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„Vergessen ist menschlich, aber politisch gefährlich“

Zeitzeugengespräch mit Edda Schönherz anlässlich 30 Jahre Friedliche Revolution

Zeitzeugengespräch

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Anlässlich 30 Jahre Friedlicher Revolution fand organisiert vom Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung Thüringen, am 21.02.2019 in Greiz die abendliche Veranstaltung „Vergessen ist menschlich, aber politisch gefährlich“ statt. Im Beisein von 80 Zuhörern verschiedener Altersgruppen, darunter Schüler, Erwachsene und Senioren, trug Frau Edda Schönherz Ihr Erlebtes vor. Nach einer kurzen Begrüßung durch den OB der Stadt Greiz und der Tagungsleiterin der KAS, Amalya Tonapetyan, hatte sie das Wort. Aus ihrem 2013 erschienenen Buch „Die Solistin – Roman einer Frau, die von Deutschland nach Deutschland wollte“ stellte sie Auszüge vor und trat hierbei immer wieder ins Gespräch mit den Anwesenden.

Der Fluchtversuch
Als DDR-weit bekannte Moderatorin galt Edda Schönherz beginnend ab Ende der 60er Jahre als Aushängeschild des SED-Regimes. Allerding gehörte sie keiner Partei an und stand den Bedingungen und Verhältnissen in der DDR offen kritisch gegenüber. Daher erkundigte sie sich während eines Urlaubsaufenthaltes in Budapest in den Botschaften der Bundesrepublik und der Vereinigten Staaten nach einer Möglichkeit, die DDR zu verlassen. Dies blieb nicht unbemerkt. Die Botschaften unterlagen der Observation durch die DDR, weswegen sie nur wenige Tage später, ohne handfeste Anschuldigungen in Ungarn festgenommen wurde.

Gefangen
Im September 1974 wurde Edda Schönherz zur „Klärung eines Sachverhalts“ in Untersuchungshaft gebracht. Zunächst in das Ministerium für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg und drei Tage später nach Berlin-Hohenschönhausen. Sie wurde zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Anklagepunkte lauteten „staatsfeindliche Verbindungsaufnahme“ und „Vorbereitung eines ungesetzlichen Grenzübertritts in besonders schwerem Fall“. So war ihre DDR-Endstation das berüchtigte Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg/Erzgebirge. Frau Schönherz erzählte über die unmenschlichen Zustände sowie die demütigenden und menschenunwürdigen Praktiken, mit denen die Insassen innerlich gebrochen werden sollten. Auch sie unterlag diesen Praktiken. Jedoch genoss sie aufgrund ihres Ruhmes und ihrer medialen Wichtigkeit eine bessere Behandlung durch die WärterInnen. Sie berichtete über die vielen Insassinnen, die im Gefängnis zu Grunde gingen. Auch weil sie, wie auch Frau Schönherz, von ihren Familien und Kindern getrennt wurden. Ohne jegliche Gewissheit und ohne Informationen über den jeweiligen Zustand und das kommende Vorgehen.
Man brauche viel Kraft, Erfahrung, möglicherweise ein gewisses Alter und eine gefestigte Persönlichkeit, um unter all dem Druck nicht zusammenzubrechen und sich als Person nicht seelisch ausbeuten zu lassen, so Frau Schönherz.

Die Aufarbeitung
Unbestritten die Tatsache, dass ihr DDR-Schicksal prägend für ihren weiteren Lebensweg war. Die Aufarbeitung und Publikation des Geschehenen waren daher nicht nur ein persönliches Anliegen, sondern ein globales. Heute erzählt sie offen ihre Geschichte und setzt sich stark für die Beibehaltung der Erinnerungskultur ein. Ein besonderes Anliegen ist die Kommunikation mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die kaum noch Bezug zur jüngeren deutschen Geschichte haben.
Nach der Entlassung aus der Haft, sollte Edda Schönherz als Hilfskraft in einer Großbäckerei arbeiten, andernfalls drohten ihr zweieinhalb Jahre Arbeitserziehungshaft. Sie fand jedoch eine Anstellung als Fotografin bei der Katholischen Kirche in Berlin. Da Schönherz an dem Ausreiseantrag für sich und ihre Kinder festhielt, konnte sie Ende 1979 in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Bis zur Jahrtausendwende arbeitete sie als Ansagerin beim Bayerischen Fernsehen in München, wo sie Sendungen wie Fastnacht in Franken moderierte. Zwei Jahre später kehrte Schönherz nach Berlin zurück und führt seit 2003 Besuchergruppen als Zeitzeugenreferentin für Politische Bildung durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Für Ihr Engagement in der Aufarbeitung des SED-Unrechts wurde sie 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Podium
Anschließend an die Lesung trat sie gemeinsam mit Christian Tischner, Bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, ins Gespräch mit den Teilnehmern. So wurde sie oftmals gefragt, wie sie die Zeit im Gefängnis und die Bedingungen verkraftet hat und wie sie diese Erfahrungen in ihr „Leben danach“ eingebunden hat. Ebenso interessiert waren die Zuhörer darin, ob zwischen ihr und ihrer Familie irgendeine Form der Kommunikation existierte, oder ob sie völlig abgeschnitten war. Viele Fragen richteten sich weiterhin auf ihre damalige Arbeit und ihre Beziehung zum DDR-Fernsehen.

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