Comptes-rendus d'événement
Die Herausforderung des Fremden
Der Zuzug von Muslimen aus anderen Kulturbereichen des Nahen Ostens oder Afrikas ist für Nichtgläubige, Christen, Juden in Deutschland und ebenso für die Muslime selbst eine enorme wechselseitige Herausforderung. Fremdheit und gegenseitige Unkenntnis, führen mitunter zu Vorbehalten, Ängsten und Abwehrreaktionen. Demgegenüber steht eine Offenheit für das Neue, das vielleicht die Chance birgt, sich im Austausch gegenseitig zu bereichern, wenn es gut geht. Dies setzt ein gegenseitiges Interesse voraus, zum Beispiel die Fragen danach zu stellen, was dem jeweils Anderem wichtig oder sogar heilig ist, woher er kommt, wodurch er geprägt wurde und wohin er strebt. In solchen Begegnungen mit dem Anderen, dem Fremden kann man dann nicht nur neues entdecken, sondern auch das Eigene besser identifizieren, sich des je Eigenen bewusster zu werden. Von zentraler Bedeutung ist aber eine verbindliche gemeinsame Grundlage für das Zusammenleben unserem Land. Ohne die geht es nicht!
Gemeinsamkeiten kennen lernen
Vor diesem Hintergrund lud die Konrad-Adenauer-Stiftung in Brandenburg in Kooperation mit dem Familienkreis der Pfarrei Herz Jesu Oranienburg und dem Internationalen Pastoralen Zentrum (IPZ) des Erzbistums Berlin zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Jahresbeginn in Oranienburg ein. Als Referenten bestritten den Abend Andy Abbas Schulz, ein Berliner Muslim und Gefängnisseelsorger, Dr. Thomas Würtz, ein Islamwissenschaftler, und Klaudia Höfig, Religionspädagogin und Leiterin des IPZ Berlin. Das Veranstaltungsformat, mit dem die Annäherung an die "neuen Nachbarn" gelingen soll, wird seit einem Jahr von dem Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken gefördert und durch das IPZ in Berlin, Brandenburg und Vorpommern umgesetzt. Durch die Kooperation kamen rund 50 Teilnehmer, Christen und Nichtchristen aus der Kreisstadt Oranienburg und umliegenden Ortschaften zusammen.
In einem ersten Teil legte Klaudia Höfig zunächst aus christlicher Sicht Prinzipien für den interreligiösen Dialog mit dem Islam dar, der Islamwissenschaftler Thomas Würtz ging dann auf Geschichte und weltweite Ausbreitung des Islam ein, Andy Abbas Schulz führte schließlich anhand von Begriffen wie Islam, Salam, Muslim, Allah, Koran und der Person des Propheten Mohammed in die Religion des Islam ein sowie in das religiöse Leben von Muslimen, wobei er auch auf religiöse Bildungsdefizite unter Muslimen hinwies. Es gebe hier durchaus viele religiöse Analphabeten, wenn man mal genauer nachfrage. Das stimmt überein mit der Sicht des liberalen französischen Imams Tareq Qubrou, der in der Neuen Züricher Zeitung am 10. Januar 2017 beklagte, ein Problem sei, dass viele Muslime keine tiefere Kenntnis ihrer Religion hätten und die westliche Realität ignorierten.
Abbas Schulz, der unter anderem als Gewaltpräventionstrainer mit jungen Muslimen in Berlin arbeitet, stellte insbesondere Gemeinsamkeiten heraus: die Suche nach Frieden mit sich selbst, den anderen und Gott, das Streben nach einem rechtgeleiteten Leben, das Böse also zu meiden und das Gute zu tun, das Bekenntnis zu Gott, das Fasten, das Gebet, die Wallfahrt und die Barmherzigkeit als zentrales Element des Glaubens.
Kritische Fragen und Perspektiven des Zusammenlebens
Nach dieser Grundinformation schloss sich eine Frage- und Diskussionsrunde an, die über anderthalb Stunden dauerte, was für das Interesse der Teilnehmer spricht. Nach einigen Verständnisfragen etwa zu den Begriffen "Muslim" oder "Moslem", „Mohammedaner“, Amt und Hierarchie (Iman, Gelehrte, Gutachter) wurde nach der Art und Weise der Islamisierung in verschiedenen Teilen der Welt gefragt sowie nach Initialriten (Taufe, Beschneidung). Sodann kamen Themen zur Sprache wie das Diktat-Verständnis (Verbalinspiration) des Koran und Möglichkeiten seiner Interpretationen, der kriegerische Aspekt und das Verhältnis zur Gewalt im Islam (islamischer Extremismus), die patriarchalische Kultur und die Rolle der Frau im Islam, die verschiedenen Konfessionen (Sunniten, Schiiten, Wahhabiten), das Verhältnis von Muslimen zu Ungläubigen, Juden und Christen, die Zurücksetzung und Verfolgung von Christen in islamischen Staaten, die Theologie des Korans und die gesellschaftspolitischen Realitäten in islamischen Regionen und Siedlungsgebieten.
Zur Frage des Miteinanderlebens bei uns in Deutschland bzw. im „Westen“ angesichts der doch gravierenden religiös-kulturellen Unterschiede wurde mit einiger Skepsis, aber auch Offenheit gegenüber dem Neuen diskutiert. Ein Fazit ist: Das Zusammenleben beginnt mit der gegenseitigen Wahrnehmung, mit dem Interesse an dem Anderen, das die Teilnehmer an diesem Abend zusammenführte, und mit dem Blick auf das zunächst Verbindende, die Gemeinsamkeiten, die es zwischen Christen/Juden und Muslimen wie auch zwischen Ungläubigen und Muslimen gibt, die aber häufig hinter den Unterschieden und Problemen zurückstehen. Zudem ist auch eine klare Bestimmung der gemeinsamen Grundlage des Zusammenlebens immer wieder notwendig, die zwar für Pluralität offen ist, aber in den Grundsätzen Verbindlichkeit beansprucht. Hier geht es um eine grundsätzliche Verständigung und die Bestimmung von Grenzen der Freiheit, auch der Religionsfreiheit, sofern sie die Fundamente des gesellschaftlichen Zusammenlebens angreift (etwa Grundrechte von Frauen und Kindern).
Ein zweites Fazit ist: Angesichts der gesellschaftspolitischen Herausforderung, die sich aus dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen und Religionen ergeben, sind stetige Anstrengungen in der Präventionsarbeit und bezüglich Begegnung und Dialog notwendig, um Fremdheit und Unkenntnis zu mindern und das gedeihliche Zusammenleben zu fördern. Was bei den sogenannten „Islamistischen Gefährdern“ kulminiert, dem muss bereits zuvor in weiteren islamischen Kreisen vorgebaut werden, so gut es geht.
Es wurden auch die politischen Fragen aufgeworfen, inwieweit denn die Integration von nur zeitweise Schutzbefohlenen notwendig sei und ob denn die Einwanderung von größeren muslimischen Bevölkerungsgruppen überhaupt erstrebenswert sei. Im Fokus dieses Jahresauftaktes standen diesmal jedoch die konkreten Perspektiven des Zusammenlebens mit Muslimen nach dem Motto: "Wir Christen müssen die islamischen Einwanderer, die in unsere Länder kommen, mit Zuneigung und Achtung aufnehmen" (Papst Franziskus in der Enzyklika Envangelii Gudium - Die Freude des Evangeliums). Und gehört nicht die Achtung der Person zu den Grundfesten unserer Kultur?!