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*Helmut Kohl in seiner Rede am 1. November 1988 in Aachen, als ihm gemeinsam mit François Mitterrand „für französisch-deutsche Freundschaft und Europas Zukunft“ der Internationale Karlspreis zu Aachen verliehen wurde
Die Leiterin der Politischen Bildung der Konrad-Adenauer-Stiftung, Dr. Melanie Piepenschneider, erinnerte im Rahmen ihrer Einführung an die herausragende Rolle, die der Élysée-Vertrag für die europäische Integration spielte. Er sei die Basis für eine weitere Vertiefung der gesamteuropäischen Einigung gewesen, die alle wichtigen Fragen der europäischen Wirtschafts- und Verteidigungspolitik angesprochen und die ein festes Beziehungsgeflecht der beiden Länder durch festgelegte gegenseitige Konsultationen installiert habe. „Zudem“, so Dr. Piepenschneider weiter, „war der Élysée-Vertrag immer auch ein Angebot an die anderen vier EWG-Staaten, sich der Annäherung anzuschließen.“
In diesem historischen Kontext müsse der Aachener Vertrag als eine neue Stufe der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich gesehen werden. Die konkreten Auswirkungen seien der Diskursgegenstand der Veranstaltung, konstatierte Dr. Piepenschneider abschließend.
Dipl.-Politologe Ingo Espenschied präsentierte mit seinem multimedialen DOKULive-Format „Der Élysée-Vertrag“ auf sehr lebendige Weise die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen. Er spannte einen weiten historischen Bogen vom frühen Mittelalter und dem Reich Karls des Großen über die kriegerischen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts bis in die Zeitgeschichte.
Dabei stellte er anschaulich vor allem diejenigen regionalen Bezüge her, die bei der Betrachtung der Freundschaft der beiden Länder aus rheinland-pfälzischer Sicht in den Blick geraten. Das Treffen der beiden Staatsmänner Adenauer und de Gaulle im November 1958 in Bad Kreuznach sei, erläuterte Espenschied, die „Weichenstellung für den Jahrhundertvertrag“ gewesen. Er erinnerte daran, dass beide Politiker, sowohl Adenauer als auch de Gaulle, einer Generation angehörten, der noch die vermeintliche deutsch-französische Erbfeindschaft in die Wiege gelegt war. Insofern sei der Élysée-Vertrag des Jahres 1963 eine Sternstunde der deutsch-französischen Zusammenarbeit der Nachkriegszeit gewesen, an deren Geist sich auch in der Folge und bis in unsere Gegenwart hinein alle Regierungen der beiden Staaten orientiert haben. Allerdings, so die abschließende Feststellung Espenschieds, sei nicht eine verordnete Freundschaft der Kern des Élysée-Vertrags gewesen, sondern vielmehr die institutionalisierte Zusammenarbeit der Deutschen und Franzosen.
Dr. Helge Fuhst, phoenix-Programmgeschäftsführer, näherte sich in seinem Kurzimpuls der Frage nach der Rolle der Medien angesichts der aktuellen europäischen Debattensituation an. Seiner Ansicht nach sei das gesamteuropäische Narrativ zu lange vernachlässigt worden. „Die früheren Grenzen innerhalb Europas sind für junge Menschen heute nicht mehr nachvollziehbar“, gab Dr. Fuhst zu bedenken. Dies sei viele Jahre lang der Grund dafür gewesen, dass die junge Generation die gesamteuropäische Debatte vermissen ließ. „Jetzt allerdings geht es um das große Ganze und nun ist auch die Debatte wieder angestoßen“, stellte er fest.
Sein Ziel als Medienschaffender sei es, Europa verständlich und für die Bürger zugänglich zu machen, um mehr Bürgernähe zu schaffen. Beim Sender phoenix, dem Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF, versuche man dies durch ein kritisches Begleiten und Hinterfragen der Geschehnisse auf Ebene der Europäischen Union unter anderem mittels ungefilterter Liveberichterstattung. Aber auch der langfristige Blick auf europäische Randthemen, die jeweils nicht tagespolitisch im Fokus stünden, seien für den Sender ein wichtiges Element der Darstellung. Jedoch sollten die Medien dabei nicht als „Marketing-Abteilung Europas“ begriffen werden.
