Comptes-rendus d'événement
29,9 % der Wähler nahmen in Brandenburg an der Europawahl 2009 teil. Das waren immerhin drei Prozent mehr als bei der Wahl fünf Jahre zuvor, aber im Vergleich zur auch schon relativ niedrigen bundes- und europaweiten Beteiligung von 43 % doch bemerkenswert wenige Bürger, die ihr Votum abgaben. Nur in der Slovakei (19,6 %), in Litauen (21 %), Polen (24,5 %), Rumänien (27,7 %), in Tschechien (28,2 %)und Slowenien (28,3 %) beteiligten sich noch weniger Bürger an den Europawahlen. Insgesamt war im Osten der Europäischen Union, zu dem Brandenburg in dieser Hinsicht zählt, die Wahlbeteiligung besonders niedrig. Zudem sinkt laut der Eurobarometer Umfragen mit der Staatsfinanzenkrise in der Euro-Region das Vertrauen in die EU: Während im Frühjahr 2007 noch 57 % der Befragten EU-Bürger ihrer Union vertrauten, sank der Anteil derjenigen, die der EU vertrauen im Frühjahr 2010 auf 42 % (- 15 %) und im Herbst 2011 auf 34 % (- 8 %). Dass die befragten Bürger gleichzeitig ihrer eigenen Regkierung im euroäischen Durchschnitt nur mit 24 % (- 17 % zum Frühjahr 2007) und ihrem nationalen Parlament nur mit 27 % (- 16 %) vertrauen, macht nicht die Sache nicht besser, denn demnach befinden wir uns in Europa in einer veritablen politischen Vertrauenskrise.
Grund genug für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Potsdam, 24 europapolitisch interessierte oder engagierte Bürger und Europaexperten zu einem Fachgespräch einzuladen, in dem aus erster Hand politisch informiert und über die aktuellen Fragen diskutiert wurde.
Die CDU in Brandenburg stellt nur einen Abgeordneten im Europaparlament: Dr. Christian Ehler. Mit dem brandenburger Bundestagsabgeordneten Michael Stübgen, der Europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und auch Mitglied im "Sondergremium gemäß § 3 Abs. 3 des Stabilitätsmechanismusgesetzes", dem "9er-Gremium" des Bundestages ist, das die Parlamentsbeteiligung im Falle von Sekundärmarktankäufen von Staatsanleihen durch den europäischen Rettungsschirm EFSF sicherstellt, ist Brandenburg im Deutschen Bundestag europapolitisch prominent vertreten. In der CDU Landtagsfraktion ist die stellvertretende Landesvorsitzende der CDU und frühere Landesministerin für Justiz und Europaangelegenheiten (2002 - 2004), Barbara Richstein, für die Europapolitik verantwortlich. Alle drei berichteten im Rahmen des europapolitischen Fachgespräches in Kloster Zinna am 22. Juni 2012 über die aktuellen Herausforderungen der Europapolitik und diskutierten mit den teils fachkundigen Teilnehmern, wie dem Vorsitzenden der Europaunion in Brandenburg Hartmut Ziehlke oder Vertretern der Paneuropaunion, Clemens Raab, der von der Insel Sylt angereist war, und Benedikt Praxenthaler aus Berlin.
Angesichts der Staatsverschuldungskrise im Euro-Raum und den globalen Herausforderungen, vor denen Europa wirtschafts- und sicherheitspolitisch stehe, sei deutlich mehr europäische Politik nötig, die sich auch immer stärker im Europaparlament durchsetze, stellte Christian Ehler fest. Er verwies auf den energiepolitischen Sonderweg Deutschlands, der von den Partnern in Europa skeptisch verfolgt werde. Ehler kritisierte die mangelnde Präsenz des Brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck auf der europäischen Ebene. Dieser sei seit vielen Jahren nicht mehr in Brüssel gewesen. Michael Stübgen beklagte die häufig schlechte, weil zum Teil sachlich falsche Berichterstattung über die Europapolitik und erläuterte den Europäischen Fiskalpakt, der am 29. Juni im Bundestag verabschiedet werden soll. Barbara Richstein verwies darauf, dass die Wahrnehmung der Europapolitik in Brandenburg schwierig sei: Ergebnisse von europäischen Förderprojekten reklamierten die örtlichen Politiker meist für sich, bei Problemen und Unzulänglichkeiten werde dagegen auf die ferne EU verwiesen. Schwierig und unbefriedigend gestaltete sich auch die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Landesparlamentes. Häufig gebe es eine Desorientierung durch Überinformation mit Materialien aus Brüssel. Anders als etwa in Bayern sehe sich aber die Landesregierung nicht in der Lage, europapolitische Vorlagen mit konkreten Stellungnahmen den Abgeordneten an die Hand zu geben. Zudem agiere die Landesregierung im Bundesrat als Exekutive frei, ohne Rückbindung an das Parlament. Zentrales europapolitisches Thema für Brandenburg sei die Ausgestaltung der neuen EU-Förderperiode ab 2014 bis 2020. Brandenburg müsse sich auf geringere Zahlungen einstellen, weil es nicht mehr zu den Höchstfördergebieten innerhalb der EU gehören werde. In der laufenden Förderperiode von 2007 bis 2013 habe das Land etwa drei Milliarden Euro von der EU bekommen. Wenn Brandenburg jetzt als Übergangsregion verortet werde, komme es auf die konkrete Ausgestaltung der Förderung an. Die frühere Teilung des Landes in unterschiedliche europäische Förderregionen sei im Endeffekt negativ gewesen, so Richstein. Das gelebte Europa werde, so die Landtagsabgeordnete, vor allem in der Grenzregion tagtäglich konkret erfahren - im positiven, wenn es etwa um den grenzübergreifenden Handel und Austausch gehe, wie im negativen, mit Blick auf das Problem der Krimminalität.
