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Die Kommunale Ebene: Förderprojekte in der Region Ruhr
Erster Programmpunkt der 4-tägigen Studienfahrt ist der Besuch des Phoenix-Sees in Dortmund Hörde. Vor der Hörder Burg treffen wir Ludger Schürholz, Geschäftsführer der PHOENIX-See Entwicklungsgesellschaft. Er begleitete die einschneidenden Veränderungen dieses Stadtteils von Anfang an.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auf dem Gelände Phoenix-Ost in der Hermannshütte Stahl hergestellt, das Werk entwickelte sich zu einem der schnellsten und größten Stahlwerke Europas und war einer der größten Arbeitgeber in der Region.
Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts setzte im ganzen Ruhrgebiet der Niedergang der Montanindustrie ein, verschuldet durch die starke Konkurrenz im Ausland sowie durch den schwerer und teurer gewordenen Kohleabbau. ThyssenKrupp sah sich 2001 gezwungen, das Werk nach China zu verkaufen, wo es auch noch heute in Betrieb ist.
Für Dortmund bedeutete der Weggang einen starken Anstieg der Arbeitslosenquote. Recht schnell, so der Referent Ludger Schürholz, sei man auf die Idee gekommen, die Brache auszuheben und einen künstlichen See zu schaffen.
Im Jahr 2006 begannen die schwierigen Aushubarbeiten, alte Bergwerksstollen mussten verfüllt, Reste vom ehemaligen Stahlwerk im Erdreich abgetragen werden. Am Ende entstand ein 3-4 m tiefes Becken, welches seit Herbst 2010 mit Grund- und Regenwasser gespeist wird. Parallel dazu wurde die neben dem See verlaufende Emscher renaturiert, der See dient seitdem auch als Auffangbecken im Falle von Überschwemmungen.
Die heutige Bedeutung des Phoenix-Sees für Hörde
Doch was bringt dieser See nun genau für Hörde? Diese Frage ist sehr leicht zu beantworten. Er ist zu einem attraktiven Ort für Wohnen, Arbeit und Freizeit geworden. In Ufernähe werden noch immer hochwertige Ein-Familien-Häuser gebaut, jedes mit See-Blick. Gleichzeitig sei es gelungen, eine Gentrifizierung, also eine Aufwertung des Stadtteils zu Lasten der sozial Schwächeren, zu vermeiden. Im Gegenteil, am östlichen Ufer des Sees werde sogar sozialer Wohnungsbau betrieben, so der Referent.
In den Bürogebäuden im Hafen siedeln sich neue Unternehmen an, neue Arbeitsplätze werden geschaffen, die Wirtschaft erlebt einen Aufschwung. “Man darf sich jedoch nichts vormachen“, erklärt Schürholz, „diese Stellen werden nicht von den ehemaligen Stahlwerkmitarbeitern besetzt“.
Auch der Einzelhandel in der Hörder Fußgängerzone, welche fußläufig erreichbar ist, profitiert enorm. Die neuen Bewohner und Arbeitsplätze bringen Geld in die Läden, die Nahversorgung gewinnt an Wert.
Mittlerweile ist der Phoenix-See zu einem Anziehungspunkt für eine ganze Region, am Wochenende bei schönem Wetter seien der Fuß- und Radweg „schwarz vor lauter Menschen“. Restaurants und Eisdielen laden zum verweilen ein, auf dem See selber kann Wassersport betrieben werden.
Das Projekt Phoenix-See kann daher als sehr erfolgreich beschrieben werden, die Wirtschaft in Hörde profitiert, ohne das Menschen verdrängt werden, auch die Natur wie etwa die Emscher profitieren.
Das solch ein Projekt überhaupt zustande gekommen ist, verdankt die Stadt Dortmund zu einem Großteil der Europäischen Union, welche einen großen Teil der fast 220 Mio. € teuren Kosten finanziert hat. Wie genau solch eine Finanzierung abläuft, sollte die Gruppe spätestens in Brüssel erfahren.
