Die jetzige Koalition von Partei der Regionen und Kommunistischer Partei wird weiter regieren können, zu einer Verfassung ändernden Zweidrittelmehrheit wird es allerdings nicht reichen. Die Partei der Regionen erreicht nach Auszählung von 87 Prozent der Stimmen rund 32 Prozent und kommt somit fast auf ihr Ergebnis bei den Prä-sidentschaftswahlen 2010. Die Kommunisten legen mit 14 Prozent deutlich zu. Die Vereinigte Opposition „Bat-kiwschtschyna“, ein Zusammenschluss von sieben Oppositionsparteien, erreicht 24 Prozent und bleibt somit stärkste Oppositionspartei. UDAR von Vitali Klitschko kommt mit fast 14 Prozent auf den vierten Platz und erstmals ins Parlament, auch die ultranationalistische „Swoboda“ schafft mit rund zehn Prozent die Hürde von fünf Prozent und somit erstmals den Einzug in die Werchowna Rada.
UDAR erhielt in den letzten Monaten mit ihrem populären Spitzenkandidaten und einem überzeugenden Wahlkampf zunehmend Wählerzuspruch. Während die Partei Anfang des Jahres Umfragen zufolge noch bei unter fünf Prozent lag, gelang es ihr, das Ergebnis am Wahltag fast zu verdreifachen.
UDAR gab vor der Wahl keine Koalitionsaussage ab, betonte aber am Wahlabend nochmals, dass man eine Zusammenarbeit sowohl mit der Partei der Regionen als auch mit den Kommunisten ausschließe. „Batkiwschtschyna“ und die Partei „Swoboda“ hatten sich bereits knapp zehn Tage vor der Wahl auf die Bildung einer Koalition in der neu gewählten Werchowna Rada geeinigt.
Außergewöhnlich hoch war der Anteil derjenigen Wähler, die bis zum Wahltag nicht entschieden hatten, welcher Partei sie ihre Stimme geben würden. Noch Mitte Oktober ermittelte das Kiewer Internationale Institut für Soziologie, dass 27,2 Prozent der Ukrainer unentschlossen waren. Bei den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2007 hatte dieser Wert nur bei rund 12,9 Prozent gelegen.
Die bereits im Juni während der EM mit einer breit angelegten Wahlkampagne hervorgetretene Partei „Ukraina – vpered“ von Natalja Korolevska, der man nachsagte, ein technisches Projekt und Ableger der Partei der Regionen zu sein, kam trotz immensen finanziellen Einsatzes nur auf 1,6 Prozent. „Nascha Ukraina“ des ehemaligen Präsidenten Juschtschenko hat ihre mittlerweile Bedeutungslosigkeit mit 0,9 Prozent unterstrichen.
Nach einem trotz einzelner technischer Komplikationen und bemerkenswerter Fälschungsversuche weitestgehend ruhigem Wahltag verlief die Auszählung der Stimmen äußerst schleppend, sodass erst spät am Montag 50 Prozent der Ergebnisse festlagen. Die Endergebnisse aus den Direktwahlkreisen werden bis Mitte der Woche vorliegen und das Ergebnis voraussichtlich weiter zugunsten der Partei der Regionen verändern. Die Wahlbeteiligung lag bei insgesamt nur 58 Prozent. Eine Briefwahl sieht das ukrainische Wahlgesetz nicht vor. Auffällig viele ältere Menschen dominierten am Sonntag die Wahllokale, ausgerechnet um den Wahlsonntag herum waren eine Woche Herbstferien für die Schulkinder anberaumt worden, die sicher viele Familien nutzten um wegzufahren.
Die diesjährigen Parlamentswahlen am 28. Oktober 2012 in der Ukraine hatten im Vorfeld sowohl national als auch international viel Aufmerksamkeit bekommen. Vertreter der Europäischen Union betonten seit langem die Wichtigkeit der Abhaltung freier und fairer Wahlen für den weiteren Integrationsprozess der Ukraine. Die ukrainische Regierung ihrerseits wurde nicht müde, zu versichern, dass die Wahlen europäischen Standards entsprechen werden.
