Intensive und mehrschichtige Podiumsdiskussion zeigte erneut die Aktualität und die Wichtigkeit des Themas „Integration“ nicht zuletzt auf kommunaler Ebene, denn vor Ort müssen die Integrationsprozesse umgesetzt und ausgelebt werden. Multiperspektivität wurde zum Motto des Abends.
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch einen Auftakt-Impuls aus der Wissenschaft. Herr Felix Leßke vom Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn, führte mit seinem Vortrag „Aktuelle Entwicklungen zu Migration und Flucht“ in die Thematik ein. Erläutert wurde der Umgang und die Deutung des Integrationsbegriffs in der Forschung und in der politischen Praxis, gefolgt durch die Vorstellung der soziologischen Kölner Flüchtlingsstudien 2016-2020, einschließlich von praxisorientierten Ergebnissen aus dem Schulkontext.
(PPT zum Vortrag von Herrn Leßke kann gerne auf dieser Homepage in der rechten Spalte heruntergeladen werden).
"Zu Migration und Flucht" - Soziologe Felix Leßke, Auftakt-Impuls
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Frau Oyun Ishdorj, Mitglied des Landesintegrationsrates NRW und des Integrationsrates der Stadt Bonn, bot mit ihrer Präsentation „Integrationsräte in Nordrhein-Westfalen. Politische Teilhabe - Mitwirkung und Mitgestaltung“ einen informativen Impuls aus der kommunalpolitischen Perspektive. Dabei stellte sie aktuelle Integrationsstrategien sowie Möglichkeiten der politischen Bürgerbeteiligung von Migrantinnen und Migranten auf kommunaler Ebene vor. Die Bedeutung der Integrationsräte als Fachgremium der Kommune und als ein wichtiges Instrument der politischen Partizipation im Einsatz für Bildungsgerechtigkeit oder Beseitigung von Rassismus und Diskriminierung wurde an praktischen Beispielen erklärt.
(Auch die PPT zu Integrationsräten NRW steht zum Herunterladen in der rechten Spalte zur Verfügung.)
"Integrationsräte NRW" - Oyun Ishdorj
"Politische Teilhabe: Mitwirkung und Mitgestaltung für Migrantinnen und Migranten"
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Bei den Inputs aus der Podiumsrunde berichteten drei Lehrerinnen aus Schulen in Bonn und Sankt Augustin – Frau Kalliope Seggebäing, Frau Gabriele Thiermann und Frau Vera Gewiss – über die Lage, Integrationsprobleme und -methoden in ihren Schulen, aber auch über die Grenzen der schulischen Möglichkeiten und den konkreten Unterstützungsbedarf auf kommunaler Ebene.
Frau Hera Shokohi und Frau Victoria Kloska, zwei Historikerinnen von der Universität Bonn, die als ehrenamtliche Dozentinnen mit Jugendlichen im Integrationsbereich arbeiten, veranschaulichten die Bedeutung von externen Unterstützungsangeboten (Schriftstücke, Videos, Workshops) für Schulen.
Eines der Highlights des Abends bildeten die im Vorfeld der Veranstaltung aufgezeichneten Video-Impulse von den Schülerinnen und Schülern aus dem Beethoven-Gymnasium Bonn und aus der Johannes-Rau-Schule Bonn-Bad Godesberg. Die in der ersten Reihe sitzenden jungen Leute erweiterten anschließend ihre Video-Statements zu persönlichen Erfahrungen mit Integration, Chancengleichheit, Toleranz und Wahrnehmungsstereotypen in Deutschland.
„Integration an Schulen“ – Impulse aus der Johannes-Rau-Schule Bonn-Bad Godesberg
Zentrale Diskussionsaspekte nach Kategorien unterteilt
1. Methodische Ebene
Sprachunterricht. Spätestens seit der Flüchtlingswelle 2015 sammelten deutsche Schulen wichtige Erfahrungen im Unterricht von minderjährigen Flüchtlingen und entwickelten erfolgreiche Konzepte zur Anwendung der DAF- und Sozialisierungsmethode. Das Konzept von Internationalen Klassen zeigte dabei sehr positive und langfristige Effekte.
- Aber in den letzten Jahren wurde die Anzahl von solchen Vorbereitungsklassen stark reduziert. Spätestens seit dem Beginn des Ukraine-Krieges und angesichts der prognostizierten nächsten Flüchtlingswelle besteht jedoch ein spürbarer Bedarf an der Einrichtung von mehreren neuen Internationalen Klassen.
- Das zweijährige gesetzliche Recht auf den gezielten Deutsch- und Integrationsunterricht nach dem Übergang aus Internationalen in reguläre Klassen wird nicht immer gewährleistet. PROBLEM: mangelnde Informiertheit der Lehrkräfte über die bestehende Gesetzeslage sowie eine grundsätzliche Überlastung.
- Positiv ist dagegen zu beobachten, dass in letzten Monaten viele Lehrkräfte die Fortbildungsangebote zur DAF-Methode wahrnehmen und diese in ihrem Unterricht anwenden.
