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Krisen als Chance für die transatlantischen Partner

Die gegenwärtige Finanzkrise in Europa sollte nicht als Krise, sondern als Herausforderung gesehen werden. Erst dann könne man die Situation als Chance zum Handeln begreifen. Dies sagte Prof. Dr. Kurt Biedenkopf in seiner Einführungsrede auf der Konferenz „After the Crisis? Germany and its Partners in a changing Europe”, welche die Konrad Adenauer Stiftung gemeinsam mit der Munk School for Global Affairs der University of Toronto und der Joint Initiative in German and European Studies des DAAD durchführte.

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Die Konferenz ging der Frage nach, welche Auswirkungen die gegenwärtigen Herausforderungen in Deutschland und Europa für die Zukunft Europas und die Beziehungen vor allem zu seinen transatlantischen Partnern haben wird.

Biedenkopf zeichnete zunächst die Entwicklung der Europäischen Zusammenarbeit als Antwort auf die Herausforderungen nach dem Zweiten Weltkrieg nach. Dabei spielte die Vergemeinschaftung von Kohle und Stahl eine Schlüsselrolle, da sie den Verzicht auf nationale Bewaffnung und Bedrohung signalisierte. Das Beharren Frankreichs auf die Währungsunion und den Euro nach der deutschen Einheit beschrieb Biedenkopf als Mittel, Deutschlands Integration in Europa unumkehrbar zu machen. Voraussetzung für eine gemeinsame Währung sei allerdings fiskalische Disziplin. Dies hätten die Politiker damals verstanden. Gleichzeitig hätten sie aber politisch nicht durchsetzen können, genug nationale Souveränität auf die europäische Ebene zu übertragen, um die Disziplin auch durchzusetzen.

Eine weitere Voraussetzung für eine gemeinsame Währung wären vergleichbar starke Wirtschaftspartner gewesen. Auch diese Bedingung war nicht erfüllt und es bleibt heute eine langfristige Aufgabe, vergleichbare wirtschaftliche Verhältnisse zu schaffen. Dies erfordere kurzfristig Transferleistungen, langfristig aber substantielle Investitionen.

Zusammenfassend wies Biedenkopf darauf hin, dass die Krise nur dann bewältigt werden könne, wenn sie nicht als lähmendes Problem, sondern als Herausforderung begriffen wird, die nur dann auch zu einem mutigen Handeln führe. Biedenkopf zeigte sich ausgesprochen optimistisch, dass die Europäer die richtigen Antworten auf die Herausforderungen finden werden. Dabei sei die Europäische Union ein “Lernprozess”: Die Institutionen müssten sich bei veränderten Bedingungen und neuen Herausforderungen weiterentwickeln. Dies gelte auch generell für Demokratien, die Biedenkopf als “Lernsysteme” beschrieb.

Auf einem anschließenden Panel mit Finanzexperten von kanadischen akademischen Instituten wurde u.a. die Frage vertieft, wie die Politik mit folgendem Dilemma umgehen kann: einerseits sind für das Vertrauen der Märkte durch Konsolidierung der Staatshaushalte harte Sparmaßnahmen notwendig. Andererseits sind diese Maßnahmen zunehmend schwieriger durchzusetzen. Dies gilt gerade in den Ländern, wo Sparmaßnahmen am meisten gefordert sind.

Die Finanzexperten erinnerten zudem daran, dass es sich gegenwärtig nicht um eine Euro- bzw. Währungskrise handeln würde, sondern um eine Finanz- und Schuldenkrise. Mit einem besonderen Blick auf Kanada wurde daran erinnert, dass Kanadas Bankenwesen dank effektiver staatlicher Kontrollmaßnahmen und Regulierungen die Krise relativ gut überstehen konnte. Ebenso wurde darauf verwiesen, dass Kanada im Gegensatz zu den Staaten der Europäischen Union sowie den USA bereits relativ früh damit begonnen hatte, seine Staatsschulden glaubhaft zu verringern. Man hatte nicht nur die Gefahr des Schuldenniveaus erkannt, sondern auch die Folgen der Inaktivität und hatte daher früh gehandelt. Die Märkte hätten bei der rechtzeitigen “Disziplinierung” der kanadischen Politik eine wichtige Rolle gespielt. Auch heute hätten die Märkte wiederum eine disziplinierende Wirkung, die als positiv beschrieben wurde.

