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Gehört der Islam zu Deutschland?
Warum stellt sich diese Frage überhaupt in der aktuellen Situation? Mit den sogenannten Pegida-Demonstrationen („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Dresden gewann das Thema Ende 2014 an öffentlicher Aufmerksamkeit. Die Demonstrationen selbst wurden wiederum befeuert durch die allabendlichen Nachrichten vom grausamen Terror des „Islamischen Staates“ in Syrien und im Irak, der den Schrecken der „Al Qaida“ noch zu überbieten sucht, die Meldungen über die ebenfalls islamistische Terror-Gruppe Boko Harum in Afrika, die nach Deutschland strömenden moslemischen Flüchtlinge und nicht zuletzt die Terrorgefahr, die auch bei uns von salafistischen, also konservativ islamischen Extremisten ausgeht.
Der islamistische Anschlag auf die französische Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo am 7. Januar dieses Jahres und das zeitgleich veröffentlichte Buch von Michel Houellebecq „Unterwerfung“, indem er die Islamisierung Frankreichs nach Übernahme der Regierungsverantwortung durch eine islamische Partei beschreibt, gab zusätzlich Wasser auf die Mühlen der Diskussion. Die bekannten Integrationsproblem eines nicht geringen Teils der über vier Millionen Muslime in Deutschland, die sich gerade auch aus kulturell-religiösen Unterschieden ergeben, sind seit langem ein Kernpunkt der Debatten, die dieser Tage durch ein erneutes Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichtes, wonach moslemischen Lehrerinnen das Kopftuchtragen in der Schule nicht generell verwehrt werden darf, erneut auftrieb erhielten.
Muslime gehören zu Deutschland
Tatsache ist, dass eben über vier Millionen Muslime in Deutschland leben, ein großer Teil zumindest auch als deutsche Staatsbürger, und dass dieser Bevölkerungsanteil steigen wird. Tatsache ist auch, dass der Islam für die deutsche Mehrheitsgesellschaft nach wie vor religiös und kulturell fremd ist und dass diese Religion einige spezifische Problem mit sich bringt, die sich zum einen aus der ihrer Herkunft aus einem ganz anderen Kulturkreis, zum anderen aus dem weitgehenden Fehlen einer humanistischen Aufklärung im Islam ergeben.
Wenn dem so ist, ist es notwendig, sich in Deutschland unter diesen verschiedenen Kulturen aufeinander zu zubewegen, die Distanz zu überwinden und einen modus vivendi für das Zusammenleben zu finden. Das gerade ergangene, hochumstrittene Kopftuchurteil unseres Verfassungsgerichts ist ein Versuch in dieser Richtung. Genauso ist es aber notwendig, „Klare Kante“ (Reinhard Müller, FAZ vom 14.3.2015, S. 1) zu zeigen, wenn unsere Grundwerte und unsere kulturelle Identität als Europäer und Deutsche auf dem Spiel stehen, wenn es also zum Beispiel um die Gleichberechtigung von Frau und Mann, um die Justiz-Hoheit des Staates oder die Freiheitsrechte jedes Bürger, unabhängig von seiner Religion geht.
All diese Fragen führen zu einer erhöhten öffentlichen Aufmerksamkeit, die sich auch im großen Andrang zur Diskussion dieser Problematik mit der Autorin und Sozialwissenschaftlerin Dr. Necla Kelek im Rahmen des Brandenburger Forums der Konrad-Adenauer-Stiftung wiederspiegelt. Obwohl es am selben Abend gleich drei Veranstaltungen zu diesem Thema in Potsdam gab, war der Saal mit über 100 Teilnehmern voll besetzt.
Einem Kulturabbruch entgegenwirken
Die Expertin plädierte in Potsdam für eine möglichst genaue Gruppenanalyse und Differenzierung in Bezug auf die Muslime in Deutschland, denn es gebe auch hier viel gelungene Integration. Problematisch seien allerdings häufig die konservativ sunnitischen und aus ländlichen Gebieten kommenden Gläubigen, die die kulturelle Differenz in Sitte, Moral, Welt- und Gesellschaftsbild bewusst weiter betonten und lebten. Weil das nicht nur eine Frage der religiösen Einstellung, sondern auch der Zivilisation, des Lebenskonzeptes und Gesellschaftsbildes sei, führe dies zur Bildung von Parallel- oder Gegenkulturen, zu einem regelrechten Kulturabbruch in unser Gesellschaft, der bereits in einzelnen Wohngebieten angefangen habe, ähnlich wie in etlichen französischen Vorstädten.
