Chinas Politik ist strategisch angelegt: Fünfjahrespläne für die Wirtschaft, Investitionspläne für ausgewählte Zukunftsbranchen bis 2025 und das Ziel, 2049 das Wohlstandsniveau eines Industrielandes zu erreichen, dazu die Neue-Seidenstraßen-Initiative One Belt, One Road. Das langfristige Denken merkt er auch vor Ort, bei den Menschen, berichtet Michael Winzer: „Vor Ort spürt man eine Dynamik und Aufbruchsstimmung, bei der alle nach vorne schauen“, so der Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking.
Für Deutschlands Wirtschaft könnten diese Investitionen Aufträge und damit wirtschaftlichen Profit bedeuten, merkt Sabine Dietlmeier an. Pekings Politik, „die Welt im chinesischen Sinne neu zu gestalten“, bezeichnet die Leiterin des deutschen Außenhandelskammerbüros Greater China bewusst positiv als „Chinas Mut“, wirkt aber kurz darauf schon wieder skeptischer, wenn sie erläutert, was die internationale Politik des Landes ausmache: „Die Chinesen schlagen weltweit Pflöcke ein.“
China „schafft sich militärischen Spielraum durch Stützpunkte und Häfen
Peking versucht, die eigene Politik, sowie Rohstoffe und Handelswege international abzusichern, erklärt der F.A.Z.-Asien-Korrespondent Christoph Hein und macht an ganz konkreten Beispielen die außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen „Pflöcke“ deutlich: China „schafft sich militärischen Spielraum durch Stützpunkte und Häfen – und andere Länder können sich weniger bewegen.“ Zudem zwang das Land Fluggesellschaften, Taiwan als eigenständiges Land von ihren Websites und Unterlagen zu entfernen und stattdessen „Taiwan, China“ oder nur „Taipeh“ anzugeben. Und allein in Europa sei der chinesische Staat an mittlerweile 13 Häfen beteiligt, so Hein.
Den chinesischen Strategien „sind wir hilflos ausgeliefert, wenn wir nicht als Europa zusammenhalten“, warnt Dietlmeier. Sie plädiert deswegen dafür, dass die deutsche Politik und Wirtschaft „stärker auftreten und Spielräume, die wir haben, stärker nutzen.“ So hätten deutsche Unternehmen beispielsweise gemeinsam verhindert, dass jede in China aktive Firma eine Zelle der Kommunistischen Partei Chinas erhalte.
„Wenn wir nicht mit China reden, kommen wir nicht weiter“
Dass es nur mit und nicht gegen China geht, da sind sich alle Podiumsteilnehmer einig. Trotz unterschiedlicher Werte und Systeme – bei Umweltstandards oder Handelsregeln etwa – müssten Deutschland und Europa „etwas auf China zugehen“ und kompromissbereit sein, ohne dabei westliche Grundwerte oder beispielsweise die Prinzipien der freien Marktwirtschaft zu opfern, betont Winzer. Wie schwierig dieser Balanceakt ist, machte er an der Frage deutlich, ob sich Deutschland mit eigenen Mitteln gegen chinesischen Einfluss wehren könne oder mit „chinesischen“ Methoden, beispielsweise protektionistischen Maßnahmen.
Besonders bei einer der drängendsten Herausforderungen „müssen wir China mit ins Boot holen“, so Winzer, nämlich bei der Neugestaltung des Welthandelssystems: „Da wird China ein ganz entscheidender Player sein.“ Oder wie es Hein formuliert: „Wenn wir nicht mit China reden, kommen wir nicht weiter.“
Wir müssen eine europäische Antwort geben
Eine neue „strategische Rivalität des 21. Jahrhunderts“ meint Klaus-Dieter Frankenberger, verantwortlicher Außenpolitik-Redakteur der F.A.Z., zu erkennen, und zwar zwischen den Vereinigten Staaten und China. Beide liegen in der Handelspolitik über Kreuz und erheben zum Beispiel immer neue Einfuhrzölle. Für Europa sei der Streit zwischen Washington und Peking eine Chance, die der Kontinent nutzen müsse, rät Hein: „Die Asiaten gucken nach Europa, welche Antworten wir geben könnten. Wir müssen eine europäische Antwort geben, sonst schauen die nach China.“ So wird deutlich, weshalb es umso mehr einen gemeinsamen europäischen Ansatz braucht, mahnt Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D. und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Ob China eine Supermacht wird, entscheidet sich auch in Europa.“
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