Die Stadt Dortmund im Wandel: Der Strukturwandel aus stadtplanerischer Sicht
Die in Hörde erlebten Eindrücke kann Stefan Thabe vom Stadtplanungsamt Dortmund nur bestätigen. Der Weggang der Industrie habe der Stadt einen immensen Schaden zugeführt und führte zu hoher Arbeitslosigkeit und leerstehenden Industriebrachen.
Als Zeichen für eine gewisse Dankbarkeit dem Standort Dortmund gegenüber habe Thyssen Krupp nach Bekanntwerden der Schließung beim Unternehmens- und Strategieberater McKinsey das „Dortmund Project“ in Auftrag gegeben. Neue Potenziale wurden deutlich, wie man dem Strukturwandel entgegenwirken kann. Rückblickend stellt sich dies als richtig heraus.
Dortmund wandelt sich vom Industrie- zum Dienstleistungs- und Wissenschaftsstandort. An der Technischen Universität werden junge Menschen gut ausgebildet, neue Technologie, wie z.B. Computer-Chips ersetzen die Produktion von Kohle und Stahl.
In enger Absprache mit den Bürgern soll die Lebensqualität verbessert werden, Grünflächen und Parks sorgen für Naherholung, so zu sehen auf dem Gelände Phoenix-West. Gleichzeitig erstellt die Stadtplanung sogenannte Masterpläne u.a. für Einzelhandel und Mobilität, die den Einzelhandel in den Vororten stärken, aber auch den Nahverkehr verbessern soll. Insgesamt zieht Thabe ein positives Fazit, die Innenstadt als Oberzentrum zieht Menschen aus der ganzen Region an, die Nahversorgung in den einzelnen Stadtteilen ist zum Teil besser als in umliegenden Städten.
Ein großes Problemfeld stellt weiterhin der Dortmunder Norden dar. Noch immer ist dies ein sozialer Brennpunkt, geprägt von Armut, Kriminalität und Ausgrenzung. Sozial Stärkere meiden dieses Gegend. Versuche, den Stadtteil attraktiv für Wohlhabende zu machen, sind gescheitert. Zudem können Projekte wie in Hörde mangels Platz und Geld nicht umgesetzt werden. Die Verhältnisse seien stagniert, heute gebe man Geld in den Ort um die Situation zu verbessern, könne aber kaum erwarten, dass sich dieses wieder auszahlt, so Stefan Thabe.
Das Dortmunder U – Von der Brauerei zum Kreativzentrum
Nach dem Vortrag im Stadtplanungsamt gibt es noch einmal Strukturwandel "zum anfassen“. Es geht zu einer Landmarke, die man schon von weitem sieht, wenn man in die Stadt einfährt: Das Dortmunder U.
Nach dem Niedergang der Brauereien in Dortmund lag das Gebäude des ehemaligen „Brau & Brunnen“ Konzerns brach. 2007 wurde es in einem maroden Zustand an die Stadt Dortmund verkauft, diese entschloss sich, das Gebäude zu einem Zentrum für die Kreativwirtschaft umzubauen, „sicherlich im Zusammenhang mit RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas“, wie unser Referent Rolf Knie vermutet.
Knie, vom Büro „Gerber Architekten“, war als Projektleiter beim mehr als 50 Millionen Euro teuren Umbau des Gebäudes tätig, welcher zu 50% von der EU mitfinanziert wurde. Bei seiner Arbeit legte er Wert darauf, die Grundstrukturen zu erhalten. Das Innenleben sei jedoch komplett neu gestaltet worden.
Heute beherbergt das U das Museum am Ostwall, Abteilungen der Universität und Fachhochschule Dortmund, den Medienkunstverein Hartware, das Zentrum für Kulturelle Bildung sowie ein Restaurant/Disco mit Dachterrasse. Diese Mischung verdeutlicht den Sinn und Zweck des Dortmunder U’s: es soll den Tourismus- und die Kreativwirtschaft fördern.