Viele Untersuchungen belegten, dass das Aufwachsen in einer solchen islamischen Gegenkultur bei vielen Kindern und Jugendlichen zu erheblichen Problemen führe, in unserem demokratischen Rechtsstaat Fuß zu fassen und anzukommen. Dies zeige sich z.B. gerade auch in Bezug auf die Bildung. Im Bereich derjenigen, die nur eine geringe Bildung erworben hätten bzw. ohne Schul- und Berufsabschluss dastünden, hätten fast 30 Prozent einen Migrationshintergrund und von diesen wiederum seien rund 50 Prozent Moslems. In Ballungsgebieten muslimischer Bevölkerung in Deutschland sei unser Bildungssystem angesichts der speziellen Probleme häufig völlig überfordert, unsere Sprache, Werte, Freiheitsrechte, Gesetze zu vermitteln.
Kopftuchurteil ist das falsche Signal
Vor allem könne die Integration der moslemischen Bevölkerung nicht ohne die Integration der moslemischen Frauen gelingen, die häufig in einer paternalistischen Eigenwelt aufwüchsen, die ihre bürgerlichen Freiheiten durch kulturelle Vorschriften stark einschränke. Vor diesem Hintergrund sei das aktuelle Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichtes integrationspolitisch ein völlig falsches Signal. Muslimischen Kindern, vor allem Mädchen, werde damit die Chance genommen, in der Schule einen neutralen Freiraum von den kulturell-religiösen Vorgaben zu Hause zu erfahren.
Es sei eine Bagatellisierung, das Kopftuch „nur“ als sozusagen harmloses religiöses Kleidungsstück zu sehen. In vielen islamischen Ländern und familiären kulturellen Zusammenhängen gäbe es für Mädchen und Frauen nach wie vor den Kopftuchzwang, als Zeichen der Trennung und Abgrenzung von der westlichen Kultur, den islamischen Modernisten oder Reformern und den Ungläubigen. Während Atatürk in der Türkei 1923 mit dem Kopftuchverbot den Frauen grundlegende Bürgerrechte eröffnete, werde in Deutschland nun einer integralistisch angelegten islamischen Gegenkultur, die auf Abgrenzung und soziale Kontrolle baue, in der Schule Raum gegeben. Für die deutschen Kinder sei das kein Problem, aber für die „verlorenen Söhne und Töchter“ der moslemischen Bevölkerung sehr wohl.
In der angeregten längeren Diskussion mit den Teilnehmern sprach sich Kelek für ein Islam-Gesetz wie etwa in Österreich aus, auch um den Einfluss und die Finanzierung des muslimischen Gemeinschaftslebens aus dem Ausland zurückzudrängen.
Islam und Islamismus
Kelek widersprach dabei auch der These, der Islamismus hätte überhaupt nichts mit dem Islam zu tun. Bei aller notwendigen Unterscheidung knüpfe der Islamismus in einer radikalen Zuspitzung an bestimmte inhaltliche Potentiale des Islam an. Dem werde durch ein Defizit an theologischer Wissenschaft und Ausbildung im Islam Vorschub geleistet.
Deshalb sei es wichtig, etwa im interreligiösen Dialog genauer nachzufragen, wie denn der Koran, die Scharia oder der Dschihad interpretiert werde, welches Menschen- und Gesellschaftsbild sich aus dem Koran ergebe und in den Moschee weitervermittelt werde und in welcher Weise dies alles mit den demokratisch-freiheitlichen Bürgerrechten in unserer Gesellschaft zusammen passe. Gerade weil weite Teile der islamischen Welt den Anschluss an die Moderne verpasst hätten, nicht in die Bildung der Bevölkerung investierten und keine demokratischen Bürgergesellschaften entwickelt hätten, fände der Islamismus hier einen guten Nährboden, führte Kelek als eine Erklärung für die Probleme in der islamischen Welt an.
Ein aufgeklärter, europäischer Islam ist notwendig
Eine Perspektive für eine gelungen Integration in Europa sieht Kelek gerade in der Entwicklung eines aufgeklärten, europäischen Islam, die vor allem vom deutschsprachigen Raum ausgehen könne. Solange der Islam in Deutschland aber durch ein völlig anderes kulturell-religiöses Paradigma geprägt sei mit starken Tendenzen zu einer Gegengesellschaft, könne er nicht Teil Europas oder Deutschland sein, sondern werde weiter erhebliche Integrationsprobleme hervorrufen. Dies durch eine oberflächliche, die islamisch-kulturellen Einflüsse in ihrer Eigenart und ihrem problematischen Einfluss nicht ausreichend ernst nehmende Wahrnehmung zu übergehen, ist wohl ein Fehler.