Als technische Neuerung zur Sicherung dieser Standards wurden in jedem der über 33.000 Wahllokale jeweils zwei Kameras installiert. Diese teure Investition sollte laut Regierungsangaben einen bedeutenden Beitrag zur Erhöhung der Transparenz am Wahltag leisten, wurde von Kritikern jedoch als Verschwendung von Haushaltsmitteln kritisiert. Zwar waren die Aufnahmen der Kameras per Livestream im Internet für jeden frei zugänglich, doch erlaubte die Qualität der Bilder meist kaum, Einzelheiten eines etwaigen Regelverstoßes auszumachen: Zu weit waren die Kameras von den Tischen entfernt, an denen die Wahlzettel an die Wähler ausgehändigt wurden, als dass man Einzelheiten auf den Bildern hätte erkennen können. Für einen Wahlablauf ohne Zwischenfälle sorgten vielmehr die ungewöhnlich vielen Wahlbeobachter, die am Wahltag Präsenz zeigten. Über 3000 internationale Wahlbeobachter hatten sich im Vorfeld bei der ukrainischen Zentralen Wahlkommission registriert. Zudem ermöglichte das im November 2011 verabschiedete neue Wahlgesetz nun auch die Registrierung ukrainischer Nichtregierungsorganisationen als Wahlbeobachter. Insgesamt waren knapp 9000 ukrainische NGO-Vertreter zur Wahlbeobachtung im ganzen Land aktiv. Die mit Abstand größte Wahlbeobachtungsmission von ukrainischer Seite war das Ukrainische Wählerkomitee (KWU) mit knapp 2600 Aktivisten, knapp gefolgt von OPORA. Daneben beobachteten zusätzlich über 30.000 Vertreter der politischen Parteien und Direktkandidaten den Wahlverlauf und die Auszählung.
Das Ende 2011 wieder neu eingeführte gemischte Wahlsystem sieht die Bestimmung der insgesamt 450 Volksvertreter mit Hilfe von zwei Stimmen vor: Mit der einen wählten die Ukrainer ihren Direktkandidaten in einem der 225 Wahlkreise, die andere Stimme gaben sie einer der 22 Parteien, die mit einer Parteiliste angetreten waren. Insgesamt nahmen 87 politische Parteien an der Wahl teil, 65 davon sandten jedoch nur Direktkandidaten ins Rennen und waren nicht mit einer Parteiliste vertreten. 2653 Direktkandidaten kämpften um den Einzug in die Werchowna Rada, 2554 Kandidaten bemühten sich über die Parteilisten um ein Parlamentsmandat.
Während des dreimonatigen Wahlkampfes wurden insbesondere von den Langzeitbeobachtern der Wahlbeobachtungsmissionen von OPORA, KMU, ODIHR, ENEMO und NDI Verletzungen sehr genau dokumentiert.
Ein wichtiger Kritikpunkt betraf die Wahlkommissionen. Während die Zentrale Wahlkommission (ZWK) ein ständiges Gremium ist, deren 15 Mitglieder von Regierung und Opposition gestellt werden, fand die Besetzung der Wahlbezirkskommissionen (OWK) und der Kommissionen auf Ebene der Wahllokale per Losverfahren für die Parteien statt, die bisher nicht im Parlament vertreten waren. Statt die Mitglieder jeder der 225 Wahlbezirkskommissionen einzeln auszulosen, wurde nur eine Auslosung für alle Kommissionen durchgeführt. Im Ergebnis waren viele unbedeutende, so genannte technische Parteien mit einem Vertreter in den Wahlkommissionen auf Bezirks- und Wahllokalebene repräsentiert, wohingegen UDAR und Swoboda als Parteien nicht vertreten waren.
Ein weiterer Kritikpunkt war, dass es in den 90 Tagen des offiziellen Wahlkampfes in etlichen Regionen zu teils massivem Missbrauch administrativer Ressourcen gekommen war. Daneben waren Wahlgeschenke, auch Wählerbestechung mit Geld ein besonders häufig vermerkter Missbrauch. Immerhin gaben vor den Wahlen zehn Prozent der Wähler in der Ukraine an, dass sie bereit wären, ihre Stimme zu verkaufen. Je nach Region lag der Betrag pro abgegebene Stimme bei 15 bis 40 Euro.
Berichtet wurde auch über Druck auf Kandidaten der Opposition und Journalisten. Die Akademie der Ukrainischen Presse bestätigte in ihrem regelmäßigen Monitoring ein deutliches Ungleichgewicht in der Berichterstattung zugunsten der Regierungspartei, dessen Kluft sich nur im Oktober etwas verringerte.