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Investitionen und Freihandel
Gleich zu Beginn des Abends klärte Wulf-Christian Ehrich von der IHK zu Dortmund das Publikum über die transatlantischen Handelsbeziehungen auf. Rund 4800 deutsche Unternehmen würden laut ihm auch in den USA tätig sein und mit 700.000 Arbeitsplätzen und etwa 250 Milliarden Dollar Investitionskapital einen nicht unerheblichen Teil zur Wirtschaftskraft beitragen. Ein gutes Beispiel seien die lokalen Unternehmen WILO SE aus Dortmund oder auch Thyssen Krupp. Insgesamt würde rund die Hälfte aller Investitionen in den USA aus dem europäischen Raum kommen. Bislang gab es teils harsche Forderungen des frisch ernannten US-Präsidenten Trump in Richtung der in Amerika ansässigen deutschen Industrie: Sie müsse den amerikanischen Arbeitnehmern mehr bringen, so kann man seine Forderung verkürzen.
Auch umgekehrt gebe es amerikanische Global Player in der Region, die hier eine Menge Arbeitsplätze generierten. Als Beispiel nannte er den Baumaschinenhersteller Caterpillar in Lünen sowie Amazon, das derzeit in Dortmund ein großes Lager aufbaut. Auch zum öffentlich viel diskutierten Freihandelsabkommen TTIP bezog Ehrich aus unternehmerischer Sicht Stellung: Eine gute transatlantische Zusammenarbeit sei für beide Seiten ein Gewinn. Hier in Nordrhein-Westfalen biete TTIP großes Potential, gerade da NRW, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, von den übrigen Bundesländern abgehängt sei. Unmittelbar mit dem Abkommen verbunden sei die Generierung neuer Arbeitsplätze in der Region im Industrie- und Logistiksektor.
Derzeit wird in Washington zum Thema TTIP viel geschwiegen. Trumps Forderungen nach Importzöllen lassen jedoch nicht annehmen, dass der neue US-Präsident an einer weiteren Verhandlung des Abkommens interessiert sei.
Was Amerikas übrige Freihandelsabkommen angeht, so äußerte Trump ganz klar, dass er das transamerikanische Abkommen NAFTA mit den Nachbarländern Kanada und Mexiko gänzlich neu verhandeln wolle. Das transpazifische Abkommen TPP möchte er aufkündigen. Neben dem bereits erwähnten Importzoll sprach Donald Trump unlängst von einer ausgeglichenen Leistungsbilanz gegenüber den Handelspartnern wie Deutschland, dessen Exportüberschuss er deutlich kritisiert.
Am Ende einer zweiten Globalisierung?
Der Journalistik-Professor und Volkswirt Dr. Henrik Müller vetrat im weiteren Verlauf der Veranstaltung die These, dass wir uns am Ende eines Globalisierungszyklus befänden. Grundsätzlich sei ein Globalisierungsprozess in Zyklen bereits einmal Anfang des 20. Jahrhundert zu erkennen gewesen. Mit der Erfindung der Elektrizität, der Dampfschifffahrt, der Eisenbahn und des Telegraphen seien Länder und Kontinente erstmals in eine globale Gemeinschaft eingetreten und erste politisch initiierte Handelsbeziehungen wurden geknüpft. Die damals durch Liberalismus und Kolonialismus geprägten Zeiten hätten mit der Anbahnung des Ersten Weltkrieges ein rasches Ende gefunden. Der praktizierte Protektionismus inklusive Wettrüsten hätte letztlich zum Nationalismus geführt und somit die erste Globalisierung im Jahre 1914 beendet. Heute kann Müller ein ähnliches Szenario beobachten. Seit dem Mauerfall sei die neue westliche Welt näher zusammen gerückt. Auch in China, Indien und in den übrigen BRICS-Staaten gebe es seitdem signifikante Strukturveränderungen von globaler Bedeutung. Die Welt sei digitaler und vernetzter geworden, auch das habe Gewinner und Verlierer erschaffen. Nun jedoch stehe man erneut einem ausgeübten Protektionismus gegenüber, sowohl jenseits des Atlantiks, als auch in Europa. Er wolle zwar keinen bevorstehenden Weltkrieg heraufbeschwören, dennoch aber auf Parallelen hinweisen.
