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Transatlantische Überlegungen zu einer Strategie in Osteuropa

Think Tank Update aus Washington

Eine Antwort zu finden auf die aggressiven Bewegungen in der Außenpolitik Russlands ist eine der vornehmsten Aufgaben der Diplomatie. Ende Januar lud der “Atlantic Council” in Washington DC zu einer großen eintägigen Konferenz ein, um gerade mit Blick auf die Ukraine-Krise Stimmen von beiden Seiten des Atlantiks zu Wort kommen zu lassen. Ziel der Veranstaltung war es, Ursprünge und Folgen der Aussenpolitik Moskaus zu ergründen, und Schritte einer gemeinsamen transatlantischen Strategie für den Konflikt mit Russland zu skizzieren.

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Der Veranstalter brachte dafür hochkarätige Teilnehmer zusammen. Gerade die Stimmen aus der europäischen Politik waren Ausdruck der Vielschichtigkeit des Themas. So legten zum Beispiel der stellvertretende Außenminister der Ukraine, Vadyam Prystayko, und Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, ihre Sicht der Dinge dar.

Einführende Bemerkungen über die transatlantischen Beziehungen gab der lettische Außenminister Edgars Rinkēvičs, dessen Land in diesem Jahr den EU-Gipfel zur „Eastern Partnership“ ausrichten wird. So bemerkenswert Rinkēvičs die einheitliche Außenpolitik der EU in der Ukraine-Krise und der Politik gegenüber Russland halte, sei er sich gleichzeitig bewusst, dass es einer starken transatlantischen Partnerschaft in der Osteuropapolitik bedarf. Die Gespräche mit amerikanischen Politikern hätten ihm gezeigt, dass es einen Grundkonsens darüber gebe, dass eine russische Aggression nicht toleriert werden könne. Es drohe die Gefahr einer Kettenreaktion in anderen Krisenregionen wie in Mittelasien und im Kaukasus.

Dies bestätigte sogleich der ehemalige Nationale Sicherheitsberater der USA Stephen Hadley im ersten Panel der Konferenz. Die beiden dramatischen Ergebnisse der aktuellen aggressiven Strategie Russlands könnten entweder die Anwendung des Artikels 5 des NATO-Vertrages sein oder deren Aufgabe. Beides sei inakzeptabel, deswegen müsse Putin dazu bewogen werden, seine Strategie zu ändern. Den russischen Präsidenten charakterisierte er als einen Opportunisten, weswegen die Kosten für seine Politik so hoch getrieben werden müssten, dass er sie aufgebe.

Gemeinsam mit seinem Gesprächspartner, dem polnischen Parlamentspräsidenten Radoslaw Sikorski, sollte Hadley in diesem ersten Abschnitt einen Grundriss über die strategische Situation in Europa zeichnen. Sikorski und Hadley teilen die Philosophie, dass Schwäche Aggression provoziert. Der Amerikaner forderte dementsprechend einen strategischen Wechsel der USA in Europa und schlug die Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO vor. Sikorski identifizierte als erstes Interesse der USA in Osteuropa zunächst die amerikanische „credibility“, die sie als Signatarmacht der Budapester Deklaration von 1994 nicht verletzen dürfe. Einig waren sich die beiden außerdem darüber, dass die Verantwortung für die gegenwärtige Lage eindeutig bei Moskau liege. Putin sei immer über das „Eastern-Partnership-Program“ der EU informiert gewesen. Seine Politik sei weniger von nationalem Interesse denn von nationaler Ehre bestimmt. Aus diesem Grund müsse es laut Hadley aber auch zu einem „Rethinking“ im Umgang mit Osteuropa in den USA und der NATO kommen.

Der zweite Teil der Veranstaltung bestand aus einer Diskussionsrunde zum Thema „toward a Europe whole and free“. Geladen waren Miroslav Lajčák, stellvertretender Premierminister und Außenminister der Slowakei, Tamar Beruchashvili , Außenminister von Georgien, Vadyam Prystayko, Außenminister der Ukraine, Konrad Pawlik, Staatssekretär für Osteuropa im polnischen Außenministerium und Samad Seyidov, Vorsitzender des Komitees für internationale und interparlamentarische Beziehungen des aserbaidschanischen Parlaments, um zu diesem Thema ihre Meinungen auszutauschen.