Rolf Knie ist sehr stolz, dass das Dortmunder U weithin bekannt ist, vor allem das golden-glänzende U auf der Spitze des Gebäudes, als auch die wechselnden, von Adolf Winkelmann produzierten Videoprojektionen. In der Stadt selber dagegen stößt das Projekt auf harte Gegenstimmen, es ist von Geldverschwendung die Rede, „das Projekt ist in ganz Europa besser angesehen als in Dortmund selbst“, resümiert Knie.
Der Duisburger Innenhafen: Vom Brotkorb des Reviers zum modernen Standort für Wohnen , Arbeit, Freizeit und Kultur
Am zweiten Tag der Studienfahrt geht es für die Teilnehmer nach Duisburg. Dort erwartet uns schon unser Referent, Rainer Schlautmann, um den Studierenden die Veränderungen des Duisburger Innenhafens nahe zu bringen.
Am Modell, ausgestellt bei der ehemaligen Entwicklungsgesellschaft, erläutert Schlautmann die Geschichte des Gebiets. Am Hafen waren im 19. Jahrhundert Mühlen und Kornspeicher angesiedelt, heute zeugt davon noch die Küppersmühle, welche nun als Kreativzentrum dient.
Ähnlich wie der Dortmunder Phoenix-See verknüpft auch der Innenhafen Freizeit und Wohnen mit Arbeit und Kultur. An den Hafen grenzen Wohn- und Bürogebäude, gestaltet vom Star-Architekten Sir Norman Foster. Die zentrale Lage, der Hafen ist nur ca. 10 Minuten vom Stadtzentrum entfernt, macht das Wohnen dort sehr attraktiv. An der Uferpromenade reihen sich Cafés und Restaurants aneinander.
Auf unserem Rundgang um das östliche Hafenbecken kommen wir über den Portsmouth Damm, er trennt das östliche Becken vom ehemaligen Holzhafen, der nun als Sportboothafen dient. Uns fällt auf, dass das östliche Hafenbecken um fast 4 m höher liegt, als der westliche Teil. Durch die Anhebung des Wasserspielgels soll das Wasser dem Menschen näher gebracht und erlebbar werden.
Was an dieser Stelle jedoch noch mehr ins Auge fällt ist das sogenannte „Eurogate“, von dem nur das halbellipsenförmige Betonfundament zu sehen ist. Mangels Investoren konnte das als zehn-stöckige Multifunktionsgebäude bisher nicht weitergebaut werden.
Die Landesebene: Der Strukturwandel im Ruhrgebiet aus Sicht des Landes
Wir fahren den Rhein abwärts in die Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr erwartet uns Sabine Nakelski, Referatsleiterin für integrierte Stadterneuerung, soziale Stadt und Demographie. Sie erläutert in ihrem Vortrag, wie die Sturkturförderung im Ruhrgebiet vom Land NRW unterstützt wird.
Die Referentin bestätigt in ihrem Vortrag die vorrangegangenen Eindrücke des Ruhrgebiets, welche die Teilnehmer erlebt haben. Der Strukturwandel hat die Region durch Arbeitslosigkeit, Zerfall und Segregation stark getroffen. Um dem entgegenzuwirken, hat das Land NRW das Programm „soziale Stadt“ eingeführt. Projekte in den einzelnen Städten werden zu einem großen Anteil aus Landes- und EU-Mitteln gefördert. Die Städte reichen ihre Vorschläge beim Land ein, das Ministerium entscheidet dann, ob sich eine Förderung als sinnvoll erweist. In ihrer Präsentation zeigt Sabine Nakelski einige Beispiele: Die Plattenbausiedlung Tossehof in Gelsenkirchen etwa, war eine Art sozialer Brennpunkt, jeder der es sich leisten konnte, zog hier weg. Es blieben die sozial Schwachen, die Lebensqualität war schlecht. Durch einen Teilabriss der Wohngebäude und Erschaffung von Grünflächen und Spielplätzen erlangte das Gebiet deutlich an Attraktivität und erlebt heute einen Aufschwung. Es kommen wieder Menschen in das Quartier zurück. Auch in Hamm wurde ein altes Kaufhaus im Herzen der Stadt abgerissen, um dort ein Wissenschaftsforum zu bauen. Nakelski betont, dass „Abriss kein Tabu mehr darstellt“.
