„Das wird allmählich unsere Lars Kraume-Filmreihe“, scherzte der Moderator des Abends, Dr. Michael Borchard, Leiter der Abteilung Zeitgeschichte der KAS. Zur Vorführung des Films „Der Staat gegen Fritz Bauer“ von Regisseur Lars Kraume aus dem Jahr 2016 waren gut 100 Teilnehmer in die Akademie der Stiftung in Berlin gekommen. Kraumes jüngster Film „Das schweigende Klassenzimmer“ hatte im Frühjahr 2018 auf dem Programm der Zeithistorischen Filmreihe gestanden. Beide Filme, erklärte Kraume beim anschließenden Filmgespräch, seien politische Dramen zu wahren Geschichten, die sich im Nachkriegsdeutschland ereignet haben. Über die Lektüre einer Biographie war Kraume auf den öffentlich kaum bekannten hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer aufmerksam geworden. Bauer war 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung nach KZ-Haft aus dem Staatsdienst entlassen worden. Er emigrierte nach Dänemark und kehrte 1949 in die Bundesrepublik zurück, wo er sich intensiv der strafrechtlichen Verfolgung von NS-Verbrechen widmete. Als hessischer Generalstaatsanwalt seit 1956 trug Bauer maßgeblich zur Ergreifung Adolf Eichmanns bei, vor allem aber gilt er als Vater der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, die er maßgeblich vorbereitet hat. An der Figur Bauer habe ihn unter anderem gereizt, erklärte Kraume, dass man sich als Filmemacher dem Thema „NS-Diktatur“ nicht über die Methode expliziter Gewaltdarstellungen nähern müsse. Stattdessen thematisiere der Film den langen Schatten der NS-Diktatur in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft.
Im Nachgespräch mit dem zweiten Podiumsgast des Abends, Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters, Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/ACDP, wies Kraume auf die Spannung hin, mit der ein Regisseur bei historischen Stoffen umgehen müsse. Auf der einen Seite verlange das Medium Film eine dramatische Dichte ähnlich wie im Theater. Schließlich erwarte ein Publikum einen spannenden Kinoabend und wolle sich mit Filmhelden identifizieren. Auf der anderen Seite stehe die „historische Akkuratesse“. Zuschauern dürften nicht schlicht falsche Tatsachen präsentiert werden. Beidem gerecht zu werden, sei immer eine Abwägung. Der Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ sei zwar wie alle Filme eine Reduktion, verbreite aber keine platten Bilder. Er stelle die „beängstigende Atmosphäre“ nach, in der Bauer für die Ergreifung Adolf Eichmanns kämpfte, und nutze dabei das Erzählmotiv „Individuum gegen Tyrannei“.
Prof. Küsters bemerkte aus wissenschaftlicher Perspektive, dass eine differenzierte Darstellung historischer Zusammenhänge und Vorgänge im Medium Film kaum möglich sei. Generell sei es gefährlich, Heldenverehrung zu betreiben, wobei es unerheblich sei, ob es sich um Fritz Bauer oder den im Film kritisch dargestellten Bundeskanzler Konrad Adenauer handele. Vielmehr müsse eine historische Betrachtung die Lebensleistung eines Menschen mit seinen Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt stellen. Auch verkürze der Film manche historischen Vorgänge und verbreite an einigen Stellen durchaus Klischees, so Prof. Küsters. Schließlich greife der Film die These von der „Restauration“ in der Ära Adenauer oder dessen „verfluchter Versöhnung“ ausdrücklich auf. So werde beispielsweise ein Originalausschnitt aus dem berühmten Treffen zwischen Adenauer und Ben Gurion 1960 im Waldorf-Astoria-Hotel in New York gezeigt, aber nur als politisches Manöver in den Kontext der westdeutschen Waffenlieferungen an Israel eingeordnet. Dass es hierbei um weitaus mehr ging, nämlich um den Versuch, mit kleinen Schritten eine Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen zu erreichen, werde im Film hingegen nicht thematisiert. Ob Fritz Bauer nicht die Gegenthese zur Behauptung der „68er“ sei, dass die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit erst mit ihnen begonnen habe, fragte Michael Borchard abschließend. „Die Wissenschaftliche Aufarbeitung begann bereits in den 1950er Jahren“, stellte Prof. Küsters dazu fest, doch „es gab noch keine breite gesellschaftliche Debatte“. Diese mit den Auschwitz-Prozessen angestoßen zu haben, sei das große Verdienst Fritz Bauers gewesen.
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