Hinsichtlich der Ukraine-Krise waren sich die Vertreter einig: die Krise stellt eine akute Bedrohung dar, nicht nur für die ukrainische Bevölkerung, sondern auch für die Nachbarstaaten. Bis jetzt war die Ukraine selbst nicht in der Lage, effektiv gegen die Rückschläge anzukämpfen. Aber es sei essentiell, dass Reformen innerhalb der Regierung durchgeführt würden, die ein Ende des militärischen Konflikts und Stabilität nach sich ziehen. Miroslav Lajčák gab bei der Diskussionsrunde zu, dass die Eskalation im Ukraine-Konflikt auch teilweise den Nachbarstaaten zugeschrieben werden könne, da diese zu lange die Gefahren ignoriert haben. Es wäre richtig gewesen, hierbei früher eine aktive Rolle einzunehmen.

Die EU steht nun vor einer dramatischen Veränderung der sicherheitspolitischen Gegebenheiten. Die Gäste stimmten einander in der Aussage zu, dass die Ukraine kein isoliert zu betrachtender Fall ist, und dass von Russland nun die Gefahr ausginge, dass es seine expansive Außenpolitik weiter betreibt. Tamar Beruchashvili hob hier im Besonderen die Rolle der EU hervor, durch ein starkes „Eastern-Partnership-Program“ die Osteuropäischen Nationen unter den gemeinsamen Werten und Normen der EU zu einen, und sie somit vor möglichen russischen Aggressionen zu schützen.

Vadyam Prystayko sprach auch die Bedeutung des Gipfeltreffens der Östlichen Partnerschaft im Mai 2015 in Riga an. Er erhofft sich, dass dann über eine Intensivierung von funktionierenden Sanktionen gegen Russland und die politische, militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine diskutiert werden und nachhaltig wirkende Beschlüsse getroffen werden können.

In der abschließenden Diskussionsrunde unter dem Thema „The Way Forward for the Eastern Partnership“ warf der ehemalige Europäische Kommissar Štefan Füle die Frage auf, was man aus der Konferenz in Vilnius gelernt habe, mit Ausblick auf den Gipfel in Riga. Der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments Elmar Brok (EVP) äußerte sich sehr skeptisch über die Möglichkeit eines baldigen Beitritts neuer Mitglieder. Er wies darauf hin, dass nach Artikel 49 des Lissabon-Vertrages zwar jeder europäische Staat, der die „in Artikel 2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung“ einsetze, beantragen könne, Mitglied der Union zu werden. Aber die dort genannten Werte wie Rechtsstaatlichkeit oder Wahrung der Menschenrechte müssten vor einer Mitgliedschaft erfüllt sein. Nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern gerade Werte spielten bei einem Beitritt ausdrücklich eine Rolle. Dies griff Ana Palacio auf. Auch wenn die Ukraine geographisch gesehen weit von Spanien entfernt sei, sei die Entwicklung bei den möglichen Beitrittskandidaten laut der Außenministerin Spaniens in der Regierung Aznar ein Thema in ihrem Land. Die Umsetzung der von der EU im Vorfeld eines Beitritts gewünschten Reformen sei schwer, wie man in Spanien erfahren habe. Sie betonte, dass es etwa besonders wichtig sei, die Unterstützung der EU zu spüren, um beispielsweise Korruption in den möglichen Kandidatenländern zu bekämpfen.

Insgesamt trug die Veranstaltung dazu bei, die verschiedenen Facetten aufzuzeigen, die sich aus der komplizierten Lage in Osteuropa ergeben. Die Möglichkeit, auf der Konferenz Politiker und Beobachter aus verschiedenen Ländern zu hören und so verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen, war eine große Bereicherung für die Teilnehmer.

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Paul Linnarz

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