Die Entscheidungsebene Europa: Wie vergibt die EU Fördermittel?
Nachdem in den zwei Tagen zuvor Förderprojekte hautnah erlebt wurden, geht es nach Brüssel, der Hauptstadt Europas und Sitz der EU-Institutionen.
Im Europäischen Parlament (EP) werden wir von Marcus Scheuren, Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium, empfangen. Er heißt uns willkommen im Arbeitssitz des EP. Der Hauptsitz befände sich in Straßburg, wo zur Zeit unseres Aufenthalts die Sitzungswoche abgehalten werde. In der ostfranzösischen Hauptstadt der Region Elsass fände pro Monat eine Plenartagung statt. Dies ziehe hohe Fahrkosten und eine enorme Belastung der Umwelt nach sich. Daher gäbe es über die Abschaffung der Plenartagungen ständige Diskussionen. Ein Antrag könne nur von allen 27 Mitgliedstaaten der EU einstimmig beschlossen werden und scheitere an den nationalen Interessen Frankreichs.
Das EP umfasst 766 Mitglieder, die direkt von den Bürgern gewählt werden, so auch am 25. Mai dieses Jahres. 99 Abgeordnete aus Deutschland vertreten ihre Region in Europa Deutschland stellt damit die meisten Mitglieder im EP, was dazu führt, dass häufig Deutsche hohe Positionen in der EU einnehmen, wie aktuell Martin Schulz als Präsident des EP.
Die Ausschussarbeit – es gibt in dem EP derzeit 20 ständige Ausschüsse - spielt dabei eine übergeordnete Rolle. Zugleich gibt es innerhalb der EU die Besonderheit, dass jeder Abgeordnete das Recht hat, sich in seiner Sprache zu verständigen. Infolgedessen kann innerhalb der EU eine Sprachvielfalt mit insgesamt 23 Amtssprachen vorgefunden werden, die Verhandlungen werden jedoch meist auf Englisch abgehalten.
Auf der Europaebene gibt es im Parlament Fraktionen / Gruppierungen, die aus Abgeordneten verschiedener Länder bestehen, jedoch ähnliche Interessen vertreten. Beispielsweise die Europäische Volkspartei (EVP) hält, ebenso wie die anderen Fraktionen innerhalb der EU, vorbereitende Sitzungen ab. Dies führt jedoch nicht wie häufig im deutschen Bundestag zu einem Fraktionszwang. So gebe es, erzählt Scheuren, einen Politiker der Europäischen Linken, der im Parlament häufig mit Mitgliedern der EVP kooperiert und so Entscheidungen durchbringt.
Marcus Scheuren führt fort, dass die EU maßgeblich unser Leben bestimmt, heute sind 80 % der Gesetze, die in Deutschland umgesetzt werden, von der EU vorgeschrieben.
Mit seinem persönlichen Ausblick auf die anstehenden Wahlen und die Karrieremöglichkeiten im EP verabschiedet uns der Referent, wir eilen durch das Europa-Viertel zu unserem nächsten Termin beim Ausschuss der Regionen.
Wie arbeitet der Ausschuss der Regionen?
In unmittelbarer Nähe des EP treffen wir Wolfgang Petzold, Mitarbeiter beim Ausschuss der Regionen (AdR), der Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter in der Europäischen Union. Er stellt uns die Arbeit dieser Institution vor, aber auch sein persönliches Tätigkeitsfeld. So ist Petzold für die Organisation der „Open Days“ verantwortlich, bei der tausende Gäste aus sämtlichen Regionen bei Debatten zusammen zukommen oder um Partner zur Durchführung gemeinsamer Projekte zu suchen. Die Planung sei sehr langwierig, schon kurz nach den vergangenen „Open Days“ müsse man sich für die Planung für die kommende Veranstaltung beschäftigen.