Im folgenden Panel wurde der Blick auf Entwicklungen außerhalb Europas gerichtet und vor allem die Auswirkungen der “Arabellion”(FAZ) auf die Beziehungen Europas zum Nahen Osten diskutiert. Prof. Constanza Musu, Universität Ottawa, zeigte in ihrem Beitrag auf, wie die Europäische Union mit ihrer Politik schon während der vergangenen Jahrzehnte die Situation in den arabischen Ländern adäquat analysierte und z.B. auf die Demokratiedefizite und rechtsstaatliche und marktwirtschaftlich Defizite hinwies. Darauf bauten auch die multilateralen Instrumente des Barcelona-Prozesses und der Union for the Mediterranean (UfM) sowie die stärker bilateralen Instrumente wie die Europäische Nachbarschaftspolitik auf. Auch wenn der konkrete Ausbruch der Unruhen nicht vorhersagbar war, so waren doch die strukturellen Probleme der Länder in der EU bekannt. Musu wies darauf hin, dass bisher nicht nur die Instrumente zu wenig wirksam waren, sondern auch die Adressaten und Partner der EU für eine demokratische Veränderung in den arabischen Ländern bisher nicht adäquat war – nun aber die Chance für einen Neuansatz bestünde.

Dr. Sharon Pardo von der Universität Beer Sheva, Israel, setzte daran an und stellte eine ambitionierte Vision einer privilegierten Union mit den arabischen Ländern Nordafrikas vor. Die EU habe nach wie vor große Anziehungskraft auch für die arabischen Länder. Die bisherigen Angebote konkreter Zusammenarbeit reichen jedoch nicht aus, um in den Partnerländern Veränderungen zu bewirken. Deshalb sei ein gezieltes Angebot der Zusammenarbeit notwendig, welches die normative Kraft der EU mit den Interessen der Partnerländer stärker verbindet. Pardo wies als Grundlage für eine solche engere Zusammenarbeit nicht nur auf Aussagen von Walter Hallstein, für den eine Zusammenarbeit mit Partnerländern der EU zwischen “Mitgliedschaft minus ein Prozent und Wirtschaftskooperation plus ein Prozent” möglich sei, sondern auch auf entsprechende Artikel in den Verträgen (z.B. Art 217 TFEU, Art. 8 TEU), welche besondere Beziehungen mit gegenseitigen Rechten und Pflichten zulassen.

Ramin Jahanbegloo, kanadisch-iranischer Professor an der Toronto Universität stellte in seinem Beitrag die Geschichte der Verhandlungen der EU mit dem Iran dar und machte die Auswirkungen sowohl auf die Nahostregion wie auf die transatlantischen Beziehungen deutlich. Iran wolle eine wichtige Rolle im Nahen Osten spielen. Dies könne in den Nuklearverhandlungen genutzt werden. Dabei gebe es auch gemeinsame Interessen zwischen der EU und dem Iran, etwa die Eindämmung des Einflusses der Taliban in Afghanistan und der Extremisten in Pakistan.

In einem Panel über Immigation und Integration wurde deutlich, dass die transatlantischen Partner davon profitieren würden, wenn es einen vertieften Dialog über die Erfahrungen mit Migration und Integration geben würde. Die direkte Übernahme von Erfahrungen sei nicht möglich, allerdings könnten nationale Lösungen von den Erfahrungen der transatlantischen Partner abgeleitet werden.

