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Die Veranstaltung in der „Kleinen Synagoge“ in Erfurt war fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Frau Dr. Weinke schilderte in ihrem Vortrag die generelle Verfahrensweise in SBZ/DDR mit NS-Tätern im Justizwesen. Sie stellte hierbei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Ost und West dar. Gemeinsam war die Elitenkontinuität zu Anfangszeiten mangels personeller Alternativen und die Nichtanwendung des Völkerrechts, sondern bereinigten Deutschen Rechts von 1871. Jedoch war dies quantitativ im Osten geringer ausgeprägt, da eine Vielzahl von NS-Funktionsträgern in den Westen geflüchtet war. Dennoch war auch im Osten eine Karrierefortsetzung für NS-Juristen möglich.
Herr Riegel bezog sich in seinem Vortrag auf sein Buch über den Fall Pchalek, der als Staatsanwalt in ehemaligen Ostgebieten zahlreiche Todesurteile zu verantworten hatte und über die gleiche Tätigkeit in Gera nach dem Krieg bis zum Professor an der Juristischen Fakultät in Jena aufstieg. Laut den Recherchen von Herrn Riegel wurde dies durch intensi-ves Wegschauen und mit Duldung und Förderung des MfS vorangetrieben. Besonders die Ernennung zum Professor ohne Promotion bzw. Habilitation ließ. Die Enttarnung und Verurteilung mag deshalb wohl eher eine persönliche Rache eines Konkurrenten innerhalb des Apparates der DDR gewesen sein. Die Strafe stand bereits fest und fiel mit 4 Jahren und der dann bereits nach 2 Jahren erfolgten Entlassung äußerst niedrig aus. Zudem konnte er an gehobener Stelle in der Rechtsabteilung bei Carl-Zeiss seine berufliche Karriere fortsetzen und lieferte intensive Spitzeldienste als IM des MfS.
In der anschließenden Diskussion sah Frau Neubert (TLStU), welche das Buch Herrn Riegels verlegt hat, eine Kontinuität in der Aufarbeitung und Verurteilung von Tätern der NS- und Nach DDR-Zeit, da man immer eher entlastende als belastende, eher Kontinuität als rigorose Säuberung favorisierte.
Der Moderator Roman Grafe wies in diesem Zusammenhang auch im Gespräch mit dem Publikum darauf hin, dass eine Kontinuität von NS-Tätern in der DDR nicht nur im Justizbereich, sondern auch in Sicherheitsorganen gegeben war, so dass sogar Gestapo und SS-Leute im öffentlichen Dienst der DDR eine neue Anstellung fanden.
Gerade zu diesen Fragen entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, inwieweit die Fälle repräsentativ für die DDR waren, was von Frau Dr. Weinke eher verneint und von Herrn Grafe eher befürwortet wurde. Einhelligkeit bestand jedoch in der Aussage, dass dieses Thema weiter erforscht werden müsse, um allgemein-gültige Aussagen treffen zu können. Der Mythos des 100prozentigen Antifaschismus der DDR ist dennoch durch die bereits durchgeführten Forschungen widerlegt worden.