Rapports pays
Gleichzeitig brachte der ägyptische Präsident die Terroraktionen jedoch mit den fehlenden Fortschritten bei der Lösung des Nahostkonflikts in Verbindung. Solange es dort keine fühlbaren Fortschritte gäbe, bestünde immer wieder die Gefahr neuer Terror- bzw. Selbstmordattentaten, wie denen in New York und Washington.
Ebenso verwies es darauf, dass dieser "Krieg gegen den internationalen Terrorismus" allerdings so wenig wie möglich zivile Opfer haben und auf keinen Fall weitere arabische bzw. islamische Staaten einschließen dürfe.
Er betonte wiederholt, dass diese Art von Terrorismus sowohl die politischen als auch die ökonomische Interessen der gesamten Menschheit tangiere und weltweite Auswirkungen zu zeitigen vermag. Deshalb habe er bereits Mitte der 80er Jahre, als Ägypten insgesamt und die ägyptische Regierung im besonderen zur Zielscheibe von Terrorakten fundamentalistischer, islamischer Gruppen geworden war, dazu aufgerufen, diesem neuen Phänomen des internationalen Terrorismus im Rahmen einer internationalen Konferenz unter der Ägide der Vereinten Nationen entgegenzutreten und zu gemeinsamen, internationalen Standards und Übereinkommen zur weltweiten Terrorismusbekämpfung zu gelangen.
Damals, so betont der ägyptische Präsident in öffentlichen Stellungnahmen in jüngster Zeit immer wieder, hatte er wenig Interesse seitens der internationalen Staatengemeinschaft und vor allem auch der us-amerikanischen Regierung gespürt, eine solche Konferenz zu befürworten. Viele sahen diesen Vorschlag als einen auf nationale, ägyptische Belange abtstellenden Vorschlag an, der zu schwierigen Abgrenzungsfragen hinsichtlich dessen, was man unter Terrorismus verstehen w(s)ollte, führen würde.
Aus diesen Gründen verwarf man damals diesen Vorschlag und auch heute sehe er wenig positive Resonanz auf seine Idee, obwohl es offensichtlich erscheint, dass an der Frage, was Terrorismus ist und wie man ihn weltweit am besten bekämpft, über kurz oder lang Einvernehmen erzielt werden muss, wenn eine solche Kampagne, wie die jetzt vom us-amerikanischen Präsidenten initiierte, zum Erfolg führen soll.
Mit großem Bedauern verwies Mubarak auf seine damals, abgewiesenen Forderungen an einige europäischen Staaten, in Ägypten überführte und verurteilte Terroristen, denen zwischenzeitlich in genau diesen europäischen Staaten politisches Asyl bzw. Abschiebeschutz gewährt worden war, an Ägypten auszuliefern. Einige dieser Terroristen hätten sich schließlich auch dem Netzwerk Osama Bin Laden's angeschlossen und sind an den jüngsten Terroranschlägen offensichtlich beteiligt. Hätte man damals den Auslieferungsgesuchen der ägyptischen Regierung stattgegeben, hätten möglicherweise einige der inzwischen erfolgten Aktionen verhindert oder unterbunden werden können.
Allein die Frage, ob die Kampfhandlungen in Afghanistan während des Ramadan unterbrochen werden sollten, blieb seitens des ägyptischen Präsidenten, wohl nicht zuletzt mit Blick auf die Ereignisse zu Beginn des "Yom Kippur Kriegs" im Jahre 1983, bisher unbeantwortet.
Der ägyptische Präsident betonte allerdings, dass nun einerseits vermieden werden müsse, den (noblen) Islam mit dem Terrorismus ursächlich in Verbindung zu bringen und andererseits den Verurteilungen eine präzise Begrifflichkeit zugrunde zu legen.
Es ginge schließlich, seiner Meinung nach, nicht an, dass nun etwa palästinensische Befreiungskämpfer, die schließlich ein international gesichertes Recht auf Widerstand hätten, plötzlich als Terroristen abqualifiziert und auf eine Stufe mit den Anhängern Bin Ladens gesetzt werden. Er bezog sich dabei offensichtlich auf Bestrebungen der US Administration, jetzt Organisationen wie Hizbollah und Hamas auf die gleiche Stufe mit den El Qaida Terroristen zu stellen.