Grundsätzlich fehlt es aber am intensiven Erfahrungsaustausch zwischen einzelnen Schulen, teilweise innerhalb der gleichen Kommunen, von dem alle beteiligten Schulen profitieren könnten.
Gesellschaftsunterricht:
Kritisiert wird oft eine zeitüberholte eurozentristische Sichtweisen-Dominanz in deutschen Schulprogrammen.
- Mit der Forderung nach mehr Differenzierung und thematischer Vielfalt (wie z.B. gleichmäßige Aufklärung zu Migration in der Welt, zu Gastarbeiter-Politik, zu Kriegen in der Ukraine, aber auch in Syrien, Irak, Kosovo etc.) wird in den Schulen punktuell versucht, mit Kulturstereotypen aufzuräumen.
- An diesem Punkt stoßen die Schulen jedoch an ihre Grenzen, denn für eine systematische und klassenübergreifende Vermittlung solcher Themenbereiche fehlt in einzelnen Schulen an Personal- und Zeitkapazitäten.
2. Strukturell-organisatorische Ebene
- Personal- und Zeitmangel sowie verschiedene Ausstattungsdefizite an Schulen – das sind die Probleme, für die Politik, u.a. auf kommunaler Ebene, aufgerufen wird, nach einer Lösung zu suchen, um die Erfolge von Integrationsarbeit zu fördern und zu sichern.
- Im Sinne der Chancengleichheit im Bildungsbereich sind die Verantwortlichen aus der Kommunal- und Landespolitik gefragt, das Prinzip der Durchlässigkeit des dreigliedrigen Schulsystems zu wahren und für das grundsätzliche Problem mit zu wenigen Schulplätzen, insbes. in höheren Klassen der Mittelstufe in Realschulen und Gymnasien, kommunenübergreifende Lösungsansätze zu erarbeiten.
- Hoher Unterstützungsbedarf in Form von externer Expertise wird an Schulen gemeldet, um einen qualitativ gesicherten Unterricht gestalten zu können, wie z.B. von Experten aufgesetzte Schriftstücke, Videos oder ehrenamtliche Seminare.
- Obwohl ein großes Interesse zur engeren Zusammenarbeit zwischen Schulen und Expertinnen und Experten aus dem akademischen Bereich besteht, wird bisweilen eine nötige Netzwerkplattform vermisst, um bei Bedarf unkompliziert zu einander zu finden.
- Zwecks eines besseren Austauschs zwischen unterschiedlichen Bildungsinstitutionen wird der Appel zur Verbesserung der Transparenz von Stadtverwaltungsstrukturen laut.
3. Soziale Ebene, insb. Toleranz und Antidiskriminierungsdebatten
- Vorurteile und Alltagsrassismus sind weiterhin akute Probleme im Bereich der Integration: von der nonverbalen Ablehnung in öffentlichen Verkehrsmitteln während der Klassenausflüge, über die Stereotypisierung in den Schulen nach dem Prinzip „‘guter‘ Flüchtling vs. ‚schlechter‘ Flüchtling“ bis zu offenen Beleidigungen von intellektuellen Fähigkeiten und der Verneinung jeglicher Zukunftschancen aufgrund des Migrationshintergrunds.
- Der Alltagsrassismus zieht einerseits die Entwicklung der Opferkonkurrenz unter den Migrant/innen-Grüppchen in Schulen nach sich, andererseits macht sich das allgemeine Gefühl der Demotivation breit, „als Ausländer alle in einem Boot zu sitzen – in dem Boot der Ablehnung“.
- Infolge solcher Frustration, Unsicherheit und Demotivation geht viel Potenzial verloren, das junge Zugewanderte mit sich bringen und welches der deutschen Gesellschaft und dem deutschen Arbeitsmarkt zugutekommen könnte.
- Um dem entgegenzuwirken und interkulturelle Kompetenz der jungen Generation zu fördern, wird empfohlen, Schulprogramme stärker an aktuelle Bedürfnisse der deutschen Einwanderungsgesellschaft anzupassen. Innerhalb des Unterrichts soll mehr Raum für Aufklärung nicht ausschließlich zu aktuellen geopolitischen Krisen wie Ukraine-Krieg, aber auch zur Situation in Syrien, Iran, Irak geschaffen werden. Gleichzeitig empfiehlt es sich, stärker auf Demokratieerziehung allgemein und breite Behandlung von Themen wie Rassismus, Xenophobie, Antidiskriminierung und Fremdwahrnehmung zu setzen.
Denn Integration kann stets nur als wechselseitiger Prozess gelingen. Sie basiert auf zwei gleich wichtigen Prinzipien: Förderung des Integrationswunsches von Zugewanderten einerseits und der Unterstützung der Aufnahmebereitschaft der hiesigen Bevölkerung andererseits. Beides kann und soll durch eine umfassende Aufklärung an deutschen Schulen mit nötiger Unterstützung aus Politik und Forschung gewährleistet werden.
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