Da ca. 75% aller Entscheidungen in der EU auf der regionalen Ebene umgesetzt werden, erwies sich die Gründung im Jahr 1994 als sehr sinnvoll, da so die Regionen in die Entscheidung mit eingebunden werden. Bei jeder Entscheidung, die die regionale und kommunale Ebene betrifft, müssen Kommission und Rat den Ausschuss um Stellungnahme ersuchen. Gleichzeitig besitzt der AdR ein Klagerecht, wenn das Subsidiaritätsprinzip nicht eingehalten wird. Die Entscheidungen sollen so möglichst bürgernah getroffen werden.
Der Ausschuss setzt sich aus 344 Mitgliedern, allesamt Kommunal- oder Regionalpolitikern (Bürgermeister, Landräte) zusammen. Sie werden von der Regierung eines jeden Mitgliedlandes vorgeschlagen und anschließend vom Europäischen Rat ernannt. Fünf mal im Jahr kommen sie zu ihren Sitzungen zusammen.
Der AdR unterteilt sich in 6 Fachkommissionen, u.a. für die Kohäsionspolitik. Indem hierbei Experten von der regionalen Ebene in die Entscheidungstreffung mit eingebunden werden ist die Strukturförderung viel besser zu erreichen. Wie diese Förderung von Seiten der EU a ussieht, sollten die Teilnehmer am kommenden Tag bei der Kommission, Generaldirektion Regionalpolitik erfahren.
Regionalpolitik aus Sicht der EU-Kommission
Am letzten Tag der Studienfahrt führt uns der Weg also zur EU-Kommission. Janos Schmied stellt uns die Kohäsionspolitik vor.
Die Projektauswahl findet, wie uns schon Frau Nakelski vom Land NRW bestätigt hat, vor Ort statt, die Kommission entscheide also nicht von oben herab, was gefördert werde. Ziel der Regionalpolitik sei es, den „wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu fördern“. Dabei stehe vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft im Vordergrund.
Die EU-Strukturpolitik ist unterteilt in Struktur- und Agrarpolitik. Die sogenannten Kohäsionsfonds stellen eine transnationale Förderung für Länder dar, dessen Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf bei unter 90% des europäischen Durchschnitts liegen. Somit erhält Deutschland aus diesem Fond keine Mittel, hingegen jedoch aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF), dessen Fördergelder sich europaweit auf ca. 40 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Vorrangiges Ziel der Strukturfonds ist, in Bezug auf einen Großteil Deutschlands, die Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (RWB). Dennoch gibt es in den östlichen Gebieten Deutschlands Regionen, dessen BIP pro Kopf unter 90% liege: diese Regionen erhalten somit neben Geldern aus EFRE und ESF ebenfalls Mittel aus dem Kohäsionsfond.
Bzgl. der Kompetenzen in Hinsicht auf die EU-Kohäsionspolitik kann von einem komplexen Konstrukt gesprochen werden, in welchem viele Prozesse parallel laufen: In mehreren Verhandlungsrunden zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament wird ein Vorordnungsrahmen erstellt (Dauer i.d.R. mindestens 2-3 Jahre). Währenddessen finden im dem Mitgliedstaat, genau genommen in einer Region-Kommission, Verhandlungen darüber statt, wie die Prioritäten der Programme gesetzt werden sollen. Nach einem Programmentwurf trifft die Kommission eine abschließende Programmentscheidung, bis die Region schlussendlich eine Projektauswahl treffen kann.
In Hinblick auf die Heimatstadt der TU Dortmund wurde als Projektbeispiel in der hiesigen Periode das Dortmunder U genannt. Die Projektkosten dafür betrugen 56,1 Millionen Euro, wovon 22,9 Millionen aus dem EFRE stammen.
