Die neue Freiheitsbewegung Gibanje Svoboda (GS) unter der Führung Robert Golobs ist mit 41 Mandaten als überraschend deutlicher Sieger aus den Wahlen hervorgegangen. Dieses Resultat bedeutet, dass die GS - ein Neuling bei den Wahlen - wahrscheinlich die nächste Regierung in einer Koalition mit kleineren Mitte-links Parteien bilden wird.
Parlamentswahlen in Slowenien
Slowenien steht 2022 ein herausforderndes Superwahljahr bevor. Den Auftakt dazu bildeten die Parlamentswahlen am 24. April 2022. Rund 1.7 Millionen Wahlberechtigte waren am Sonntag dazu aufgerufen, an den Parlamentswahlen ihres Landes teilzunehmen; dabei waren diese die ersten planmäßig abgehaltenen Wahlen seit 2008 und verzeichneten die höchste Wahlbeteiligung seit 22 Jahren, mit rund 70%.
Die slowenische Volksvertretung setzt sich aus einem Zwei-Kammer-Parlament zusammen und besteht aus der Staatsversammlung (Parlament) und dem Staatsrat. Sloweninnen und Slowenen wählen die 90 Abgeordneten der Staatsversammlung in acht Wahlkreisen, in welchen wiederum jeweils elf Mandate vergeben werden. Zwei der neunzig Sitze sind für Vertreter der ungarischen und italienischen Minderheit vorgesehen, die nach dem Mehrheitswahlrecht in zwei besonderen Wahlkreisen gewählt werden.
Ein prägendes politisches Phänomen und eine Besonderheit Sloweniens ist seine zersplitterte Parteienlandschaft, die traditionell als sehr beweglich charakterisiert wird. Golobs’ Freiheitsbewegung ist dabei ein gutes Beispiel: Teils werden erst wenige Wochen vor den Wahlen neue Parteien, Listen und Bewegungen gegründet, die ernstzunehmende Konkurrenz für Parlamentsparteien darstellen. So setzen die Sloweninnen und Slowenen mit Golob zum vierten Mal auf einen Newcomer in der politischen Sphäre, nachdem 2011 der ehemalige Topmanager Janković, 2014 der Rechtsprofessor Cerar und 2018 der Ex-Komiker Šarec das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gewinnen konnten.
Ausgang der Wahlen
Die Sieger und Verlierer der Parlamentswahlen stehen nun also fest. Umfragen zufolge war zunächst ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der amtierenden SDS von Premierminister Janša und der neugegründeten ökosozialen Freiheitsbewegung zu erwarten. Doch die Bewegung des Ex-Topmanagers Golob ging als stärkste Parlamentskraft mit 34,56% und 41 Sitzen aus den Wahlen hervor, gefolgt von der SDS des Noch-Ministerpräsidenten mit 23,52% bzw. 27 Sitzen. Es folgen die Christdemokraten der NSi mit 6,85% der Stimmen und acht Sitzen, die Sozialdemokraten (SD) mit 6,65% der Stimmen bzw. sieben (zuvor 10) Sitzen und die Linke (Levica) mit 4,38% der Stimmen bzw. fünf Sitzen (zuvor 9). Dagegen scheiterte die PoS-Allianz (Verbinden wir Slowenien), die Liste Marjan Šarec (LMŠ), die Partei Alenka Bratušek (SAB), die ND sowie die Rentnerpartei DeSUS und die rechtsextreme SNS an der nationalen Sperrklausel von 4% und verpassen so den Einzug ins Parlament. Damit verringert sich die bisherige Zahl von neun auf fünf Parteien im Parlament und eröffnet zum ersten Mal seit den 90er Jahren die Möglichkeit einer Regierungsbildung aus nur zwei Parteien.
Koalitionsmöglichkeiten
Trotz der Niederlage gegen Golobs’ Freiheitsbewegung hat die Partei des Ministerpräsidenten Janša gute Ergebnisse erzielt - so zieht die SDS mit einem ähnlichen Ergebnis wie im Jahr 2018 in das Parlament ein und verzeichnet kaum Verluste an der eigenen Wählerbasis. Gleiches trifft auch auf die Christdemokraten der NSi zu. Dennoch ist der Versuch, die im Parlament nicht vertretene EVP-Partei SLS (Slowenische Volkspartei) mittels einer Listenverbindung mit anderen kleinen Parteien als Mehrheitsbeschaffer in das Parlament zu bringen, gescheitert. Damit scheitert auch sehr wahrscheinlich die Bildung einer konservativen Koalition, da der SDS und NSi ohne die SLS und weiteren Mitte-rechts Parteien Koalitionspartner fehlen. Da ein Bündnis mit der NSi die erforderliche Mehrheit von 46 Sitzen deutlich verfehlen würde, gilt eine erneute Regierung um Janez Janša als nahezu ausgeschlossen.
Als wahrscheinlich gilt eine Mitte-links-Koalition des Wahlsiegers Golob und seiner Freiheitsbewegung GS mit den Sozialdemokraten (SD) unter der Führung von Tanja Fajon. Gemeinsam würden sie auf 49 Sitze kommen und somit die benötigte Mehrheit sichern. Ob sich Luka Mesec’ Levica (die Linke) dieser möglichen Formierung anschließt, wie die Regierung gebildet und wer schließlich das Amt des Premierministers bekleiden wird, bleibt abzuwarten.
