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Event reports

Deutschland und seine Nachbarn - Beidseitige Wahrnehmung und Perspektiven. Heute im Fokus: Niederlande

Erfurter Europa Gespräch

Vortrag und Gespräch

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Der Vortrags- und Gesprächsabend „BEIDSEITIGE WAHRNEHMUNG UND PERSPEKTIVEN. HEUTE IM FOKUS: NIEDERLANDE“ bildete die Auftaktveranstaltung zur Reihe DEUTSCHLAND UND SEINE NACHBARN – BEIDSEITIGE WAHRNEHMUNG UND PERSPEKTIVEN. Anlässlich dieser Veranstaltung lud die Konrad-Adenauer-Stiftung ins Haus Dacheröden Erfurt ein, um gemeinsam die Deutsch-Niederländischen Beziehungen zu betrachten. Moderator Karsten Jauch sowie die zwei Gesprächspartner Wouter Meijer, teilweise in Deutschland aufgewachsen und ehem. Deutschlandkorrespondent des Niederländischen Rundfunks (NOS) und Tilmann Bünz, Journalist, Dokumentarfilmer und Niederlandekenner verstanden es, die Beziehungen der beiden Nachbarländer in vielen Facetten als auch Anekdoten darzustellen.

Sowohl die Landesbeauftragte für Thüringen und Leiterin des politischen Bildungsforums Thüringen, Maja Eib als auch die stellvertretende Pressesprecherin der Botschaft des Königreichs der Niederlande in Berlin, Katrin Konst, betonten in ihren Begrüßungsreden das freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und den Niederlanden, welches sich unter anderem in den Tourismus-Quoten widerspiegelt, die stetig ansteigen. Dies sei umso bemerkenswerter, da die Niederländer zu Beginn der 90er Jahre eher ein negatives Bild über Deutschland hatten, gerade in der jungen Generation.

Podiumsdiskussion

Nachdem Karsten Jauch, der Niederländisch studierte und über ein Deutsch-Niederländisches Journalistenaustauschprogramm, einige Anekdoten zum deutsch-niederländischen Verhältnis lieferte, stieg er mit seinen zwei Gesprächspartnern ins Gespräch ein und befragte diese zu ihren ersten Begegnungen mit dem jeweiligen Nachbarland.

Wouter Meijer, ehemaliger Deutschlandkorrespondent für den niederländischen Rundfunk NOS, reiste in Kindeszeiten, anders all seine Klassenkameraden, nicht nach Frankreich oder Spanien, sondern in das Nachbarland Deutschland. Dabei fiel Meijer auf, dass während die Niederländer mit jedem Trend mitgehen, die Deutschen immer noch ein Exemplar des Alten beibehalten, weshalb Meijer Deutschland als eine Schatztruhe bezeichnet. Tilmann Bünz sah die Niederlande in seiner Jugend als Ort größerer Freiheit und Abenteuer, war aber in Deutschland auch eher Exot mit seinem Interesse für das Nachbarland, über das es auch nicht an Vorurteilen und Witzen mangelte.

Wirtschaft und Sprache

Laut Thüringer Tourismus GmbH bilden die Niederländer die größte Touristengruppe in Thüringen, weshalb sich die Tourismusbranche auch Mühe gibt, Flyer und Informationsbroschüren auf niederländisch zu übersetzen. Allerdings würden die Niederländer den Deutschen mit der Sprache weniger entgegenkommen.

Heutzutage lernen die jungen Menschen bevorzugt Englisch, so Meijer. Während in Deutschland das Interesse an der niederländischen Sprache steigt, sinkt das Interesse an der deutschen Sprache in den Niederlanden. Grund dafür ist, dass die englische Sprache mittlerweile vielerorts gut beherrscht wird, weshalb das Erlernen einer anderen Sprache überflüssig erscheint. Zudem zeichnet Meijer das sinkende Interesse seitens der Niederländer und das obsolet werden des Erlernen der deutschen Sprache, als einen erheblichen Mangel ab. Es sei ein Managementdefizit, vor allem in Anbetracht der in Deutschland ansässigen niederländischen Unternehmen bzw. Möglichkeiten des deutschen Marktes für die Niederlande.

Regierungsbildung in Deutschland

Im Hinblick auf die Regierungsbildung in Deutschland wollte Jauch von seinen Gesprächspartnern wissen, was die Niederlande von der verzögerten deutschen Regierungsbildung hält. Die Niederländer seien etwas verwirrt, so Meijer. Der große Nachbar Deutschland, der häufig als Vorbild oder Ansprechpartner fungiert kam im Rahmen der vergangenen Bundestagswahlen auf die Niederlande zu und erkundigte sich, wie sie das mit dem Aufstieg populistischer Parteien gemeistert hätten. Darüber hinaus wäre die schwierige Regierungsbildung genauso zeitaufwändig wie in den Niederlanden, was man dort nicht erwartet hätte.

Bezugnehmend auf niederländischen Staatsbesuch in Berlin wurde im Gespräch auch die Europapolitik erörtert. Während für die Deutschen das Projekt Europa zentral auch im Koalitionsvertrag ist, sinkt die Begeisterung hinsichtlich der Europäischen Union bei anderen Mitgliedstaaten. In diesem Sinne sei auch die Rede des niederländischen Ministerpräsidenten Rutte in Berlin vergangenen Freitag, zu verstehen, so Bünz. Die Europabegeisterung sei in den Niederlanden am Abnehmen, so Meijer, was an der Eurorettungspolitik mit ihren Kosten und auch deutschen Alleingängen beim Atomausstieg und der Flüchtlingspolitik läge.

NEXIT nach BREXIT?

Auf die Frage, ob die Gefahr eines NEXITs besteht, antworteten beide Gesprächspartner mit einem nein. Solange die wirtschaftlichen Vorteile, die aus der EU gewonnen werden können, überwiegen, so dürfte es laut Bünz nicht zu einem Austritt aus der Europäischen Union seitens der Niederlande kommen. Allerdings handelt es sich dabei um reine Spekulationen. Sollte der Brexit jedoch ohne große Probleme und Hindernisse vollzogen werden, so bestünde durchaus die Möglichkeit einer neuen Debatte eines Austritts aus der EU. Meijer betont den Unterschied zwischen den Briten und den Niederländern. Die Briten sind immer noch davon überzeugt, dass sie ein großes Weltreich sind, wohingegen die Niederländer die EU und ihre Vorteile zu schätzen wissen. Das bestätigen auch Umfragen, aus denen sich entnehmen lässt, dass 70-80% der Niederländer für den Verbleib in der EU sind. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass die Niederländer sich stärker denn je politisch abhängig von den Deutschen fühlen und glauben, dass der EU-Austritt der Briten, sie einen wichtigen Verbündeten für eine liberale Wirtschafts- und Finanzpolitik verlieren lässt. Dem gegenüber teilt man die weiteren Vergemeinschaftungsambitionen und angestrebten höheren Ausgaben für die EU, wie sie von Deutschland und Frankreich vorangetrieben werden, nicht.

In dieser Hinsicht bestünden durchaus Ängste in den Niederlanden als kleineres Land nicht mehr ausreichend in der EU wahrgenommen zu werden und man sich Deutschland mehr anpassen müsse als man eigentlich möchte.

Abseits dieser unterschiedlichen Auffassungen sei jedoch nicht daran zu zweifeln, dass Deutsche und Niederländer sich schätzen und respektieren wie seit vielen Jahrzehnten nicht.

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