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Vietnam ist eine sozialistische Republik mit einem Einparteiensystem. Mit ihrem Reformkurs verfolgt die Kommunistische Partei Vietnams (KPV) seit 1986 eine Politik der Umgestaltung und Erneuerung, die im ökonomischen Bereich die Einführung einer Variante der Marktwirtschaft brachte und auch im politischen Bereich eine deutliche Bereitschaft zur Öffnung der Gesellschaft, hin zu mehr Demokratie und Rechtsstaat zeigt.
Das 75-jährige Bestehen der KPV wurde zum Anlass genommen, den wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und sozialen Veränderungsprozess in Vietnam zu analysieren. Diese Diskussionen galten auch der Vorbereitung des im April 2006 stattfindenden zehnten Parteitages der KPV. Das ganze Jahr 2005 über wurden bereits im ganzen Land regionale Vorbereitungsversammlungen abgehalten, um wichtige inhaltliche und personelle Fragen zu diskutieren.
Die wirtschaftlichen Neuorientierungen und die Politik der wirtschaftlichen Öffnung führten in den letzten zehn Jahren auch zu gravierenden Veränderungen des politischen Systems und der politischen Machtverteilung. Die Dominanz der Politik (vor allem von KPV und Regierung) über die Wirtschaft wurde erkennbar verringert, ist aber immer noch sehr stark. Die zuletzt im Jahr 2002 geänderte 5. Verfassung von 1992 hält zwar weiterhin am politischen Primat der Kommunistischen Partei fest, aber mit dem expliziten Auftrag, einen Rechtsstaat zu entwickeln und demokratische Strukturen entstehen zu lassen.
Der Führungsanspruch der KPV als Lenkerin von Staat und Gesellschaft ist verfassungsrechtlich festgeschrieben. Beschlüsse des KPV-Politbüros sind bindend, auch wenn diese zunehmend vom Parlament, das dabei ist, eine wichtigere Rolle zu spielen, diskutiert und in Frage gestellt werden. Allerdings reicht die Macht der KPV vor allem auf die zentrale staatliche Ebene, während Provinzautoritäten einen relativ großen Entscheidungs- und Handlungsspielraum besitzen. Die Toleranz gegenüber parteiinterner Kritik ist in der Vergangenheit erheblich gewachsen. Dies gilt weniger für Opposition außerhalb des Staats- und Parteiapparats. Vereinzelt geäußerte Forderungen nach einem Mehrparteiensystem werden noch immer kategorisch zurückgewiesen.