Europa 2020 – Veränderungen der Kohäsionspolitik
Für die kommende Periode (2014-2020) bekommt der EFRE nicht nur die neue Bezeichnung „Europäischer Struktur- und Investitionsfonds“ (ESIF), sondern soll einen wesentlichen Teil zu EUROPA 2020 leisten. Getreu des Mottos „Stärken stärken – Schwächen überwinden“ setzt dieses aus drei Säulen bestehende Wachstumsprogramm der Europäischen Kommission auf „Intelligentes Wachstum“ (in Form von Wissen, Innovation, Bildung), „Nachhaltiges Wachstum“ (Green Economy, Ausbau der europäischen Energienetze, Breitbandnett) und „Integratives Wachstum“ (Beschäftigung, Qualifizierung, Armutsbekämpfung). Konkret lassen sich folglich 5 Kernziele für 2020 festhalten: Zum einen soll deine Beschäftigungsquote von 75 % erreicht werden, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen bei 3% des BIP’s liegen, Armut gesenkt und das Bildungsniveau verbessert werden. Zum anderen sollen die „20/20/20 – Ziele“ erreicht werden: Treibhausemissionen sollen um 20 % gesenkt, der Einsatz von erneuerbaren Energien um 20% erhöht und die Energieeffizienz um 20% verbessert werden.
URBAN I und URBAN II - Die gezielte Förderung von Städten
In der Vergangenheit hat es bereits im Rahmen des Regionalpolitik I-Programms die Urban Pilotprojekte (1989-99) und die URBAN I & II Programme (Gemeinschaftsinitiative bis 2006) gegeben. An URBAN I & II nahmen etwa 200 Städte mit einer finanziellen Förderung von 1,6 Milliarden Euro teil. Fokus der Investitionen war insbesondere die Regeneration benachteiligter Stadtteil in Form von einer Infrastrukturwiderherstellung. Ebenfalls wurde in die Mobilität, den Umweltschutz und in soziale Eingliederungsmaßnahmen investiert.
Aktuell läuft das Regionalpolitik II-Programm, das eine nachhaltige Stadtentwicklung (SE) vorsieht. Hierfür sollen in etwa 3 % der geplanten Investitionen ausgegeben werden. Deutschland stehe mit 7,1% der geplanten Ausgaben des EFRE bereits zu diesem Zeitpunkt über der Zielvorgabe für den Zeitraum 2014-20, welche eine 5 %ige Ausgabe von EFRE-Mitteln (bzw. ESIF) für die SE vorsieht!
Als Beispiel aus der aktuellen Periode I wurde der Musikpark Mannheim genannt, einem Existenzgründerzentrum für die Musikwirtschaft.
Auch Janos Schmied verwies am Ende seines Vortrags auf die Möglichkeit eines Praktikums bei der EU-Kommission. Eine Bewerbung müsse sehr frühzeitig über das Internet geschehen, bekommt man einen der begehrten Plätze kann man sich über eine üppige Vergütung (1070,00 €/Monat) freuen, sowie viele Möglichkeiten, in Brüssel beruflich Fuß zu fassen.
Kohäsion vor Ort – Mobilität ohne Grenzen in der Euregio Maas-Rhein
Die letzte Station der Studienreise führte die Gruppe nach Aachen zum dortigen Verkehrsverbund, wo uns Andreas Warnecke am Beispiel des Interreg Programms „M³ - Mobilität ohne Grenzen in der Euregio Maas-Rhein“ vor Augen führte, wie Kohäsion vor Ort aussehen kann.
Gleich zu Beginn seines Vortrages konstatierte Herr Warnecke, dass den Kommunen insgesamt bei der Verwirklichung von EU-Programmen eine wichtige Schlüsselfunktion zukäme. Er freue sich sehr, dass „Aachen mit dabei“ sei.
