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Rapports pays

GERB gewinnt erneut bei sechster Parlamentswahl in Folge und ist siegreich auch bei der Europawahl

de Norbert Beckmann-Dierkes, Borislaw Wankow

Ein Land auf der Suche nach politischer Stabilität

Am 9. Juni wurden in Bulgarien zeitgleich mit den Europawahlen zum sechsten Mal in etwas mehr als zwei Jahren Parlamentswahlen durchgeführt, weil sich GERB-SDS und PP-DB im März nicht auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit in der Regierung durch einen vorher vereinbarten Wechsel des Ministerpräsidenten nach neun Monaten verständigen konnten. Der bis dahin amtierende Ministerpräsident Nikolaj Denkow von PP-DB sollte von Maria Gabriel von GERB abgelöst werden, wozu es aber aufgrund interner Widersprüche in PP-DB nicht kam.

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Wahlen zum nationalen Parlament

Die Wahlumfragen haben sich größtenteils bewahrheitet, allerdings gingen die Meinungsforscher von einer höheren Wahlbeteiligung aus. Diese lag bei 33,8%, der niedrigste Wert in der neuen bulgarischen Geschichte seit der ersten freien Wahl 1990.

 

Wahlsieger wurden die EVP-Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) und ihr Koalitionspartner, die EVP-Partei „Union Demokratischer Kräfte“ (SDS) mit 24,7%, gefolgt von der formell liberalen, vorwiegend die türkische Minderheit vertretenden „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS) mit 17,1%, der Koalition PP-DB aus der bürgerlichen (liberalen) „Wir setzen den Wandel fort“ (PP) und dem bürgerlichen Demokratischen Bulgarien (DB), das seinerseits eine Koalition aus der EVP-Partei „Demokraten für ein starkes Bulgarien“ (DSB) und der Partei „Ja, Bulgarien“ ist, die für die EVP kandidiert, mit 14,3%. Danach kommen die nationalistische prorussische „Wasraschdane“ (Wiedergeburt) mit 13,8%, die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) mit 7,1%, die Partei „Es gibt so ein Volk“ (ITN) mit 6% und die neue Partei „Welitschie“ („Größe“ oder auch „Großartigkeit“), die auf 4,7% kommt und damit die 4%-Hürde für den Einzug ins Parlament überwindet.

 

Die Doppelwahlen haben teilweise zu erheblichen technischen Problemen geführt, in manchen Wahlkreisen sollen bis zu 80% der Wahlprotokolle nicht korrekt ausgefüllt worden sein.

 

Der Vorsitzende der Partei „Ja, Bulgarien“, Hristo Iwanow sowie die Vorsitzende der BSP, Kornelia Ninowa, haben inzwischen ihren Rücktritt erklärt. Es gab und gibt seitens der Parteien keine großen Kommentare und Analysen des Wahlausgangs.

 

Partei/en

Wahlergebnis

9. Juni 2024

Wahlergebnis

2. April 2023

Gewinne/Verluste

GERB-SDS (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens, Union demokratischer Kräfte) 24,7% 26,5% 1,8%
DPS (Bewegung für Rechte und Freiheiten) 17,1% 13,6%

+ 3,5%

PP-DB (Wir setzen den Wandel fort) – DB (Demokratisches Bulgarien) 14,3% 24,6% 10,3%
Wasraschdane (Wiedergeburt) 13,8% 14,2% -0,4%
BSP (Bulgarische Sozialistische Partei) 7,1% 9,0% -2,9%
ITN (Es gibt so ein Volk) 6,0% 4,2% +1,8%

Welitschie

(Größe, Großartigkeit)
4,7% - +4,7%

 

Analyse

Die niedrige Wahlbeteiligung ist ein klares Indiz für die zunehmende, inzwischen stark ausgeprägte Politikverdrossenheit in der Bevölkerung, denn 2/3 der Bulgaren haben es vorgezogen, am Wahltag nicht zu den Urnen zu gehen. Das ist auf die vielen Urnengänge innerhalb kurzer Zeit zurückzuführen. Die meisten Parteien haben sowohl prozentual als auch in Absolutzahlen Wähler verloren, besonders drastisch PP-DB, die von 621 000 Stimmen bei der letzten Wahl 2023 auf 308 000 Stimmen absacken. Ihre Wähler haben ihnen offenbar die zeitweilige Zusammenarbeit mit GERB in der Denkow-Regierung angekreidet, weil sie sich ursprünglich gegen GERB positioniert hatten. Auch GERB sinkt von 670 000 auf 526 000 Stimmen. Obwohl die DPS keine allzu großen Zugewinne erzielt, wird sie zweitstärkste Kraft, weil sie vorwiegend von der türkischen Minderheit gewählt wird, die stets sehr diszipliniert an die Urnen tritt und infolgedessen das relative Gewicht der Partei bei einer geringen Wahlbeteiligung steigt. Deshalb ist ihr zweiter Platz keine Überraschung. Die nationalistische „Wasraschdane“ verliert 62 000 Stimmen. Die in den 1990er Jahren noch mächtigen Sozialisten büßen ein Drittel ihrer zuletzt von Wahl zu Wahl schrumpfenden Wählerschaft ein und kommen gerade einmal auf 151 000 Stimmen. ITN legt zu und „Welitschie“ (Größe) gelingt mit aus dem Stand 100 000 Stimmen, wohl auch begünstigt durch die niedrige Wahlbeteiligung, der Einzug ins Parlament.

