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Gemeinsam zu einem größeren „Wir“

Landeshauptstadtforum "ChancenZeit" in Nordrhein-Westfalen

„ChancenZeit – geMEINsam für Gesellschaft“ lautet das Motto der Konrad-Adenauer-Stiftung zum kontrovers diskutierten Projekt eines Gesellschaftsjahres. Bundesweit führen wir derzeit Veranstaltungen durch, um mit jungen Menschen, Fachpublikum und der interessierten Öffentlichkeit über die Frage eines Gesellschaftsdienstes zu diskutieren. Das Politische Bildungsforum NRW hatte dazu zum Landeshauptstadtforum in die Jugendherberge Düsseldorf geladen. Hier stand die Fragestellung im Mittelpunkt, wie ein Dienst an der Gesellschaft überhaupt aussehen könne.

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„Das Thema habe viele Facetten“, stellte die Landesbeauftragte und Leiterin des Politischen Bildungsforums NRW, Dr. Ulrike Hospes, in ihrer Begrüßung fest. Es gehe nicht nur um schwarz oder weiß, ja oder nein – eben nicht nur um die Frage der Verpflichtung oder Freiwilligkeit. „Wir wollen ein größeres ‚Wir‘“, unterstrich Ulrike Hospes den Grund für die Konrad-Adenauer-Stiftung, sich mit der Debatte um ein Gesellschaftsjahr zu beschäftigen. Ein Dienst an der Gesellschaft könne ein Instrument für die Stärkung des Zusammenhalts sein. Dafür müssten aber alle Ideen, Chancen und Vorschläge eingebracht und grundlegend diskutiert werden.  

Dass das Thema durchaus auch emotional werden könne, stellte die Journalistin Sandra Wahle gleich zu Beginn ihrer Moderation fest. Ziel der Veranstaltung sei es jedoch, Argumente auszutauschen und zu diskutieren. Denn die Konrad-Adenauer-Stiftung wolle Meinungen hören, Vorschläge sammeln und Erfahrungen einbringen.

Natalie Klauser, Referentin Demographischer Wandel in der Hauptabteilung Analyse und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung, erläuterte in ihrem Überblick, dass die Debatte um ein gesellschaftliches Engagement keineswegs neu sei. Bereits mit der Wiedereinführung des Wehrdienstes habe es 1956 die Möglichkeit eines sozialen Ersatzdienstes gegeben. Und mit der Aussetzung eben dieser Wehrpflicht sei 2011 die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes einhergegangen. Die aktuelle Debatte zu einem Gesellschaftsjahr wurde zu verschiedenen Zeitpunkten durch Annegret Kramp-Karrenbauer oder auch durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angeregt. Denn das aktuelle Problem sei, dass nur wenige junge Menschen einen Freiwilligendienst leisten. Die Dienste seien zu unbekannt, es gebe finanzielle Befürchtungen und insgesamt würden die jungen Menschen die Chancen für sich nicht erkennen. Eben diese Chancen gelte es in den Mittelpunkt zu stellen, plädierte Klauser. Vorherrschend in der aktuellen Debatte sei die Frage nach einer Verpflichtung oder einer Freiwilligkeit. Gegen eine Verpflichtung spreche beispielsweise ein unzulässiger Eingriff in den persönlichen Lebenslauf. Bei der Einführung eines verpflichtenden Dienstjahres müsse eine Grundgesetzänderung vorgenommen werden (Art.12a). Zudem müsse es zu einer deutlichen Befähigung der Strukturen kommen. Denn bisher leisten nur rund 12 % eines Jahrgangs einen Freiwilligendienst. Als Argumente für eine Einführung nannte Klauser Vorteile für die berufliche Zukunft und Orientierung; die Ausübung einer sinnstiftenden Tätigkeit, um Mitmenschen zu unterstützen; bereichernde persönliche Erfahrungen; den Mehrwert für die Gesellschaft als Ganzes; Stärkung des Katastrophenschutzes, Aufwertung der Bundeswehr sowie ziviler Hilfsorganisationen; Begegnung von Menschen mit verschiedenem sozialen oder kulturellen Hintergrund.      

Als Vertreter des ijgd (Internationale Jugendgemeinschaftsdienste) unterstrich Tim Romankiewicz das Manko, dass viele Angebote der Freiwilligenarbeit nicht bekannt seien. Neben dem oftmals bekannten Freiwilligen Sozialen Jahr in Senioreneirichtungen oder in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung gebe es ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege, im Politischen Leben, in Wissenschaft, Technik und Nachhaltigkeit oder auch ein Freiwilliges Ökologisches Jahr. Tim Romankiewicz sprach sich dafür aus, die vorhandenen Strukturen zu stärken, bevor viel Geld in die Schaffung neuer Strukturen fließen würde. Etwa 100.000 Menschen leisteten derzeit einen Freiwilligendienst; die ijgd seien einer von vielen Trägern. „Das FSJ ist eine besondere Form. In Vollzeit und nur für ein Taschengeld leisten Menschen einen Dienst an der Gesellschaft.“ Dabei dürfe das FSJ in keiner Einsatzstelle als Ersatz für eine Vollzeitstelle gesehen werden. Der Freiwilligendienst sei vielmehr ein „Erfolgsmodell mit wahnsinnigem Mehrwert“. Dazu zähle sicherlich die persönliche Weiterentwicklung. Deutlich sprach sich Romankiewicz für die Freiwilligkeit aus. Ohne Freiwilligkeit gebe es seiner Ansicht nach kein langfristiges Engagement.