Die Euregio Maas-Rhein ist ein Zusammenschluss der Regionen Süd-Limburg (Niederlande), Aachen (Deutschland) und den belgischen Provinzen Limburg und Lüttich und umfasst eine länderübergreifende Fläche von 13.000 km² mit einer Einwohnerzahl um die 4 Millionen.
Mittels einer verbesserten Mobilität wird in der Region ein Standortvorteil durch einen gemeinsamen Ausbau der Metropolregion angestrebt. Diese hat nicht nur eine zentrale Lage in Europa, sondern steht bezugnehmend auf die Universitäten auch für Kompetenz. Höchste Priorität erfahren somit innerhalb der EUREGIO die Vernetzung der „Hauptstädte“ und der Abbau der Grenzwiderstände im Öffentlichen Verkehr (ÖV). Ebenso muss der Infrastruktur(aus)bau koordiniert werden und eine Verbesserung der Kundeninformation und der Tarifstruktur erreicht werden.
Gerade im grenzüberschreitenden Nahverkehr sei eine Umsetzung schwieriger, da es dort „starke Mängel“ gebe. So ist die Schieneninfrastruktur in den Nachbarländern nicht immer auf unserem nationalen Niveau, die Züge müssen in jedem Land zugelassen werden und der Erwerb von Fahrscheinen stellt den Kunden vor eine große Herausforderung. Dazu kommt, dass die allgemeinen Ticketstrukturen nicht einheitlich sind. Der Referent verdeutlichte dieses Problem an einem einfachen Beispiel: in der Region Maas-Rhein gebe es über 100 verschiedene Fahrausweise, von denen nur wenige grenzüberschreitend Gültigkeit besäßen. Ziel müsse daher die Einführung einer europaweiten Roaming-Chipkarte sein. Der Referent verwies auf den Zustand, dass das „Problem keine Grenzen kennt“. Darüber hinaus kritisierte Herr Warnecke, dass „Europa die Zuständigkeit nicht erkannt“ habe. Diesen Umstand bezog er gleichfalls auf Deutschland, denn „auch der Bundeswegeplan habe die Kapazitäten bereits vollkommen ausgeschöpft“. Belgien hingegen habe „seine Hausaufgaben“ in diesem Bereich gemacht.
Im Jahre 2008 wurde daher eine euregionale Absichterklärung abgegeben, die die Abarbeitung von 15 Projekten vorsah. Seit 2009 stehen die M³ Projekte auf der Agenda: so werden insbesondere die IC Strecken bis Aachen HBF und jene von Maastricht nach Aachen ausgebaut, welche derzeit „kurz vor der Grenze enden“.
Der Freizeitverkehr ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für den Nahverkehr, da „er zum Fahren anregt“. Dennoch sehe die EU ihre Prioritäten im Fern- und Güterverkehr, sodass „eine Verdrängung des Nahverkehrs durchaus möglich“ sei. Hinzu kommt noch, dass die EU zu wenig Druck auf die Mitgliedstaaten ausübe und diese zu sehr an sich dächten.
Dabei könnten EU-Förderprogramme wie Interreg oder TEN-T durch den Einsatz kleiner Mittel für durchgreifende Veränderungen sorgen.
Vier Tage Europa zum anfassen – Ein Resümee
Jedem Teilnehmenden dürfte nach diesen vier informativen Tagen der Vorteil einer Gemeinschaft wie der Europäischen Union klar geworden sein. Vielen Menschen ist meist gar nicht bewusst, wie sehr sie die EU betrifft. Umso wichtiger ist es, sich dies einmal vor Augen zu führen. Ohne die EU wären Projekte wie der Phoenix-See nicht zustande gekommen, viele Menschen würden unter schlechteren Bedingungen leben. Das noch längst nicht alles perfekt ist, ist nicht verwunderlich. Vieles mag noch immer bürokratisch erscheinen, manchmal auch sehr kurios. Doch jeder Bürger hat die Chance, sich einzubringen, so etwa am 25. Mai 2014 bei den Europawahlen, für ein starkes, gemeinschaftliches Europa!