Comptes-rendus d'événement
Dass der neue Präsident der USA große Aufmerksamkeit auf sich zieht, zeigte sich einmal mehr beim ersten Forum „Politik & Sicherheit“ in diesem Jahr in Potsdam am 3. April. Über 120 Teilnehmer sorgten im Le Manège am Neuen Markt für einen vollen Saal.
Eingeladen hatte das Politische Bildungsforum Brandenburg der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft, der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und dem Reservistenverband in Brandenburg mit der Frage: „Präsident Donald Trump: Eine Zeitenwende für Europa?“ Redner und Gesprächspartner war der frühere US-Botschafter in Berlin John Kornblum, der nach seiner Amtszeit von 1997 bis 2001 weiter in Berlin als Banker tätig blieb. Gleich zu Anfang stellte er klar: Ja, Trump bedeute eine Zeitenwende für Europa; er sei sogar die letzte Chance für Europa.
Kornblum, der selbst den neuen Präsidenten kritisch als Populist beurteilt, erklärte dann jedoch zunächst, warum sich Donald Trump als Präsidentschaftsbewerber in einem demokratischen Verfahren erst gegen 17 teilweise sehr potente Konkurrenten innerhalb der Republikanischen Partei und dann auch bei den Wahlen durchsetzen konnte. Seine zentrale These lautet: Nicht Trump verursacht die politische Zeitwende; vielmehr habe die im Gange befindliche Zeitenwende Trump als Präsidenten erst hervorgebracht.
Die große Zeitenwende sei vor allem durch die fortschreitende industrielle Automatisierung, die digitale Revolution und die Globalisierung angestoßen worden. Zuviel Veränderung führe jedoch gerade in breiten Kreisen der Mittelschicht, die etwas zu verlieren haben, zu einer Art von „Zukunftsschock“, über den der US-amerikanische Futurologe Alvin Toffler bereits 1970 geschrieben hat. Nicht nur in den USA vergäßen die liberalen Parteien der Mitte angesichts der großen Veränderungen die zentrale Aufgabe gesellschaftlicher Integration. So kämen sich bestimmte Bevölkerungsgruppen, die nicht zu den Gewinnern der Zeitenwende gehörten, mit ihren unsicheren Zukunftsaussichten zurückgelassen und vom politischen Establishment nicht beachtet vor. Habe man lange auf eine mehr oder weniger stetige Weiterentwicklung des Wohlstands vertrauen können, so hätten heute nicht wenige in den USA dieses Vertrauen verloren. Die junge Generation der Mittelschicht werde vor größeren Schwierigkeiten stehen, den gewonnen Lebensstandard zu erhalten.
Diese Entwicklung habe den Wahlerfolg Trumps ermöglicht und sei in ähnlicher Weise mitunter auch in Europa zu beobachten. Dass Trump nun alles Mögliche ändern und die Welt sozusagen neu entwerfen wolle, liege durchaus in der Tradition neu gewählter amerikanischer Präsidenten, die dann jedoch regelmäßig von den politischen Realitäten eingeholt würden.
„Trump ist Europas letzte Chance“
Die zweite These, die John Kornblum bereits in einem Gastbeitrag in der FAZ vom 6. Januar aufstellte und begründete, ist die, dass Trump Europas letzte Chance sei. Gerade angesichts der Zeitenwende und der verschiedenen Krisen, in denen sich die Europäische Union befände, sollte Europa nicht über ein „Ende des Westens“ lamentieren, sondern endlich selbst mehr Verantwortung übernehmen und europäische Lösungen für die großen internationalen Probleme „transatlantisch voranbringen“. Deutschland komme dabei von seiner Stellung und Bedeutung die zentrale Rolle als integrierender Knotenpunkt für eine neue Art von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik zu. Deutschland müsse viel stärker Führung im Sinne von Verantwortung übernehmen. Allerdings vermisst Kornblum diesbezüglich bisher eine politische Strategie.
Die Zeiten der „Subvention“ Europas durch die USA gingen dem Ende entgegen. Nun komme gerade auf Deutschland die Aufgabe zu, die schwachen Staaten in Europa, die bei der Zeitenwende nicht Schritt hielten, zu subventionieren. Gefragt, wie das denn gehen könne angesichts eigener hoher Staatsschulden in Deutschland, der Staatsschulden- und Flüchtlingskrise in Europa und der Schwächung der EU durch den Brexit, riet Kornblum dazu, sich nicht zu sehr auf Austeritätspolitik zu fixieren. Allerdings räumte er ein, dass die politische Sprengkraft für solch eine Subventionspolitik sowohl in Deutschland wie auch in den Partnerländern hoch sei, da die Unterstützung ja an Konditionen gebunden werden müsse.
Es wäre ein Missverständnis, die Aufforderung Kornblums an Deutschland und Europa, mehr Verantwortung zu übernehmen, im Sinne einer stärker eigenständigen Rolle Europas oder gar neuer geopolitischer Strukturen zu deuten. Ihm geht es vielmehr darum, durch eine starke Rolle Europas „den Westen“, das transatlantische Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Denn alle atlantischen Nationen säßen bei der Bewältigung der großen Zeitenwende in einem Boot und müssten sich auf die gemeinsamen Fundamente besinnen. Ohne konkrete transatlantische Lösungen komme man heute weder in den USA noch in Europa sehr weit. Insofern von Trump ein starker Impuls ausgehe, sich in Europa auf die eigenen Stärken zu besinnen und diese mehr als bisher in die transatlantische Partnerschaft einzubringen, sei Trump „die letzte Chance Europas“. Nehme Europa diese nicht wahr, werde „der Westen“ in der Tat zerstritten und richtungslos in die Versenkung fallen.
Warum denn gerade in Deutschland der Fokus in Medien und Politik derart stark auf Präsident Trump gerichtet sei, fast als ob er auch unser Präsident wäre, wurde John Kornblum zu guter Letzt gefragt. Trump sei eben auch Präsident der Deutschen, insofern er für Deutschland eine wichtige Bedeutung habe. Gerade deshalb, so darf man John Kornblum wohl verstehen, spielt die Zusammenarbeit eine zentrale Rolle. Wenn aus den USA jedoch „Amerika first“ erschallt und Europa vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, kann sie nicht gut gelingen.