 

Der Erfolg von „Welitschie“ war für viele unerwartet. Diese vor einem Jahr eingetragene Partei ist nationalistisch und russlandfreundlich, formell aber nicht gegen die NATO. Einer ihrer bekannten Aktivisten kommt aus dem Geheimdienst, der für Personenschutz zuständig ist.  Die Partei hat ihren Wahlkampf vorwiegend online und insbesondere in den sozialen Medien geführt.

 

Die angespannten Beziehungen zwischen Bulgarien und Nordmazedonien spielten im Wahlkampf keine Rolle.

 

Die erklärtermaßen proeuropäischen Parteien haben bei dieser Wahl zum nationalen Parlament formell eine große Mehrheit erzielt. Ausgesprochen euroskeptische – und russlandfreundliche - Parteien wie „Wasraschdane“ und vielleicht die neue „Welitschie“ vermochten trotz der historisch begründeten, in der bulgarischen Gesellschaft relativ weit verbreiteten Sympathien für Russland keinen größeren Durchbruch zu erzielen.

 

Regierungsbildung

Trotz des insgesamt guten Abschneidens der Parteien im bürgerlichen Spektrum gestaltet sich die Regierungsbildung erneut problematisch. Eine Neuauflage der Koalition GERB und PP-DB ist rechnerisch ohne mindestens einen weiteren Partner nicht mehr möglich, da sie über keine absolute Mehrheit mehr verfügt. Auch sind die bestehenden Ressentiments zwischen ihnen nach den Wahlen eher größer geworden. Andere Koalitionen sind rechnerisch möglich, aber politisch bedenklich und schwer umsetzbar. Es sind zahlreiche Spekulationen im Umlauf, angefangen von einer Minderheitsregierung von GERB über verschiedene „überparteiliche Expertenregierungen“ bis hin zu neuen vorgezogenen Wahlen.

 

Wahlen zum Europäischen Parlament

Bei einer Wahlbeteiligung von 34,4% brachten die Europawahlen in Bulgarien ein Ergebnis, das kaum von dem der Wahlen zum nationalen Parlament abweicht, nur dass die Partei „Welitschie“ kein Mandat erringt, weil sie auf 4,1% kommt und damit unter der Hürde für den Einzug in das Europaparlament liegt, die in Bulgarien 5,88% beträgt: GERB 23,5% (5 Sitze), DPS 14,7% (3 Sitze), PP-DB 14,4% (3 Sitze), „Wasraschdane“ 14% (3 Sitze), BSP 7% (2 Sitze) und ITN 6% (1 Sitz).

 

Allerdings sind die europäischen Fragen im Wahlkampf nahezu vollständig ausgeblendet worden, weil sie von den innenpolitischen Themen infolge der gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen in den Hintergrund gedrängt wurden.

 

Partei/en

Wahlergebnis

9. Juni 2024

Wahlergebnis

26. Mai 2019

Gewinne/Verluste

GERB-SDS (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens, Union demokratischer Kräfte) 23,5% 31,1% -1,8%
DPS (Bewegung für Rechte und Freiheiten) 14,7% 16,5% + 3,5%
PP-DB (Wir setzen den Wandel fort) – DB (Demokratisches Bulgarien) 14,4% - +14,4%
Wasraschdane (Wiedergeburt) 14,0% - +14,0%
BSP (Bulgarische Sozialistische Partei) 7,0% 9,0% -2,0%
ITN (Es gibt so ein Volk) 6,0% - +6,0%

Welitschie

(Größe,

Großartigkeit)
4,1% - +4,1%

 

Da es in Bulgarien möglich ist, einzelnen Kandidaten Präferenzen zuzuschreiben und derart die Listen teilweise erheblich neu zu ordnen, wovon sowohl bei den Parlaments- als auch den Europawahlen eifrig Gebrauch gemacht wurde, ist es noch nicht möglich zu sagen, welche konkreten 17 Abgeordnete aus Bulgarien nach Brüssel entsandt werden. Darüber hinaus war es zulässig, gleichzeitig für das nationale und das europäische Parlament zu kandidieren und sich dann für eines der beiden Ämter zu entscheiden, und das haben manche Kandidaten noch nicht gemacht.

 

Ansonsten hat auch das Votum für das Europaparlament eine klare proeuropäische Mehrheit erbracht. Offen euroskeptisch ist im Grunde nur die „Wasraschdane“-Partei, die drei der insgesamt 17 bulgarischen Europaabgeordneten stellen wird.

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Interlocuteur

Norbert Beckmann-Dierkes

Norbert Beckmann-Dierkes bild

Leiter der Auslandsbüros Bulgarien

norbert.beckmann@kas.de +359 2 943-4388 | +359 2 943-4390 +359 2 943-3459

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À propos de cette série

La Fondation Konrad-Adenauer est présente avec son propre bureau dans 70 pays du monde sur les cinq continents. Les collaborateurs locaux peuvent rapporter de première main les événements actuels et les évolutions à long terme dans leur pays d'accueil. Leur « rapports nationaux » présentent en exclusivité aux utilisateurs du site Internet de la Fondation Konrad-Adenauer des analyses, des informations de fond et des évaluations.