch entgegen der Erwartungen der DDR löste die Ausbürgerung Biermanns landesweite Proteste in Ost- und Westdeutschland aus. Vor allem der Künstlerprotest gewann die Aufmerksamkeit der DDR-Offiziere. Sie hatten eine Petition eingerichtet und zahlreiche, namenhafte Unterschriften gesammelt.
Die Folgen der Ausbürgerung
Die Sprache der SED gegenüber DDR-Kritikern wurde schärfer und so unterlagen jene, die ihre Unterschrift nicht zurückzogen Schikanen durch Offiziere. Bis zu 350 Künstler verließen bis 1986 die DDR, was sich im gesellschaftlichen Leben bemerkbar machte. Mit diesem Statut erreichte die SED entgegen ihres ursprünglichen Zieles, dass immer mehr DDR-Bürger ihre Kritik öffentlich äußerten, sowie dass Biermann erst nach seiner Ausbürgerung zu Ruhm gelang. Die stärksten Proteste trugen sich in Ost-Berlin zu. Aber auch der Jenaer Wiederstand war nicht zu unterschätzen. Große Namen, die sich an der Petition beteiligten waren Christoph Rohr, Oskar Büsewitz oder Doris Liebermann, die als Gesprächspartnerin in der anschließenden Podiumsdiskussion ihre Erlebnisse schilderte. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Christoph Witzel. Doris Liebermann war maßgeblich am Jenaer Wiederstand beteiligt und wurde aufgrund ihrer öffentlichen Unterstützung Biermanns aus Ostdeutschland ausgewiesen. Später wurde ihr sogar die Einreise in die Tschechoslowakei verweigert. Grundlage ihrer oppositionellen Haltung war die Abgeschiedenheit der DDR und die fehlende politische und gesellschaftliche Freiheit. Wasja Götze hingegen, wie Biermann Liedermacher, war trotz seiner Unterschrift auf der Petition keinen Repressalien ausgesetzt. Er vermutet, dass die DDR ihm damals keinen Schauprozess gewähren wollte, um zu verhindern, dass es zu weiteren Protesten kommt. Die DDR versuchte auf eine andere Art und Weise Götze in seine Schranken zu weisen. Wasja Götze erzählte im Gespräch darüber, wie ihm ein Angebot gemacht, beziehungsweise gedroht wurde, innerhalb von 14 Tagen die DDR zu verlassen. Götze schlug diesen Vorschlag aus und sah es als seine patriotische Pflicht, diesen Akt der Willkür nicht geschehen zu lassen.
Die Rolle Wolf Biermanns und die Bedeutung der Kunst
Dr. Grünbaum erinnerte daran, dass Ausbürgerungen einst ein beliebtes Instrument der Nationalsozialisten war, sich ihrer Kritiker zu entledigen. Weiterhin sprach er über Biermann und seine Stellung in der Gesellschaft. Er spielte vor 1976 keine große Rolle. Erst mit seiner Ausbürgerung erlangte er Ruhm. In der DDR wurde das Konzert um 23 Uhr übertragen. Trotz der späten Sendezeit hat sich ein Großteil der Bürger das Konzert angeschaut und sich ein eigenes Bild von Biermann und den dargebotenen Inhalten gemacht. So kam eben dieser Großteil zum Schluss, dass eine angebliche Verletzung seiner staatsbürgerlichen Pflichten nicht vorlag. Auf die Frage, ob die Ausbürgerung Biermanns lange vor seinem Konzert feststand, antwortete Doris Liebermann mit einem klaren ja. Die Regierung habe das Konzert stattfinden lassen, um einen Grund für seine Ausbürgerung zu haben, so Liebermann. Mit Verweis auf die Stasi-Akte Biermanns, berichtete Doris Liebermann darüber, dass er bereits vier Mal zuvor ausgebürgert werden sollte.
Die Frage, ob Kunst die Welt verändern kann, beantwortete Wasja Götze mit einem Nein. Er sieht die Kunst zwar als Mittel des Protestes, doch die Bedeutung der Kunst zeige sich erst in äußersten Situationen, nämlich, wenn bestimmte Dinge nicht gesagt werden dürfen und daher Grenzen auf eine andere Art und Weise überschritten werden müssen. Die Kunst nehme heute nicht mehr solch einen großen Stellenwert mehr ein, so Götze. Dem schloss sich Grünbaum an.
Geschichten aus dem Publikum
Anschließend an die Podiumsdiskussion kam hatten die Zuhörer die Möglichkeit Fragen an die Referenten zu stellen. Neben einigen Nachfragen, schilderten einige Gäste ihre eigenen, äußerst interessanten Geschichten zum Biermann-Fall. So erzählte eine ehemalige Deutschlehrerein aus der DDR, dass sie aufgrund der Verweigerung ihrer Unterschrift auf einem Ausbürgerungsantrag Biermanns, eine Gegenresolution verfassen musste, wonach sie strafversetzt wurde.
Zum Abschluss las Dr. Witzel ein Gedicht von Jürgen Fuchs vor.
Wolf Biermann – Eine Perle der Gesellschaft
Hermann Decker richtete sich in einigen abschließenden Worten an die zahlreichen Gäste. Er bezeichnete Wolf Biermann als eine Perle der Gesellschaft, die den Unrechtsstaat vor aller Augen entlarvte. Er verwies auf die Aktualität dieses Themas und sprach dabei über Unrechtssysteme weltweit, wie China, die Türkei oder Russland. Daher sei Wachsamkeit, Solidarität, Standhaftigkeit und vor allem Mut geboten, wie zu der Zeit Wolf Biermanns.