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"Das Problem war, dass ich in die CDU eingetreten bin"

DDR-Zeitzeugengespräch und Ausstellungseröffnung am Oswald-von-Nell-Breuning-Berufskolleg in Coesfeld

Schülerinnen und Schüler des Oswald-von-Nell-Breuning-Berufskolleg sowie interessierte Gäste nutzten die Gelegenheit mit zwei ehemaligen politischen Häftlingen der SED-Diktatur über ihr Leben und ihre Erfahrungen in der DDR ins Gespräch zu kommen.

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von Julia van der Linde

Im Rahmen der Ausstellungseröffnung und des Thementages "DDR - Mythos und Wirklichkeit" 25 Jahre nach der Wiedervereinigung waren die beiden DDR-Zeitzeugen Sigrid Richter und Alexander Richter zu zwei Veranstaltungen zu Gast am Oswald-von-Nell-Breuning-Berufskolleg. Beide gehören der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V. an und berichteten im Gespräch mit Dr. Frank Hoffmann vom Institut für Deutschlandforschung der Ruhr-Universität Bochum von ihrem Leben in der ehemaligen DDR. Trotz des selben Nachnamens sind die beiden übrigens nicht verwandt, sie eint jedoch das Schicksal, als politischer Häftling eine Zeit ihres Lebens im Strafvollzug verbracht zu haben.

Etwa 175 Schülerinnen und Schüler lauschten am Nachmittag gespannt den Ausführungen der Zeitzeugen. Alexander Richter, heute Autor und Verleger, musste in der ehemaligen DDR zunächst als Wirtschaftsprüfer arbeiten. Geschrieben hat er schon damals gerne. Heimlich schickte er einzelne Seiten seines Manuskriptes in den Westen. "Erstaunlich lange ging das gut", schilderte Alexander Richter, "dann folgte die Verhaftung." Vorausgegangen waren illegale Hausdurchsuchungen und verschiedene Abhöraktionen, von denen er erst viel später erfährt. Für seine Kritik am Staat, die er in den verschickten Manuskriptseiten immer wieder äußert, wird er zu sechs Jahren Haft verurteilt - die DDR nennt es staatsfeindliche Hetze. In Potsdam und Brandenburg muss er davon zwei Jahre und sechs Monate in der Haftanstalt verbringen, bevor er von der Bundesrepublik freigekauft wird und in den Westen ausreisen darf.

Der naturwissenschaftliche Schwerpunkt auf dem Gymnasium habe ihm eigentlich von Anfang an nicht gefallen, stellte Alexander Richter fest. Das sei jedoch seine einzige Möglichkeit gewesen, Abitur zu machen, berichtete er den Schülerinnen und Schülern. Auch seinen Beruf habe er sich nicht frei aussuchen können. Als Wirtschaftsprüfer erhielt er einen Einblick in die Wirtschaftsbetriebe der DDR. Häufig habe er über die Berichte seiner Prüfung verhandeln müssen, wenn das Ergebnis für den Betrieb nicht optimal war. Dennoch musste geprüft werden, um einzelne Möglichkeiten der Optimierung zu finden.

Ob ihn seine Zeit in der DDR und seine dortige Haft heute noch beschäftige, wollten die interessierten Schülerinnen und Schüler von Alexander Richter wissen. Dieser erzählte, dass er seine Erfahrungen mittlerweile verarbeitet habe. Nur vor der Dunkelheit, da habe er heute noch Angst, das erinnere ihn an die Haft. Auch träume er manchmal von seinen Vernehmungen und den Bedingungen in der Haftanstalt. Dort gab es sogar Vorschriften darüber, wie man sich beim Schlafen zuzudecken habe, was er bis heute völlig verrückt findet.

Als Frau habe sie es leichter gehabt, das Geschehene zu verarbeiteten, stellte Sigrid Richter fest. Es sei immer ihr Vorteil gewesen, dass sie mit jedem über das, was ihr passierte, reden konnte. Ihre Kindheit und Jugend sei zunächst ganz DDR-typisch verlaufen. Ihr christliches Elternhaus habe sie im Studium dann dazu veranlasst, der CDU beizutreten und nicht der SED. Das sei der erste Fehler gewesen, den sie aus Sicht der Stasi gemacht habe. Mit der Heirat ihres Mannes, dessen Vater in den Westen geflohen sei, hatte sie gleich den zweiten Fehler begangen und sich damit verdächtig gemacht. Während ihrer Zeit als Lehrerin, in der sie zunächst die Ideale der ehemaligen DDR unterrichtete, sei sie immer wieder ausspioniert worden. "Einmal wurde meinem Sohn in der Schule sogar der Haustürschlüssel aus der Schultasche entwendet. Im Laufe des Schultages wurde der Schlüssel nachgemacht und wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückgelegt. So konnte unsere Wohnung durchsucht werden, ohne dass wir etwas bemerkten", berichtete Sigrid Richter.

Später zweifelt sie an dem, was sie unterrichten soll. Als sie einen Ausreiseantrag stellen will, kündigt sie. Sigrid Richter verlässt die Schule und plant, mit ihrer Familie die DDR illegal zu verlassen. In letzter Minute stoppt sie das Vorhaben, dennoch werden ihr Mann und sie verhaftet. Beide werden zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Ihr Fehler war, dass sie die Person, die ihnen angeboten hatte, bei der Flucht zu helfen, nicht angezeigt hatten. Der gemeinsame Sohn kommt zunächst ins Heim, von wo ihn Sigrid Richters Schwiegermutter holt.

Unter den inhaftierten Frauen habe es ein großes Konkurrenzverhalten gegeben. Freundschaften habe es meist nur oberflächliche gegeben. Sie habe jedoch Glück gehabt und während ihrer Zeit in der Haft eine wirkliche Freundin fürs Leben gefunden, die sie dort beschützt habe.

Nach ihrem Freikauf und ihrer Ausreise in die Bundesrepublik habe vor allem ihr Sohn weiterhin Probleme gehabt und unter Angstzuständen gelitten.

Die Veranstaltung am Abend stand unter Schirmherrschaft von Werner Jostmeier MdL, der betonte, wie wichtig solche Zeitzeugengespräche und Ausstellungen für die derzeitige Schülergeneration seien, damit die Erfahrungen der ehemaligen politischen Häftling nicht in Vergessenheit geraten. 100 interessierte Gäste lauschten erneut den Berichten von Sigrid und Alexander Richter, bevor die Wanderausstellung "DDR - Mythos und Wirklichkeit" 25 Jahre nach der Wiedervereinigung im Oswald-von-Nell-Breuning-Berufskolleg eröffnet wurde. Bis zum 5. November besteht die Möglichkeit, die Ausstellung in der Schule zu besuchen.

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