Diese Bestrebungen finden momentan auch die ungeteilte Ablehnung der allermeisten politischen Kommentatoren im Land, die in großer Zahl weniger die Militäraktionen begrüßen, als die in ihren Augen unsaubere Begrifflichkeit der US Administration kritisieren. Man könne schließlich nach ihrer Meinung die Taliban und die mit ihnen verbündeten Mujaheddin nicht nach Belieben einmal als "Freiheitskämpfer gegen den Kommunismus" und ein anderes Mal als "Terroristen" einordnen.
Ägyptische Intellektuelle verwiesen in verschiedenen Kommentaren auch immer wieder auf den "double-standard" etwa in der Einschätzung der französischen Befreiungs-/Widerstandbewegung (Resistance) als Freiheitskämpfer, und den Versuch die palästinensische Befreiungsbewegung jetzt als "terroristisch" zu qualifizieren, obwohl nach internationalem Recht die Aktionen beider Gruppen nach ihrem Dafürhalten gedeckt seien.
Wenn angesichts solcher Probleme der Begrifflichkeit auch keine Konferenz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gemäss den Vorstellungen des ägyptischen Präsidenten zustande kommen wird, so erscheint doch unzweifelhaft, dass der wirtschaftliche Schaden dieser Terrorakte so groß sein wird, dass man eine Verschlimmerung der ohnehin schon rezessiven Tendenzen in einigen wichtigen Industriestaaten erwarten muss.
Davon sollte, trotz entsprechender, beruhigender Äußerungen des ägyptischen Präsidenten, wohl nicht zuletzt auch Ägyptens Wirtschaft betroffen sein.
Wirtschaftliche Folgen des Terroranschlags in Ägypten Unmittelbar nach den Ereignissen in Washington und New York verbreitete die ägyptische Regierung noch Optimismus, was die möglichen negativen wirtschaftlichen Folgen diese Terroranschlags für Ägypten anging. Man ging davon aus, dass zwar ein vorübergehender wirtschaftlicher Rückschlag zu erwarten sei.
So erwartete der ägyptische Wirtschaftsminister Boutros Ghali nur einen kurzfristigen und dabei maximalen Rückgang des ägyptische Bruttosozialprodukts um 7% entsprechend 6 Mrd. LE. Kritischere Stimmen etwa aus dem "Institute of National Planning (INP)" rechnen dagegen mit langfristigen, für die ägyptische Wirtschaft verheerenden Folgen und forderten eine Mobilisier-ung der ägyptischen Wirtschaft , wie vorher nur im Kriegsfalle.
In einem speziell angefertigten und publizierten Dossier bezifferten die Wirtschaftswissen-schaftler des NPI den möglichen Rückgang des ägyptischen Bruttosozialprodukts auf 10 - 12%, also eher mehr als 10 Mrd. LE.
Einig waren sich jedoch beide Seiten, dass es vor allen Dingen vier Sektoren wären, welche am meisten unter den Folgen der Terroranschläge leiden würden:
- Tourismus
- Luft- und Seetransport
- Exportwirtschaft
- Investitionssektor
Rechnete der verantwortliche ägyptische Tourismusminister El Beltagui vor den Anschlägen noch mit Einnahmen im Tourismussektor im laufenden Haushaltsjahr 2001 in Höhe von 4,3 Mrd. US$ und Mehreinnahmen aus dem Tourismus in Höhe von 10 Mrd. US$ in den nächsten 5 Jahren, so musste er bereits wenige Tage nach den schrecklichen Ereignissen vom 11. September 2001 eingestehen, dass sich die Zahl der Touristen bereits im Zeitraum vom 11. - 30 September gegenüber dem Vorjahr um immerhin 18% verringert hatte und er deshalb wenig Chancen sehe, selbst die inzwischen schon konjunkturbedingt gegenüber dem Vorjahr (44,5 Mrd. US$) leicht reduzierten Einnahmeschätzungen im Tourismussektor im Jahre 2001 zu realisieren.
Vielmehr ginge er jetzt davon aus, dass eine zügige Beendigung der Militäraktionen unterstellend bereits im kommenden Frühjahr wieder mit einer Normalisierung der Lage im ägyptischen Tourismussektor zu rechnen sei. Immerhin erwarte der Minister in den kommenden drei Monaten noch eine weitere Abschwächung der Tourismus nach Ägypten von den jetzt bekanntgewordenen 18% auf Werte in der Größenordnung von 35 - 40%.
