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"Dem Rad in die Speichen fallen"

Dietrich Bonhoeffer und die Notwendigkeit, in die Politik einzugreifen

In Letschin im Oderbruch erinnerte der Publizist und Lyriker Gerd Berghofer am 19. Januar anlässlich des Gedenktages der Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar an den evangelischen Theologen und Widerständler Dietrich Bonhoeffer. Diskutiert wurde auch über die Aktualität seiner Haltung.

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"Wenn die Kirche den Staat ein Zuviel oder ein Zuwenig an Ordnung und Recht ausüben sieht, kommt sie in die Lage, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen." (Dietrich Bonhoeffer)

"Dem Rad in die Speichen fallen"

Von Ulf Grieger, in: Märkische Onlinezeitung vom 21.1.2016

Letschin (MOZ) "Biografie, Texte, Widerstand" war der Auftritt von Gerd Berghofer am Dienstag im Haus Lichtblick überschrieben. Vor kleinem, aber sehr interessierten Publikum gelang es dem Publizisten, vor allem die Aktualität des streitbaren Theologen und Antifaschisten deutlich zu machen.

"Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr." - Diese Zeilen sind vielen bekannt. Aber nur wenige wissen, dass Dietrich Bonhoeffer das Gedicht, das längst Eingang in Gesangsbücher gefunden hat, am 19. Dezember 1944 in seiner Todeszelle schrieb. Als Gerd Berghofer sie am Dienstag rezitiert, hat er bereits das Leben und Denken des Mannes vor den Zuhören ausgebreitet. Es ist, als schöbe er damit den Schlussstein in ein gewaltiges Gebäude.

Am 4. Februar jährt sich der Geburtstag des als sechsten von acht Kindern, des Psychiaters und Neurologen Karl Bonhoeffer, in Breslau geborenen Mitbegründers der "Bekennenden Kirche" zum 110. Mal. Der 70. Jahrestag seiner Hinrichtung durch die SS am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg war für Berghofer, der selbst preisgekrönte Gedichtbänder herausgebracht hat, Anlass, sich eingehender mit Bonhoeffers Leben zu beschäftigen. Was ihn daran am meisten beeindruckt hat, hebt er gleich zu Beginn hervor: "Er lehrt, Haltung zu bewahren." Zunächst ging es dem begabten, bereits mit 24 Jahren habilitierten Theologen um Haltung in der Wissenschaft. Noch fern von politischer und ethischer Parteinahme verteidigte er die kirchenreformatorischen Ideen Karl Barths gegen die Konservativen um Adolf von Harnack an der Berliner Universität. Erst ein Aufenthalt 1929/30 in New York, wo er in Kirchengemeinden von Harlem in praktische Pastoralarbeit die Folgen der Weltwirtschaftskrise kennenlernte, öffneten ihm die Augen für Kirche von unten, für das soziale Engagement. Berghofer erzählt von der Konfirmandengruppe armer Jugendlicher in Prenzlauer Berg, die Bonhoeffer betreut. Am 1. Februar 1933, direkt nach der Wahl Hitlers durch das deutsche Volk, hält er in der "Funkstunde" eine Radioansprache über die "Wandlungen des Führerbegriffes". Sehr klar macht er darin die Wandlung vom Führer zum Verführer und weiter zum Verbrecher deutlich. Er kritisiert scharf die Versuche nationalistischer Kirchenkreise, die eine "Rettung Deutschlands durch christliche Weltanschauung" propagieren. Die Nähe dieser Leute zur heutigen Pegida ist deutlich.

Dabei kommt eine grundsätzliche Haltung zum Tragen. Während die Mehrheit in der evangelischen Kirche als deutsche Christen die Nazis und ihren Terror unterstützen und sich dabei auf Luthers Lehre berufen, macht Bonhoeffer es zur Pflicht der Kirche, den Opfern des Staates zu helfen. Er kommt zu dem im Widerstand gegen die Nazis fundamentalen Grundsatz: "Wenn die Kirche den Staat ein Zuviel oder ein Zuwenig an Ordnung und Recht ausüben sieht, kommt sie in die Lage, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen."

Die mit Martin Niemöller, Karl Barth und anderen gegründete "Bekennende Kirche" hatte auch Anhänger im Seelower Raum. In den Vorkriegsjahren war Seelow eine Hochburg dieser "Bekennenden Kirche", deren Hirtenbrief trotz Verbots am 8. Juni 1935 von der Kanzel der Stadtkirche verkündet wurde.

Gerd Berghofer macht deutlich, wie sehr die Kirche bei der Durchsetzung der Rassengesetze geholfen hat. So stellte sie für die Ariernachweise, die über Wohl und Wehe der Menschen entschieden, die Kirchenbücher zur Verfügung.

Ab 1940 arbeitete Dietrich Bonhoeffer aktiv im deutschen Widerstand. Mit Hans Oster und Hans von Dohnanyi nutzte er seine ökumenischen Kontakte, war an der Planung von Hitlerattentaten beteiligt und diente als Verbindungsmann.

Der Vortrag Gerd Berghofers, der von der Sparkassenstiftung und von der Adenauer-Stiftung gefördert wurde, entließ ein nachdenkliches Publikum, das sich im Anschluss noch angeregt von der dargestellten Haltung des Theologen Dietrich Bonhoeffers zur Notwendigkeit eines aktiven Eingreifens über aktuelle Kirchenpolitik austauschte.

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Stephan Georg Raabe

Stefan Georg Raabe

Leiter des Auslandsbüros Bosnien und Herzegowina in Sarajevo

Stephan.Raabe@kas.de +387 33 215 240
Gerd Berghofer während seines Vortrags PBF Thüringen

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