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Demographischer Wandel und Antworten der Politik

VORTRÄGE VON STEVEN KRAMER, NATIONAL DEFENSE UNIVERSITY, UND STEFANIE WAHL, DENKWERK ZUKUNFT BEIM AMERICAN INSTITUTE FOR CONTEMPORARY GERMAN STUDIES

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Wie auch andere Industrieländer weist Deutschland seit mehreren Jahren eine niedrige Geburtenrate auf. Als Resultat hat Deutschland eine alternde und schrumpfende Population. Dies setzt andere Dynamiken frei als sie etwa in den USA festgestellt werden: In den Vereinigten Staaten leben mehr Kinder pro Erwachsenem, die Bevölkerung altert zwar langsam, wächst aber gleichzeitig aufgrund von Zuwanderung. Vor allem der erste Umstand mag verblüffen, da es in den USA viel weniger soziale Vorzüge für Familien gibt als in den Wohlfahrtsstaaten in Europa. Nichtsdestoweniger haben die Trends in beiden Ländern breite Auswirkungen in vielen Bereichen, vor allem in der Sozial- und in der Wirtschaftspolitik. In den 1990er Jahren versuchte deshalb der Deutsche Bundestag, im Rahmen einer Enquete-Kommission Antworten auf den demographischen Wandel zu finden. Nun lud das American Institute for Contemporary German Studies (AICGS) zu einem Zwischenfazit und Expertendiskussion ein, um die Fragen mit einem amerikanischen Publikum zu erörtern. Grundlage der Diskussion waren Vorträge von Steven Kramer, Professor an der National Defense University in Washington, DC, und Stefanie Wahl, Direktorin von „Denkwerk Zukunft“ in Bonn.

Steven Kramer stellte in den Mittelpunkt seiner Präsentation die Frage, ob politische Lösungsansätze überhaupt irgendwo messbare Erfolge gezeigt hätten. Die Herausforderung, dem sich Deutschland gegenüberstehe, sei, dass die Geburtenrate die Sterberate nicht abdeckt und somit die Population immer kleiner wird, wenn man eine mögliche steigende Zuwanderung nicht berücksichtigt. Dies hat Folgen für Wirtschaft und Sozialpolitik.

Während 1940 noch 25% Prozent der Weltbevölkerung Europäer waren, sind heutzutage nur noch 10% der Weltbevölkerung Europäer. Die Prognosen sagen einen weiteren Abstieg voraus. Als ein Resultat niedriger Geburtenraten gebe es immer weniger Arbeitskräfte, was wiederum der Wirtschaft schadet.

Kramer verwies darauf, dass es mehrere Möglichkeiten gäbe, um die Geburtenraten in Deutschland wieder zu steigern. Schweden, so Kramer, sei ein sehr gutes Beispiel für eine Familienpolitik, in der die Verbindung von Familien- und Arbeitswelt stehe und Werkzeuge entwickelt worden seien, diese Verbindung zu stärken. In den frühen 1940ern Jahren war die Geburtenrate noch geringer als heute. Der Sozialökonom Gunnar Myrdal nahm sich dessen an und entwickelte eine Familienpolitik, die Familie und Arbeit verbinden sollte. Darunter fiel unter anderem die Gleichstellung der Geschlechter (Gender Equality), Wiederaufnahme der Arbeit nach einem Jahr „Babypause“, oder dass das Kind mit einem Jahr schon in die Vorschule kommt. All dies waren gute Voraussetzungen für Familien, um Arbeit und Kinderplanung zu vereinen, so der Referent.

Auch Frankreich habe sich nach Kramers Forschung früh mit der Familienpolitik beschäftigt. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Deutschland noch eine höhere Geburtenrate als Frankreich. 2012 hingegen lag die Fertilitätsrate in Frankreich bei 2,01 und in Deutschland bei 1,38. Für Kramer sind dies die Früchte der gezielten Familienpolitik Frankreichs.

Kramer nannte auch Beispiele für Länder in denen Familienpolitik nicht beachtet werde. So gebe es etwa in Singapur und Italien keine „Genderpolitik“, und die Bestrebungen in der Familienpolitik seien gering. Auch in Japan suche man laut Kramer ein Familienministerium vergebens.

In Deutschland versuchte man das Thema einer aktiven Familienpolitik eine lange Zeit zu umgehen, auch aufgrund der Belastung durch die Ideologie der Nationalsozialisten. Hinzu kam laut Kramer in Deutschland der Kulturwandel in den 1970er Jahren. Frauen (und Ehepaare) wollten in Deutschland auf einmal weniger Kinder bekommen. Während die Frauen in anderen Ländern auf die Frage, wie viele Kinder sie haben wollen, mit „mehr als zwei“ antworten, liegt die Antwort in Deutschland bei „unter zwei.“

Genau darauf ging Stefanie Wahl mit ihrem Vortrag, der mit vielen Statistiken hinterlegt war, ein. Das Durchschnittsalter für das erste Kind liege in Deutschland bei über 30 Jahren. Seit 1980er Jahren sei hier ein stetiger Anstieg zu erkennen. Mütter werden immer älter, oder Frauen bekommen gar keine Kinder: 21 Prozent der Frauen, die zwischen 1964-68 geboren seien, seien kinderlos, je höher der Bildungsstand und die Qualifikation seien, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen später im Leben Kinder bekommen oder ganz auf sie verzichten, betonte Wahl.

Den Grund für diese Entwicklung sieht die Wissenschaftlerin in der aktuellen kulturellen Entwicklung in Deutschland, was eine Kette von Ereignissen nach sich ziehe. Die Frauen finden später im Leben Partner als in der früheren Generation, dadurch gibt es weniger Kinder. Dadurch wiederum entsteht der Gedanke, dass man auch ohne Kinder glücklich sein könne. Auch dadurch, dass sich die Frauen so spät entscheiden, Kinder zu bekommen, sind in vielen Fällen die Eltern schon verstorben, womit es keine Großeltern gibt, die die Familie dann unterstützen können. Somit entsteht ein gewisser Druck auf die Frau, sie will eine gute Mutter sein, eine gute Frau und auch in der Karriere erfolgreich sein. Viele Frauen wollen sich daher eher auf die Karriere konzentrieren anstatt sich für Kinder zu entscheiden. Dies habe sich laut Stefanie Wahl mittlerweile zu einer Grundeinstellung in Deutschland entwickelt.

Doch was kann Deutschland von anderen Systemen lernen? Deutschland hat bereits mit die höchsten Ausgabenprogramme für Familien (Elterngeld, Erziehungszeiten etc.). Stefanie Wahl erwähnte ausführlich, dass es keinen Sinn ergeben würde andere Systeme zu übernehmen (Frankreich, Schweden). Sie sieht eher Ansätze in einer konsistenten Integrations- und Bildungspolitik. Hier müsse die Politik investieren.

In der anschließenden Diskussion sprach Steven Kramer an, dass es in den USA kaum soziale Vorzüge für Familien gäbe. Der Glaube jedoch, dass es möglich ist eine Familie mit Kindern in den USA gründen zu können, sei immer noch groß. Mittlerweile, und verstärkt nach der letzten Rezession, gebe es jedoch auch in den USA einen erkennbaren Abstieg in den Fertilitätsraten. Eine Antwort, die die Politik nun geben könne, wäre eine Art Verpflichtung auf eine neue „Middle Class Policy“. Auch in den USA ist das Thema demographischer Veränderungen aufgenommen.

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