Eingebunden in die Diskussion wurden die Standpunkte von Florian Braun, Mitglied des Landtags NRW, Clarissa Engels, stellvertretende Sprecherin des Technischen Hilfswerks in NRW sowie von Eileen Egbert und Paul Burgbacher, die ein Freiwilliges Soziales Jahr im Politischen Leben bei der Konrad-Adenauer-Stiftung absolviert hatten. Florian Braun warf die Frage auf, ob sich nicht viel mehr Menschen ehrenamtlich engagieren könnten. „Wir leben in einem tollen Land. Während unseres Lebens können wir immer in eine Situation kommen, in dem wir die Vorzüge dieses Staates in Anspruch nehmen müssen. Aber was geben wir eigentlich für den Staat?“ Seine eigene Erfahrung als Wehrdienstleistender bezeichnete Braun als Gewinn für seine Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche Bindung. Denn er sei mit Menschen in Kontakt gekommen, die ihm auf anderem Wege wahrscheinlich nicht begegnet wären.

Ihre Erfahrungen konnte ebenso Clarissa Engels teilen. Auch das THW bietet Stellen für den Freiwilligendienst. Doch die Bekanntheit dieser Dienste sei auch das Problem des THW. In ihrem Statement betonte Engels, dass eine kurze Dauer eines Freiwilligendienstes keinen Mehrwert hätte. Gerade beim THW bestünde eine hohe Anforderung an die Qualifikation der Einsatzkräfte. „Wir brauchen Menschen länger als nur ein Jahr“, so Engels.   

Eine weitere Sichtweise brachte Eileen Egbert als ehemalige FSJ´lerin ein. Sie bezeichnete das FSJ als „ein Privileg“ für diejenigen, die es sich leisten können. Man müsse es vielmehr all denen ermöglichen, die es möchten sowie eben denjenigen, die es sich nicht leisten können. Ein FSJ dürfe nicht an der finanziellen Machbarkeit und nicht an mangelnden Einsatzstellen scheitern. Sonst verliere man gerade die Motivierten. Ein Plädoyer für Freiwilligkeit und das Kriterium der Motivation äußerte auch Paul Burgbacher. Gleichzeitig unterbreitete er den Vorschlag, einen verkürzten Freiwilligendienst von einem halben Jahr anzubieten, der sich auf Wunsch des Absolventen auf ein Jahr verlängern könne.

Weitere Vorschläge der Ausgestaltung kamen aus dem Publikum. Diese bezogen sich sowohl auf den Zeitpunkt eines Dienstbeginns als auch auf das Alter eines Dienstleistenden. Vorgeschlagen wurde alle Lebensphasen eines Menschen für einen Freiwilligendienst in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus könne in der Schule daraufhin gewirkt werden, dass die Möglichkeiten eines Freiwilligendienstes insgesamt bekannter und als attraktiv wahrgenommen würden. Es müsse vielmehr darüber kommuniziert werden.

Einen großen Teil der Diskussion nahmen die Fragestellung der Verpflichtung oder Freiwilligkeit sowie der Aspekt der Attraktivität eines Dienstes ein. Attraktivität wurde wiederholt mit besserer finanzieller Ausstattung gleichgesetzt. Freie Fahrt im ÖPNV während des FSJ lautete ein weiterer Vorschlag. Gleichwohl zähle zur Attraktivität die Begegnung untereinander. So müsse mit einer Ausweitung auch eine Struktur geschaffen werden, die es ermöglicht, dass sich Dienstleistende in Seminaren begegnen können, lautete eine Stimme aus dem Publikum. Nicht eindeutig fiel das Votum für oder gegen eine Verpflichtung aus. Einerseits wurde eine Verpflichtung mit Zwang und der Austragung politischer Verfehlungen vergangener Jahre auf dem Rücken kommender Generationen gleichgesetzt, andererseits wurde eine Verpflichtung mit dem Argument befürwortet, jungen Menschen Einblicke in Bereiche der Arbeitswelt zu gewähren, die sie eigenständig nicht wahrnehmen würden.

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmenden in einer Abschlussrunde allerdings darüber, dass es bei der Ausgestaltung eines gesellschaftlichen Engagements zu einer Veränderung kommen müsse. „Den Status quo können wir so nicht beibehalten“, formulierte Florian Braun. Es müsse zu einer Auseinandersetzung mit freiwilligem Engagement kommen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird diesen Prozess begleiten.

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