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Unter dem Titel „Der EU-Beitrittsprozess im Westbalkan entlang geopolitischer Herausforderungen“ fand am Donnerstag (16.11.2023) das „Erfurter Europa-Gespräch“ des Politischen Bildungsforums der Konrad-Adenauer-Stiftung Thüringen e.V. im Evangelischen Augustinerkloster in Erfurt statt.
Zu Beginn des Gesprächsabends führte die Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Maja Eib die anwesenden Bürgerinnen und Bürger in die Thematik ein. Dabei hob sie insbesondere den Berlin Prozess zur Förderung der Beziehungen zwischen den Staaten des Westbalkans und der Europäischen Union hervor, der die Integration der sechs Staaten des Westbalkans in die Union zum Ziel hat.
Daniel Braun, Leiter des KAS-Auslandsbüros in Nordmazedonien und Kosovo und Moderator des Abends, gab einen Überblick über die Herausforderungen und Aufgaben, denen sich die Region gegenübersieht. Dabei ging er vor allem auf die geopolitisch bedeutende Lage ein. Trotz der vielen geopolitischen Akteure, wie Russland, China und die Türkei, sei der große Teil der Staaten der EU freundschaftlich verbunden und strebe eine Integration nach Westen an.
Zwischen Herausforderungen, Chancen und Perspektiven
Marion Walsmann, MdEP und Mitglied der Delegation im gemischten parlamentarischen Ausschuss EU-Nordmazedonien, berichtete von einer privaten Reise in die Region und ihren Erfahrungen mit den Menschen vor Ort. „Die Länder des Westbalkans sind sehr europäisch“, sagte sie und ergänzte, dass vor allem die jungen Menschen einem EU-Beitritt sehr erwartungsvoll entgegenblickten. Sie plädierte, auch vor dem Hintergrund der nun seit 18 Jahren laufenden Beitrittsgespräche, für einen schnelleren Integrationsprozess. „Wo finden Menschen eine Perspektive für die Zukunft?“ Diese Frage müsse vor dem Hintergrund des Einflusses Russlands und Chinas in der Region beantwortet werden. Es gehe auch darum, eine Abwanderung aufgrund von Perspektiv- und Chancenlosigkeit zu verhindern so Walsmann.
Nikola Poposki, mazedonischer Außenminister a.D., wies die Gäste vor allem auf die positive wirtschaftliche Entwicklung in der Region hin. Die Arbeitslosigkeit sei gesenkt und westliche Firmen angesiedelt worden. Er sprach aber auch von vielen Verletzungen, die im Rahmen der EU-Beitrittsgespräche durch immer neue Anforderungen gestellt würden. Dazu gehöre neben der mehrfachen Änderung des Landesnamens auch die Bewertung der Rechtsstaatlichkeit. „Wir haben viel umgesetzt, aber bisher wenig erreicht.“ resümierte Poposki.
Alexander Beribes, Länderreferent der Konrad-Adenauer-Stiftung für den Westbalkan, machte darauf aufmerksam, dass alle Länder des Westbalkans oft zusammen „in einen Topf“ geworfen würden, obwohl sie unterschiedlich seien. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, unterhalte in allen Ländern Auslandsbüros und versuche vor Ort Demokratie und demokratische Initiativen zu fördern. Auch er wies auf die autoritären Kräfte in der Region hin, gegen die sich Demokratien erwehren müssten. „Wenn Europa international mitspielen will, müssen demokratische Strukturen in der Nachbarschaft funktionieren“, begründete Beribes die Notwendigkeit demokratischer Initiativen.
Ana Krstinovska, Inhaberin des Institutes ESTIMA in Nordmazedonien, blickte vor allem auf den geopolitischen Einfluss. So habe China sehr unterschiedlichen Einfluss auf einzelne Länder des Westbalkans. Eine Abkehr von Europa, sollte die EU-Integration scheitern, sei aber nicht auszumachen, da viele Unternehmen und Banken aus Europa in den Westbalkan investieren würden. Auch die Angleichung von Gesetzen an die strikteren EU-Regelungen minimierten ihrer Meinung nach den chinesischen Einfluss.
Trotz Anstrengungen und Entwicklung kein Beitritt?
In der anschließenden Diskussionsrunde wurden vor allem der schleppende Beitrittsprozess kontrovers diskutiert. Walsmann betonte, dass durch die Erweiterung der EU das Festhalten am Einstimmigkeitsprinzip auf Dauer nicht möglich sei, da dies die Gefahr birge, dass Einzelinteressen von Nationalstaaten über EU-Interessen gestellt würden. Es brauche institutionelle Reformen, um diese Herausforderungen zu lösen. Poposki wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Auflagen immer strenger würden, gerade in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit. Trotz vieler Verbesserungen sei der Beitritt weiterhin nicht möglich, obwohl große Anstrengungen unternommen würden. Er fordere daher eine Aufnahme in die EU, um sich weiterzuentwickeln und grundsätzlich die Rückkehr zu den drei Grundprinzipien der EU, dem Vereinen, der wirtschaftlichen Prosperität und den gemeinsamen Werten als zentrale Kriterien.
Beribes machte deutlich, dass diese Anstrengungen sehr wohl wahrgenommen würden. So unterhielten viele Politiker gute, teilweise auch persönliche Beziehungen zum Westbalkan und würden für die Interessen in den Parlamenten streiten. Krstinovska ergänzte, dass die Anstrengungen Montenegros wahrscheinlich bis 2030 zu einem EU-Beitritt führten. Dies zeige den Menschen vor Ort und in der Region, dass sich Anstrengungen lohnten. Auch Walsmann wies darauf hin, dass in der aktuellen Sitzungswoche des Europäischen Parlaments wiederholt über den Westbalkan gesprochen worden sei. Sie hielte es ferne auch für möglich, eine schrittweise Integration umzusetzen, bspw. durch einen Beobachterstatus in Ausschüssen oder den Zugang zum Binnenmarkt.
Ein Gast mahnte an, dass dennoch ein Augenmerk auf die Rechtsstaatlichkeit gelegt werden müsse: „Trotz geopolitischer Vorteile sollten wir die Hürden nicht absenken.“ Die Rechtsstaatlichkeit verbessere sich nicht unbedingt durch den Beitritt in die EU, was in Rumänien oder Bulgarien feststellbar sei. Poposki entgegnete, dass vor allem die USA den Beitritt in den EU auch finanziell unterstützen würden. Zudem sei China aus wirtschaftspolitischen Erwägungen auch nicht dagegen.
Auch das Einstimmigkeitsprinzip stieß auf ein geteiltes Echo. Auf die Frage eines Bürgers nach der Abschaffung dieser, stellte Beribes heraus, dass eistimmig getroffene Entscheidungen einen gewissen Druck auf alle Nationalstaaten ausübe und die Zielerreichung verbessere. Walsmann zeigte aber auch auf, dass „wenn viel auf dem Spiel steht, wie bei Corona oder den Russland-Sanktionen“, die EU auch schnell handeln könne.
Weitere und detailliertere Informationen zu den Ländern des Westbalkans finden sich auch auf den Seiten der Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.