In weiteren Gesprächsrunden informierte der Politologe Prof. Henri Ménudier aus Paris über die politische Situation in Frankreich nach der politischen Linkswende bei den Präsidentschafts- und Parlmentswahlen im Mai und Juni. Nach seiner Einschätzung sei der neue Staatspräsident François Hollande im Gegensatz zu führenden europaskeptischen Vertretern in seiner Regierung ein verlässlicher europäischer Unionist. Ménudier erläuterte auch Geschichte und Hintergründe des deutsch-französischen Freundschaftsvertrage von Januar 1963, dessen 50. Jubiläum Anfang nächsten Jahres begangen wird, sowie das Auf und Ab in der politischen Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland. Frankreich im eigenen Land und Deutschland und Frankreich in Europa stünden nun erneut vor großen Herausforderungen, die nur durch eine gute Kooperation bewältigt werden könnten.
Ein Gegenbild zur politischen Lage in Ungarn, wie es von den Medien beschrieben wird, zeichnete der Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Budapest, Hans Kaiser. Er distanzierte sich ausdrücklich von dem ganz überwiegend negativen Tenor der Berichterstattung über und von der politischen Aggitation gegen die konservative Regierung Orban. Wenn auch manches ungeschickt angegangen und kommuniziert worden sei durch die mit einer Zweidrittelmehrheit agierenden ungarische Regierung, sei die Kritik doch weitgehend politisch einseitig und überzogen. Auch hinsichtlich der laufenden Verfahren der EU gegen Ungarn etwa bezüglich des umstrittenen Mediengesetzes und der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Nationalbank plädierte er für eine sachliche Einordnung der Vorgänge. Solche Verfahren gebe es schließlich in der EU zuhauf, auch gegen Deutschland.
Einblicke in die Kooperation der deutschen und polnischen Parlamentariergruppen innerhalb der Fraktion der Europäischen Volkspartei EVP und damit in die konkrete Parlamentsarbeit gewährte der Berliner Europaabgeordnete der CDU, Joachim Zeller. Er ist - dank seiner polnischen Sprachkenntnisse als Slavist - Verbindungsmann in der polnischen Gruppe, die wiederum in der deutschen Gruppe mit der polnischen Abgeordneten Róża Thun vertreten ist. Auf diese Weise wird ein in hohen Graden abgestimmtes Vorgehen beider Parlamentariergruppen gewährleistet, eine Zusammenarbeit, die in dieser Weise fast einzigartig ist im Europaparlament und das gewachsene Vertrauen zwischen den Politikern beider Staaten verdeutlicht.
Am Ende des Fachgesprächs stand ein internationaler Ausblick auf die Präsidentenwahl im November in den USA, den der Generalkonsul an der Deutschen Botschaft in Washington Knut Abraham vornahm. Er hob vor allem auf die unterschiedlichen politischen Einstellungen und Perspektiven zwischen den USA und Europa ab und erläuterte die Gründe für die tiefe politische Spaltung in den USA. Der europäische Politikstar, Präsident Obama, habe viele Menschen in den USA vor allem innenpoltisch enttäuscht. Für den Wahlausgang, der zur Zeit völlig offen sei, komme es sehr entscheidend auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung an, weshalb Regierungsvertreter der USA auch auf die Krise in Europa mit besonderer Besorgnis schauten.
Das trifft sich mit der politischen Einschätzung der EU Bürger, die laut der letzten Eurobarometer-Umfrage vom Herbst 2011 zu 59 % (+ 16 % zur Umfrage im Frühjahr 2011) angaben, die ökonomische Situation sei die wichtigste politische Herausforderung für die EU - gefolgt von den Problemen der Staatsfinanzen (31 %, + 9 %), der Arbeitslosigkeit (26 %, + 3 %), der Inflation (17 %, +- 0) und der Immigration (9 %, - 11 %).
Das europapolitische Programm wurde abgerundet durch das Viertelfinalspiel zwischen Griechenland und Deutschland in Danzig, das eine weitere Dimension der europäischen Gemeinschaft ins Blickfels rückte. Dass die griechische Mannschaft gegen den Favorieten Deutschland zwei Tore schoss, war wohl gut für die griechische Fussballseele, dass die deutsche Mannschaft sich am Ende mit vier zu zwei Toren durchsetzte, freute die Seminarteilnehmer. Das Europagespräch wird im nächsten Jahr am gleichen Ort in Kloster Zinna im Fläming fortgeführt. Interessenten können sich beim Veranstalter melden und bekommen dann eine Einladung zugesandt.