Weniger optimistisch zeigen sich dagegen die Ökonomen des National Planning Institute (NPI), welche in den kommenden 12 Monaten mit einem Rückgang der Tourismuseinnahmen gegenüber dem Vorjahr um bis zu 70% und damit in einer Größenordnung von 2,7 Mrd. US$ rechnen, wobei sie mit einer länger andauernden Militäraktion der Vereinigten Staaten rechnen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Devisenbilanz Ägyptens sind natürlich die Überweisungen ägyptischer Gastarbeiter einnahmen, bei denen die Regierung jetzt von einem Rückgang in Höhe von 20% entsprechend 600 Mio. US$ ausgeht, wohingegen die Fachleute des NPI eher mit einem Rückgang in Höhe von 50% d.h. einer Reduzierung der Überweisungen im kommenden Jahr von jetzt 3,75 Mrd. US$ auf dann nur noch 1,9 Mrd. US$ rechnen.
Was den See- und Luftfrachtverkehr angeht, so erwartet die ägyptische Regierung einen Einnahmerückgang im Umfang von nur 35% (ca. 350 Mio. US$), wenn es der Regierung gelingt, dass die inzwischen erfolgte Klassifizierung des Luftraums bzw. der Gewässer Ägyptens als "Kriegsgebiet" - was eine Erhöhung der Versicherungsprämien um nahezu 50% nach sich zog - wieder zurückgezogen wird. Sollte dies nicht gelingen bzw. der Konflikt in Afghanistan sich in die Länge ziehen, erwarten die Experten des NPI einen Rückgang der Einnahmen dagegen von mindestens 50% bzw. einen Rückgang von jetzt 862 Mio. US$ auf nur noch 433 Mio. US$.
Ausnahmsweise einig sind sich Regierung und Wirtschaftsforschungsinstitut in der Einschätzung, dass sich die Einnahmen aus den Suez-Kanalgebühren um etwa 10% also ca. 184 Mio. US$ verringern werden.
Entsprechend negativ wirken sich all diese Einnahmeausfälle auf die ägyptische Zahlungsbilanz aus. Nachdem es der ägyptischen Regierung gerade erst im letzten Jahr gelungen war, das Zahlungsbilanzdefizit um 70% (2,1 Mrd. US$) zu verringern, muss jetzt wieder mit einem Anstieg des Defizits von aktuell 853 Mio. US$ für das Haushaltsjahr 2000/2001 auf 1,8 Mrd. US$ im kommenden Haushaltsjahr 2001/2002 gerechnet werden.
Leidet der ägyptische Exportsektor bereits an dem gesunkenen Ölpreis - im vergangenen Jahr machte der Ölexport wertmäßig 37% der gesamten ägyptischen Exporte aus- so werden wohl auch die ägyptischen Exporte, die zu nahezu 50% in die Vereinigten Staaten und Europa fließen, unter den aktuellen politischen Entwicklungen leiden.
Die ägyptische Regierung rechnet allerdings im kommenden Jahr nur mit Verlusten bei den Exporterlösen in der Größenordnung von 10%, weil sie glaubt, dass die jüngst erfolgte Wechselkurskorrektur das ägyptischen Pfund (LE) gegenüber anderen Währungen vor allem im arabischen Raum zu kompensierenden Exportsteigerungen führen werden.
Was nun die ausländischen Direktinvestitionen und Einkünfte aus Kapitalanlagen im Ausland (amerikanische Staatsanleihen) angeht, sind sich Regierung und Wissenschaft wieder einig. Beide unterstellen einen Einnahmerückgang aufgrund der Zinssenkungen bei amerikanischen Staatsanleihen im Umfang von 180 Mio. US$, wobei jedes halbe Prozent Zinssenkung den ägyptischen Staat noch einmal etwa 180 Mio. US$ kostet.
Bei den ausländischen Direktinvestitionen erwartet das NPI einen weiteren Rückgang um 50%, nachdem bereits im vergangenen Jahr ein Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen von 1,6 Mrd. US$ auf 509 Mio. US$ zu verzeichnen gewesen war. Die Regierung ist in diesem Fall etwas optimistischer und rechnet nur mit einem weiteren Rückgang um 25%, da sie glaubt, dass Investoren aus den Golfstaaten einen Teil der Investitionsausfälle der westlichen Staaten kompensieren werden.