Auf Ebene der deutsch-französischen Beziehung, die Dr. Fuhst als die zentrale und stabilisierende Achse innerhalb Europas versteht, ginge es unter anderem darum, auch in Deutschland die Themen, Probleme und Herausforderungen Frankreichs zu verdeutlichen, um mehr Verständnis füreinander zu fördern. „Wichtig ist aber auch die Frage, wie stabil sich die deutsch-französische Achse erweisen wird, wenn sie für eine der beiden Regierungen eines Tages nicht mehr die strategisch relevanteste Partnerschaft sein sollte“, merkte er an. Das Fundament der deutsch-französischen Beziehungen sieht Dr. Fuhst daher vor allem im persönlichen Austausch: „Die Menschen machen den Inhalt der Verträge aus“.
Der Kurator des deutsch-französischen Jugendwerks Prof. Dr. Henri Ménudier, Politikwissenschaftler an der Pariser Universität Sorbonne, nahm den Aspekt der Friedensstabilität in Europa in den Blick. In seinem Kurzimpuls erläuterte er die, seiner Ansicht nach, konstituierenden Momente für diesen seit 74 Jahren währenden Frieden. Erstens: Die einzelnen Menschen, die Rolle der Zivilgesellschaft und die vielen persönlichen Begegnungen hätten in den vergangenen Jahrzehnten ein dauerhaftes Fundament der Verständigung geschaffen. Zweitens: Nach dem Zweiten Weltkrieg habe auch die USA, vor allem durch die wirtschaftliche Hilfe und den Schutz der NATO, einen großen Beitrag zur Stabilisierung des Friedens in Europa geleistet. Drittens: Die Persönlichkeiten der deutschen und französischen Staatsvertreter der Nachkriegszeit und deren individuelles Engagement habe in hohem Maße zu einer engen Relation der beiden Länder beigetragen. Heute, so Prof. Ménudier, müsse man sich die Frage stellen, ob und wie man weiter an der europäischen Integration arbeiten wolle. Die enge deutsch-französische Zusammenarbeit sei heute wichtiger denn je und unabdingbar.
Als „einmalig“ charakterisierte der Politikwissenschaftler den Vorgang der Neufassung des Élysée-Vertrags: „Kaum eine Regierung Frankreichs war so deutschfreundlich, wie die gegenwärtige unter Macron“. Nicht weniger als eine europäische Renaissance, der Schutz der Demokratie und die Stärkung der Souveränität der Europäischen Union seien die Ziele Macrons. Sorge, so gab Menudier zu bedenken, mache ihm allerdings die zurückhaltende deutsche Resonanz auf die Vorschläge von französischer Seite: „Ein wirkliches Engagement und eine Unterstützung aus Deutschland ist leider in Frankreich nicht zu spüren; die Vorschläge Macrons scheinen nicht ernstgenommen zu werden“. Macron wünsche sich, dass sich die Menschen für Europa begeisterten. Der abschließende Appell Ménudiers lautete: „Es müssen Vorschläge und Entscheidungen her, denn die Lage ist ernst, aber nicht verzweifelt“.
Die im Anschluss von Philipp Lerch, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung und Leiter des Politischen Bildungsforums Rheinland-Pfalz, moderierte Gesprächsrunde vertiefte einige der zuvor angesprochenen Aspekte. Die Frage, was eine gute Nachbarschaft im persönlichen Alltag, aber auch im übertragenen Sinne bedeutet, beantworteten einige Teilnehmer der Veranstaltung mit sehr persönlichen Vorstellungen. Das einander Verstehen, das Andersartige zu akzeptieren, das aufeinander Zugehen und das füreinander Einstehen wurden ebenso genannt wie die Vermeidung eines reinen Nebeneinanders. Die Podiumsgäste übertrugen diese Eindrücke sodann auf die deutsch-französische Partnerschaft und ihren politischen wie gesellschaftlichen Alltag.