Der rückkehrende Nationalismus in den Oppositionslagern der Parlamente in den Mitgliedsstaaten der EU und womöglich auch in der Regierung der USA trete wieder vermehrt auf unter Globalisierungsverlieren und jenen, die sich neuerdings für solche halten. Es gebe neue Mächte in der Weltordnung, die das bisherige Gleichgewicht durcheinander bringen würden. China sei das beste Beispiel für diese Entwicklung. Mit seinem günstigen Arbeitsmarkt und seinen Millionen neuen Arbeitnehmern würde China den bisherigen Industrieländern allesamt den Rang ablaufen. Wohlgemerkt verwies Prof. Dr. Müller auf die dort stetig wachsende Wirtschaftsinfrastruktur. In Sachen Handel und Konsum seien die USA beispiellos, jedoch sei es den letzten Regierungen nicht gelungen, die Arbeitslosigkeit über alle Bundesstaaten hinweg ausschlaggebend zu senken. Gerade dort müsse man aber nun aufpassen, weiterhin faire Löhne zu zahlen sowie gerechte Sozialstrukturen zu wahren und sich nicht am neuen Weltmarktführer aus Fernost zu orientieren.
Trumps Macht besteht, solange die Wirtschaft läuft
In der anschließenden Diskussion mit Gästen sowie Podiumsteilnehmern wurde ein Blick auf Prognosen gewagt. Alle Anwesenden waren sich darüber einig, dass Trumps Handlungsfähigkeit und seine „Dekretpolitik“ von der Zustimmung seiner Wähler abhängt. Sollte sich zeigen, dass Trumps extreme Wahlkampfforderungen, die ihm viele Wählerstimmen einbrachten, sich nur als „heiße Luft" entpuppen, so kann die Stimmung im Land schnell kippen. Der zuletzt zweimal angeordnete „Muslim Ban“, der von Gerichten unmittelbar gestoppt wurde, zeigt, dass der US-Präsident nicht als einziger Souverän das Land regieren kann. Seine Macht besteht vor allem, solange die Wirtschaft immerhin noch solide läuft. Ein naturgemäßer konjunktureller Abschwung wird aber kommen und damit wird es schwierig für ihn. Die Sorge liegt nahe, dass Trump auch dafür einen Schuldigen aus dem Ausland präsentieren würde. Wenn Trump es nicht schaffen sollte, die US-Wirtschaft anzukurbeln und seine versprochenen Arbeitsplätze zu schaffen, kommt er in eine Bredouille.
In der Finanzwelt nehmen die USA nach wie vor die Vorreiter-Rolle ein. Der Dollar gilt als Leitwährung. Ihn beständig zu halten hat schon so manche amerikanische Präsidenten dazu veranlasst, Schulden in Milliardenhöhe aufzunehmen. Die US-Notenbank FED hat schon angekündigt, so etwas nicht mehr lange mitzumachen. Sollte auch Trump diesen Schritt machen müssen, wird eine Auseinandersetzung mit den Top-Bankern unausweichlich.
''"It's too complicated."'' - Donald Trump zur Steuerreform
Die Diskussion kam zu dem Fazit, dass Trumps Maßnahmen seinen deklarierten Zielen widersprechen. Der amerikanische Markt ist ebenso wie viele andere auf den Handel und Importe zugeschnitten. Die Handelsbeschränkungen und die symbolische Abschottung hemmen letztlich die eigene Produktivität. Die amerikanische Industrie, beispielsweise die Automobilbranche, ist auf Teilezulieferer angewiesen. Zukunftsorientiert müsste man sich in der heutigen digitalisieren Welt viel weniger auf die „alte Industrie“, wie eben Automobil- und Bau-, fokussieren, sondern sich in den neu entstandenen Branchen rund um die IT spezialisieren.
Bislang jedoch gab es von Trump mehr Worte als Taten. Als Immobilienmogul und Multi-Milliardär kann man ihm einiges Wissen in Sachen Betriebswirtschaft zutrauen; die Grundprinzipien der Volkswirtschaft wird er jedoch nicht ändern können. Lobbyinteressen fließen in den USA ohnehin schon seit jeher stärker in die Politik ein als anderswo.
Als die Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich zu einem ersten Treffen mit Donald Trump in Washington zusammenkam, nahm sie bewusst eine Delegation aus Vorstandsvertretern deutscher Unternehmen mit, die in den USA besonders aktiv sind. Letztlich ist es der Dialog, der die Interessen zweier zusammenbringt und aus dem Lösungen erwachsen können, sofern denn beide wollen.