Event reports
Im Fokus der Diskussion stand die gegenwärtige Situation in Europa und die transatlantische Partnerschaft. Beyer wies eingangs darauf hin, dass Deutschland großes Interesse an einem prosperierenden Europa habe, da es auch für die eigene Entwicklung wesentlich von den Nachbarn abhängig sei. Gleichzeitig habe Deutschland großes Interesse an guten transatlantischen Beziehungen. Die USA sind außerhalb der EU größter Handelspartner Deutschlands. Peter Beyer tritt deshalb für eine transatlantische Freihandelszone bzw. eine stärkere wirtschaftliche Integration ein, welche auf beiden Seiten des Atlantik Wachstum von bis zu 2,5% allein durch den Freihandel
freisetzen könne. Beide Themen stellte Beyer ins Zentrum seines Vortrags.
Das Problem der Schuldenkrise in Europa sei nicht mit Eurobonds zu lösen. Wichtig sei, die Ausgabe von finanziellen Mitteln zu verringern, die man nicht zur Verfügung habe, so Beyer. Dies sei nicht mit Bonds zu erreichen. Mit Bonds gäbe es keinen Anreiz, langfristig die Ausgaben in den Griff zu bekommen. Allerdings könne man auch nicht vollständig auf einen Stimulus verzichten: dieser müsse allerdings sehr gezielt sein und dürfe langfristig notwendige Strukturveränderungen nicht behindern. Eine Ausweitung des Freihandels kann Bestandteil einer intelligenten Agenda sein, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze zu generieren. Beyer äußerte sich kritisch in Bezug auf das Modell des "deficit spending", welches seiner Überzeugung nach allenfalls kurzfristige Effekte auslösen könnte, aber nicht zu einem nachhaltigen Wachstum führt.
Beyer machte zudem deutlich, dass notwendige Entscheidungen heute in Europa Zeit bräuchten: Der Vertrag von Lissabon habe das Europaparlament und die nationalen Parlamente gestärkt. Diese hätten nun ein stärkeres Mitspracherecht. Wichtig sei deshalb, alle europäischen Staaten in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Auf Nachfrage erklärte Beyer, dass er kein Demokratiedefizit sehe. Notwendig sei es stattdessen, noch mehr Verantwortlichkeiten und Souveränitätsrechte nach Brüssel abzugeben. Beyer betonte das Prinzip der repräsentativen Demokratie: auch in Brüssel seien die Wähler durch gewählte Repräsentanten vertreten. Ein türkischstämmiger Master-Student machte deutlich, dass die EU heute deshalb attraktiv sei, weil sie ein politischen Projekt auf der Basis einer Kooperation unter Gleichen sei. Auf die Frage unterschiedlicher Zeitfenster für die Bewältigung der Krise und notwendige Strukturveränderungen zeigte Beyer das Dilemma auf: Beides müsse gleichzeitig angegangen werden.
Eine transatlantische Freihandelszone würde dabei nichts kosten und den Partnern nur Vorteile bringen, so Beyer. Frühere Versuche für stärkeren Freihandel seien bisher nicht vorangekommen. Zwar hätten vor allem die Automobilindustrie und die chemische Industrie sich für Freihandel eingesetzt, aber auf politischer Ebene fehlte vor allem in den USA der Wille. Dies ändere sich nun, so Beyer: Nach einem hochrangigen europäisch-amerikanischen Treffen im Dezember 2011 wurde eine Arbeitsgruppe für "Arbeit und Wachstum" eingesetzt. Diese versucht u.a. Einigungen im Bereich gemeinsamer Standarts voranzubringen. Dieses Projekt wird auch von höchster Stelle unterstützt, allen voran Angela Merkel und Barack Obama.
Peter Beyer setzte das Dialogprogramm in Richmond, der Hauptstadt des Bundesstaates Virginia, und in Washington, DC fort. Er warb auch in diesen Gesprächen für eine transatlantische Freihandelszone und diskutierte konkrete Schritte, dieses Projekt voranzubringen. Beyer betont in den Gesprächen immer wieder, dass sowohl für das europäische Projekt als auch für die Zukunft der transatlantischen Beziehungen ein neues Narrativ notwendig sei.