Prof. Dr. Beate Neuss, stellvertretende Vorsitzende der Konrad Adenauer Stiftung gab in ihrer Grundsatzrede einen Überblick über den Stand der transatlantischen Beziehungen und konzentrierte sich dabei vor allem auf die Sicherheitskooperation innerhalb der NATO. Sie erinnerte an die veränderten Herausforderungen der NATO nach dem Kalten Krieg und zeichnete die Entwicklungen seit dem Fall des eisernen Vorhangs nach. War die NATO im Kalten Krieg vor allem Mittel, die Sowjetunion aus Europa herauszuhalten, so gäbe es heute im Zeitalter der Globalisierung keine einzelne Bedrohung mehr. Aufgrund der geostrategisch völlig veränderten Lage seien die Herausforderungen heute vielfältiger geworden, auf welche NATO reagieren muss, so Neuss. Auch die wirtschaftlichen Bedingungen haben sich heute verändert und haben Auswirkungen auf die Zusammenarbeit innerhalb der NATO. Spannungen unter den transatlantischen Partnern wurden vor allem in der Zeit des Irak-Krieges deutlich und resultierten nicht zuletzt aus unrealistischen gegenseitigen Erwartungen.

Heute seien die Beziehungen zwischen den USA und den europäischen Partnern über die Zusammenarbeit über die NATO hinaus sehr stabil, nicht zuletzt aufgrund enger Netzwerke wie der EU-USA „Transatlantic Relations Working Group“. Die gute Zusammenarbeit gelte nicht nur für die Regierungsebene, sondern auch für breite Kontakte zwischen der Zivilgesellschaft.

Deutschland spiele innerhalb Europas eine hervorgehobene Rolle für die transatlantischen Beziehungen. Allerdings gelte weiterhin, dass Deutschland heute noch nicht an seine Führungsrolle gewöhnt sei. Ebenso kann Deutschland diese Führungsrolle nicht ohne Partner wahrnehmen.

Zwar bewege sich der geostrategische Fokus der USA zunehmend nach Asien – die wichtigsten Wirtschaftspartner befinden sich allerdings nach wie vor auf der anderen Seite des Atlantiks, so Neuss. Wirtschaftsbeziehungen und gemeinsame Werte seien die Basis für eine starke transatlantische Partnerschaft.

Auf dem Panel wurden weiter die gegenwärtigen Herausforderungen innerhalb Europas diskutiert, welche Auswirkungen auf die transatlantische Zusammenarbeit haben. Im Vordergrund stand dabei die Bewältigung der Finanzkrise, welche nach Einschätzung von Prof. Jean-Yves Haine von der Universität Ottawa derzeit soviel Energie absorbiert, dass selbst die Nachbarschaftspolitik leide. Gleichzeitig muss die Solidarität unter den europäischen Partnern gestärkt und neu fundiert werden. Zudem habe Europa andere Standards für die Anwendung militärischer Gewalt als die amerikanischen Partner. Auch dies habe wesentliche Auswirkungen auf die Zusammenarbeit. In der Diskussion wurde u.a. von Dr. Sharon Pardo darauf hingewiesen, dass die EU heute weltweit als Erfolgsmodell gelte und nach Umfragen in 70 Ländern eine starke Inspiration für viele Regionen sei.

Prof. Benjamin Zyla von der Universität Ottawa befasste sich in seinem Beitrag mit dem “burden sharing” und wies darauf hin, dass seit den Gründungstagen der NATO über die Verteilung der Lasten diskutiert wird. Zu wenig wird nach seiner Auffassung darauf hingewiesen, dass die europäischen Staaten relativ zur Größe ihrer nationalen Armeen überdurchschnittlich an NATO-Missionen beteiligt sind.

Insgesamt hat die Konferenz ein differenziertes Bild über den Stand der transatlantischen Beziehungen dargestellt und wesentliche Teile der gegenwärtigen Agenda diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass in Zukunft auch trotz Spannungen und unterschiedlicher Perspektiven die transatlantischen Partner bei der Bewältigung globaler Herausforderungen aufeinander angewiesen sind.

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