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Es gehe in den aktuellen Debatten nicht nur um eine fremde Kultur, sondern letztlich seien sie auch eine Folge der Verunsicherung der Europäer über ihre eigenen Werte. Der Islam sei aber nicht nur Glaube und Religion, sondern eben auch Ideologie und gelebte Kultur. Und diese Kultur folgt einem anderen Menschenbild. Dies zeigt sich besonders beim Umgang mit der Freiheit.
Der Islam war immer Teil der europäischen Geschichte. Im Hochmittelalter spielten besonders die muslimischen Gelehrten Al-Ghazali (1058-1111) und sein Gegenspieler Ibn Ruschd (1126-1198) eine wichtige Rolle. Al-Ghazali habe die Religion „gegen jeden Zweifel versiegelt“ und auf diese Weise „in jenes Gehäuse verbannt“, in dem eine Entwicklung oder Modernisierung nicht möglich gewesen sei. Ibn Ruschd übersetzte die Werke Aristoteles und regte in Europa eine Entwicklung der Philosophie an, die in die Aufklärung mündete. Ruschd allerdings wurde durch den Kalifen verbannt und seine Werke verbrannt. In Europa bildeten sich schließlich gegen viel Widerstand rationale Wissenschaften auf der Basis einer Trennung von Glaube und Vernunft, während Al-Ghazalis Lehre der zentralen und alle Zeiten überdauernden Bedeutung des Koran zur Fessel für die Wissenschaften wurde und dem Islam seine Innovationsfähigkeit geraubt habe. Im Islam dürften keine Fragen an die Vernunft gestellt werden. Hier liege der Ausgangspunkt der bis heute ausstehenden Säkularisierung des Islam. Ein Beispiel für die Folgen heute sei, daß etwa die Bildungsstudien der OECD niedrige Werte für die Lese- und Schreibfähigkeit der Menschen im muslimischen Einflussbereich aufwiesen.
In muslimischen Ländern sei der Austritt aus oder der Wechsel der Religion nicht erlaubt. Als Grundlage für die Geltung der Menschenrechte im Islam wurde 1990 durch die Organisation für islamische Zusammenarbeit die Scharia festgelegt. Bis heute, beklagte Kelek, habe sich kein europäischer Islam ausgebildet. Die Menschenrechte gelten in muslimischen Ländern nur für Muslime. Es herrsche ein anderes Verständnis von Freiheit. Dazu brachte Kelek ein Beispiel aus eigenem Erleben. Sie fragte als Kind die Mutter, wann sie endlich frei sein würde, Entscheidungen zu treffen. Die Mutter verstand Freiheit jedoch ganz anders, als Schutzlosigkeit, vogelfrei sein. Die Männer schützen die Familie, sie sind „die Öffentlichkeit und die Frauen ihre Privatheit“. Gerade in Deutschland, wo das System die Möglichkeit dazu biete, hätten sich zwar viele muslimische Frauen diesen Regeln entzogen, aber für viele sei der Gedanke an persönliche Freiheit noch ein „Tabu“, so Kelek. „Freiheit, die in Europa mittlerweile als selbstverständlich angesehen wird, macht vielen muslimischen Frauen Angst.“ Solche Einstellungen sind bekanntlich verbunden mit ausgeprägten Vorstellungen von Familienehre und abgegrenzten Geschlechterrollen.
Menschen, die in Deutschland leben, sollten die Sprache lernen, die Kultur kennen und sich mit der Identität des Landes auseinandersetzen - Teil werden wollen. Das sei Integration. „Durch jahrzehntelange falsche Integrationspolitik begünstigt, fühlen sich viele muslimische Migranten immer noch z.B. als Türken und haben Europa als ihre neue Heimat nicht angenommen.“ Das müsse sich ändern, die Migranten sollten Deutschland als ihre Heimat annehmen und dürfen ihre Nachbarn nicht als „Ungläubige“ abwerten. Auf der anderen Seite müssen sie als Bürger dieses Landes angesprochen und wahrgenommen werden, und es sollten alle Chancen zur Teilhabe geboten werden.