Insgesamt glauben die Mitglieder des NPI, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die ägyptische Regierung durch allgemeine Steuererleichterungen einen überfälligen Beitrag zur Überwindung der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Folge der Terroranschläge und den militärischen Aktionen in und um Afghanistan zu leisten hat. Gleichzeitig befürwortet man Importeinschränkungen vor allem des Staatssektors. Sollten diese Schritte nicht umgehend eingeleitet werden, erwarten die Wissenschaftler eine weitere Verschärfung der ohnehin nicht rosigen konjunkturellen Lage in Ägypten.
Die Terrorakte im Spiegel der ägyptischen öffentlichen Meinung Einen Monat nach dem furchtbaren Terroranschlag in den Vereinigten Staaten brachte eine erste repräsentative Umfrage ein erstes Stimmungsbild der Reaktion der ägyptischen Bevölkerung auf die Ereignisse in New York und Washington und die inzwischen eingeleiteten militärischen Maßnahmen in Afghanistan.
In einer ersten Umfrage der Fakultät für Massenkommunikation der Universität Kairo, unter der Leitung des Institutsleiters Sami Abdel Aziz, welche ca. 500 Personen beiderlei Geschlechts umfasste, äußerten nahezu die Hälfte (49%) der Befragten auf die Frage, was sie nach den schrecklichen Fernsehbildern empfanden, dass sie schockiert waren, 32% äußerten Mitgefühl mit den Opfern und 21% große Sorgen, was die nahe Zukunft anginge.
Auf die Frage, wen sie hinter den Terrorakten vermuten bzw. für diese Anschläge verantwortlich machen, betrachteten nur ganze 10% der Befragten den bis dahin Hauptverdächtigen: Osama Bin Laden als möglichen bzw. wahrscheinlichen Drahtzieher, 25% der Befragten waren dagegen der Ansicht, dass jüdische Organisationen hinter dem Attentat stünden, weitere 22% vermuteten, dass es sich bei den Hintermännern der Attentate um rechtsradikale amerikanische Gruppen handeln würde. Immerhin glaubten 20% der Befragten, dass es sich bei den Attentätern wohl um Gruppen handeln müsse, die in der einen oder anderen Form mit der amerikanischen Politik (im Nahen Osten) nicht einverstanden sein würden.
Auf die Frage, ob sie der Bildung einer "Koalition gegen den Terror" bzw. den (zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht begonnenen) Vergeltungs- bzw. Militärmaßnahmen zustimmen würden, verneinten 96% der Befragten einen solchen Schritt. Von diesen betonten 60% sie könnten das Töten von Muslimen durch Muslime niemals befürworten bzw. unterstützen, weitere 20% bezweifelten die Beweislage zu Lasten Osama Bin Ladens bzw. der Taliban Regierung und weitere 10% sympathisierten mit der (unschuldigen) afghanischen Zivilbevölkerung , welche unweigerlich Opfer solcher Militärmaßnahmen werden würde.
Auf die Frage, welchen Ausweg aus der jetzigen Krise, sie für den geeignetsten halten, hielten 40% der Befragten einen internationalen Dialog über Möglichkeiten der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus unter der Ägide der Vereinten Nationen für das probate Mittel, einen Vorschlag also, den der ägyptische Präsident in der Vergangenheit bereits mehrmals gemacht hatte und über den seit dem 11. September in der ägyptischen Presse immer wieder ausführlich gesprochen worden war. 30% der Befragten sahen in einer Änderung der amerikanischen Außen- bzw. Nahost- Politik das geeignete Mittel zu einer Lösung der existierenden Probleme beizutragen und weitere 20% waren der Meinun g, man müsse jetzt endlich die weltweite Ungleichheit und Armut ernsthaft bekämpfen.
Die ägyptischen Meinungsforscher zeigten sich von dem hohen Informationsstand der Befragten, vor allen Dingen auch solchen mit geringerer Schulbildung, was internationale politische Probleme anging, überrascht. Sie schlossen aus den Antworten der Befragten, dass die ägyptische Bevölkerung insgesamt nichts gegen die Vereinigten Staaten hätte, sich allerdings über die teilweise als unausgewogen und deshalb unfair empfundene Politik der Vereinigten Staaten erregen würden.
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À propos de cette série
La Fondation Konrad-Adenauer est présente avec son propre bureau dans 70 pays du monde sur les cinq continents. Les collaborateurs locaux peuvent rapporter de première main les événements actuels et les évolutions à long terme dans leur pays d'accueil. Leur « rapports nationaux » présentent en exclusivité aux utilisateurs du site Internet de la Fondation Konrad-Adenauer des analyses, des informations de fond et des évaluations.