Der Europaabgeordnete Dr. Werner Langen mahnte dazu an, Europa wieder in den Köpfen vor allem der jungen Menschen zu verankern: „Es ist wichtig, dass diejenigen, die noch eine andere Zeit in Europa erlebt haben, die Erinnerung daran wachhalten“. Angesichts des immer stärker werdenden Drucks von Seiten anti-europäischer Kräfte innerhalb der EU stünde die Mehrheit noch immer voll und ganz hinter Europa, bekräftigte Dr. Langen. „Allerdings gehört es auch zur Wahrheit“, so das Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments weiter, „dass drängende Fragen wie beispielsweise zur gesamteuropäischen Steuergerechtigkeit aufgrund der Notwendigkeit einstimmiger Beschlüsse nicht lösbar sind“.
Ursula Groden-Kranich, Mainzer Bundestagsabgeordnete und Mitglied der deutsch-französischen Arbeitsgruppe zum Élysée-Vertrag, stellte ebenfalls eine durchaus bestehende Gefährdung des europäischen Grundgedankens fest. Umso bereichernder sei das Zusammenfinden der deutsch-französischen Parlamentariergruppe gewesen: „Es war und ist eine tolle Aufgabe, daran mitzuwirken“. Ihr sei es wichtig, nicht nur hinter verschlossenen Türen zu arbeiten, sondern öffentlich, transparent und sichtbar und über Partei- und Ländergrenzen hinweg das Gemeinsame herauszustellen. Auch plädierte Groden-Kranich für einen Abbau bürokratischer Hürden hinsichtlich des zivilgesellschaftlichen Engagements zwischen den beiden Ländern: „Initiativen dürfen und sollten nicht durch Grenzen oder zu viel Bürokratie begrenzt oder beschränkt werden. Denn die Verträge müssen mit Leben gefüllt werden“.
Die Landrätin des Landkreises Bad Kreuznach, Bettina Dickes, bedauerte, dass die deutsch-französische Freundschaft in ihrem Landkreis zwar eine große Rolle spiele, dabei aber oftmals der historische Kontext und die regionalen Bezüge verlorengegangen seien. Partnerschaften wie beispielsweise zwischen den im Landkreis ansässigen Gymnasien und französischen Partnerschulen würden von politischer Seite angestoßen, aber es brauche die Menschen, die sich freundschaftlich begegneten. „Die deutsch-französische Freundschaft war und ist ein Garant für den Frieden in Europa. Das müssen wir vor allem den jungen Menschen verstärkt klarmachen“, so Dickes. Daher müsse auch in der Bildungspolitik das verbindende Europa wieder stärker in den Blick genommen werden: „Vor allem dann, wenn es um das Erlernen der französischen Sprache geht“. Nur so könne man dem nachlassenden Interesse von Schülern am deutsch-französischen Austausch begegnen.
Gabriele Hartmann, ehemalige ehrenamtliche Generalsekretärin des Partnerschaftsverbands Rheinland-Pfalz/Burgund, stellte heraus, dass Städte- und Gemeindepartnerschaften besonders gut auf unterer Ebene funktionierten, „wenn alle Vereine und die Gemeindemitglieder mitmachen und sich Menschen unvoreingenommen begegnen können“. Von der Politik wünsche sie sich, so Hartmann, dass der Aachener Vertrag wirklich umgesetzt werde. Der vereinbarte Bürgerfonds sei ein erster guter Schritt zu mehr Verständigung, denn die Pflege von Partnerschaften koste Geld, das vor allem für die jüngere Generation in beiden Ländern und deren Annäherung sehr gut investiert sei.
Erfreut zeigte sich Philipp Lerch darüber, im Rahmen seines Schlusswortes keine Nachrufe anstrengen zu müssen. „Nekrologe sind, wie wir heute gehört haben, nicht nötig – weder auf die deutsch-französische Freundschaft noch auf die europäische Integration“, merkte er abschließend an. Die Konrad-Adenauer-Stiftung in Rheinland-Pfalz werde, lautete das Versprechen Lerchs, die Beziehungen beider Länder weiter mit einem besonderem Augenmerk beobachten und in Verbundenheit, aber hinreichend kritisch begleiten.
Musikalisch umrahmt wurde der Politische Salon von Dr. Nima Farahmand Bafi, der am Klavier auf eindrucksvolle Weise deutsche und französische Melodien miteinander verknüpfte.