Wahlsieger Golob und die Freiheitsbewegung GS – Ausblick auf die Regierungsbildung
Gibanje Svobda (GS) geht als überraschend deutlicher Sieger aus den Wahlen hervor. Dieser Erfolg ist primär darin begründet, dass die Bewegung es geschafft hat, beinahe alle Parteien des linken und liberalen Spektrums - mit Ausnahme der Sozialdemokraten und den Linken - dadurch aus dem Parlament zu drängen, indem sie ihre Stimmen auf sich vereint. Zu sehen ist dies auch an der deutlichen Wählerwanderung im Mitte-links-Lager der diesjährigen Parlamentswahlen - dabei ist Golobs’ Freiheitsbewegung politisch im links-liberalen Spektrum verortet. Die Schwäche des traditionellen linken und liberalen Spektrums wird von vielen Beobachtern auch darauf zurückgeführt, dass diese nicht so sehr programmatische Alternativen in den Mittelpunkt stellten. Im Wesentlichen ging es bei ihren Wahlkämpfen „nur“ darum, eine weitere Amtszeit von Ministerpräsident Janša zu verhindern.
Im Zentrum des Programms der GS stehen die Modernisierung des Wohlfahrtsstaates, der grüne Wandel und die Förderung einer freien, offenen und rechtsstaatlich organisierten Gesellschaft. Es geht um Klimapolitik, Investitionen in neue Generationen von Nukleartechnologien und die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Ebenso soll das Präsidentenamt der Republik institutionell künftig eine größere Rolle spielen, Unternehmenssteuern sollen reformiert, der Verteidigungshaushalt aufgestockt und die Barriere an der Grenze zu Kroatien abgebaut werden.
Robert Golob, der mehr als ein Jahrzehnt an der Spitze des slowenischen Stromversorgungs-unternehmen GHen-I stand, kündigte an, schon innerhalb eines Monats eine neue Regierung bilden zu wollen. Dazu wird er in den kommenden Tagen Verhandlungen mit der SD aufnehmen. Er machte in einem ersten Statement aber deutlich, auch Vertreter der nicht mehr dem Parlament angehörenden Parteien des linken und liberalen Spektrums in Betracht ziehen zu wollen. Noch-Premierminister Janša gratulierte dem Wahlsieger und räumte seine Niederlage ein, betonte jedoch, dass die aktuelle Regierung eine „stabile Basis“ für die Nachfolge geschaffen habe und versprach eine konstruktive Oppositionsarbeit. Das Verhältnis zwischen dem noch amtierenden und dem voraussichtlichen neuen Ministerpräsidenten gilt als angespannt, da Janša angeblich die Ablösung Golobs aus seiner bisherigen Position betrieben haben soll.
Für die beiden EVP-Parteien SDS und NSi ist der Wahlausgang ambivalent. Zwar werden sie vermutlich aufgrund des Mangels von Koalitionspartnern keine Regierung bilden können. Dennoch ist das Abschneiden mit zusammen drei zusätzlichen Mandaten beachtlich.
Bei der Regierungsbildung und der darauffolgenden Regierungsarbeit stellen sich eine Reihe von Fragen, die sich heute noch nicht ohne Weiteres beantworten lassen können. Die wichtigste dieser Fragen betrifft die GS selbst. Sie ist derzeit mehr eine Bewegung denn eine politische Partei. Ihre Homogenität, so sie denn existiert, wird im Wesentlichen von der Person Golobs getragen. Viele Anhänger und auch Wähler der GS stellen sich teilweise widersprechende Erwartungen. Auch ist unklar, wer von Seiten der GS die tragenden Persönlichkeiten in einer neuen Regierung sein werden. Weiter stellt sich die Frage, wie die GS mit einer dezimierten und sehr arrivierten SD in der Regierung zusammenarbeiten kann, vor allem, wenn Golob tatsächlich Ministerposten oder andere herausragende Positionen mit Vertretern anderer Parteien besetzen sollte. Dies würde natürlich auch zu Lasten der SD gehen. Daher stellt sich die Frage, wie stabil eine solche Regierung arbeiten kann.
Schließlich bleibt bis dato die Frage unbeantwortet, welcher europäischen Parteienfamilie sich Golobs’ neugegründete Bewegung künftig anschließen wird.
Dennoch bleibt festzustellen, dass der Wahlausgang, insbesondere auf der linken und liberalen Seite des politischen Spektrums eine Zäsur darstellt, zumindest für den Augenblick. Er ist auch ein Ausdruck der Unzufriedenheit großer Teile der slowenischen Bevölkerung mit dem bisherigen politischen System.
Wahlergebnisse
Partei |
politisches Spektrum |
Gibanje Svoboda |
Mitte-links, ökosozial, pro-EU |
SDS |
Mitte-rechts, nationalistisch |
NSi |
Mitte-rechts, konservativ, pro-EU |
SD |
Mitte-links, sozialdemokratisch, pro-EU |
Levica |
links, sozialistisch, EU-skeptisch |
Partei |
Ergebnis |
Gibanje Svoboda |
34,56% |
SDS |
23,52% |
NSi |
6,85% |
SD |
6,65% |
Levica |
4,39% |
nationale Sperrklausel von 4% |
|
LMŠ |
3,72% |
Verbinden wir Slowenien |
3,42% |
Resni.ca |
2,86% |
SAB |
2,61% |
DD (Guter Staat) |
1,70% |
Piratenpartei |
1,63% |
SNS |
1,50% |
Vesna |
1,33% |
DeSUS |
0,63% |
Thèmes
Mis à disposition par
Auslandsbüro Kroatien und Slowenien
À propos de cette série
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