Agrégateur de contenus

Comptes-rendus d'événement

Bürgerdialog „Europas Grenzen: Wir müssen reden!“

Bürgerdialog in Magdeburg, in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband, dem Landesverband Sachsen-Anhalt und dem Kreisverband Magdeburg der Europa-Union Deutschland e.V. sowie den Jungen Europäischen Föderalisten Sachsen-Anhalt - u.a. mit Sven Schulze MdEP, Arne Lietz MdEP, Dr. Günter Krings MdB, Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch MdL, Christian Moos, Elisabeth Kotthaus, Cornelia Lüddemann MdL, Monika Schwenke, Susanne Wiedemeyer, Klemens Gutmann, Ernst G. Walter, Thomas Rieke, Dr. Franz Kadell, Dr. Britta Weck, Maik Scholkowsky

Agrégateur de contenus

partager

„Europas Grenzen: Wir müssen reden!“ – unter diesem Titel stand ein Bürgerdialog im Roncalli-Haus Magdeburg, den das Europe Direct Informationszentrum in Trägerschaft des Politischen Bildungsforums Sachsen-Anhalt der Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband, dem Landesverband Sachsen-Anhalt und dem Kreisverband Magdeburg der Europa-Union Deutschland e.V. sowie den Jungen Europäischen Föderalisten Sachsen-Anhalt durchführte. Außenpolitik, Sicherheit und Grenzschutz waren ebenso Thema wie sozialer Zusammenhalt, Flüchtlingspolitik und Integration – ebenso das Ansteigen von Nationalismus und Populismus in Europa. Zum Auftakt betonte Christian Moos (Generalsekretär der Europa-Union Deutschland): „Europa steht für offene Grenzen, für Handel, Mobilität, den Austausch von Menschen, Ideen und Gütern. Dieses Modell ist akut gefährdet“.

Gabriele Brakebusch MdL, Präsidentin des Landtages von Sachsen-Anhalt, erinnerte an die großen Herausforderungen, die Europa nur mit gemeinsamen Lösungsansätzen bewältigen kann, etwa die Flüchtlingskrise oder den möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU. Dabei hat das Bündnis vor allem ein Vermittlungs- und Verständigungsproblem. Umso wichtiger ist die Diskussion über die großen Errungenschaften, die Gefahr bei einer Abschottung sowie die Stärkung der EU als Wirtschafts- und Sozialraum. Weitere Zersplitterungstendenzen Europas oder gar die Stellung der Sinnfrage gelte es zu vermeiden; für die Bürger muss wieder Vertrauen hergestellt werden.

Zu Beginn der einführenden Podiumsdiskussion verwies Moderator Dr. Franz Kadell auf die jüngste Umfrage der Körber-Stiftung, wonach sich 62 % der Deutschen als Europäer sehen. Elisabeth Kotthaus (stv. Leiterin der politischen Abteilung bei der Europäische Kommission, Vertretung in Deutschland) äußerte sich zunächst zur Flüchtlingskrise: Es gibt hierzu keine einfachen Lösungen, aber es sind vier Aspekte zu beachten: Die Bekämpfung der Fluchtursachen, das solidarische Grundrecht auf Asyl, die Schaffung legaler Migrationswege in die EU sowie die Grenzsicherung. Die EU-Organe haben zu diesen Punkten Vorschläge unterbreitet, doch die Entscheidungsprozesse innerhalb des Bündnisses dauern mitunter lange: „Die EU ist keine Sanktionsunion. Im Grundsatz basiert die Union auf dem Dialog zwischen den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten, den Bürgern und den Parlamenten“, so Kotthaus.

Dr. Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, nahm zunächst den Gedanken der Grenzen Europas auf. Hier ist vor allem zu erfragen, welches Verständnis von Grenzen gemeint sei. Schließlich gibt es in Europa unterschiedliche Rechtskulturen, die zu beachten und zu verstehen sind. „Europa muss konkret sein“, betonte Krings, denn: „Wenn Europa Zustimmung erhalten soll, muss man es konkret fassen.“ Dies gilt vor allem für die Grenzen: Sie müssen durchlässig sein, haben aber auch eine Ordnungsfunktion, woraus sich weitere Probleme ergeben. Gerade Schengen hat sich bislang nicht als funktionierendes System erwiesen. Wichtig sei vor allem die Sicherung der Außengrenzen, während im Gegenzug die Binnengrenzkontrollen wegfallen. Angesichts der vielen Aufgaben dürfe es kein „zurück zu Schengen“ geben, sondern erstmal ein „hin zu Schengen“. Die Briten indes würden „die Geister nicht mehr los, die sie gerufen hatten“ – nun droht der Brexit. In den bisherigen Jahren ihrer Mitgliedschaft hatten sie zwar das Gros der Verträge stark verhandelt, dann aber das Recht konsequent umgesetzt. Ganz Europa sollte sich in den nächsten Jahren auf das Thema Rechtsdurchsetzung fokussieren.

Dritter Gesprächspartner im Eingangspodium war Arne Lietz, Mitglied des Europäischen Parlaments. Er erinnerte an den Beitritt der mittelosteuropäischen Staaten zur EU, insbesondere Polens. Dies war ein demokratischer Neuanfang. Heute wird in Polen oft die Frage nach einem europäischen Selbstverständnis gestellt und im Land selbst gibt es schwierige Entwicklungen, etwa die Untergrabung der Pressefreiheit. Hinsichtlich der Flüchtlingskrise betonte Lietz, dass Kommission und Europaparlament nach Dublin für einen Verteilerschlüssel gekämpft hatten und dabei die Wertefrage hoch ansetzten, die flüchtenden Menschen nicht im Mittelmeer untergehen zu lassen. Der Abgeordnete selbst berichtete über seine Unterstützung einer Privatinitiative zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Fluchtursachen sind vor allem Kriege, aber es gibt oft auch wirtschaftliche Gründe zur Flucht, die wiederum auf wirtschaftliche Grenzen zurückzuführen seien. Wichtig sei es, so Lietz, die Sanktionsmöglichkeiten der EU auszuloten sowie sich als Friedenskontinent stärker zu engagieren.

Drei wichtige Politikfelder wurden im Anschluss in Themenräumen diskutiert: Im ersten Themenraum unter dem Titel „Schengen im Zielkonflikt: Binnenmarkt und Reisefreiheit versus sichere Grenzen“ standen Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik, der Mobilität in Europa, des Schengenprozesses sowie des scheinbaren Gegensatzes Sicherheit vs. Freiheit im Blickpunkt. Es diskutierten Elisabeth Kotthaus, Cornelia Lüddemann MdL (Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt) sowie Monika Schwenke (Caritas Magdeburg). Moderatorin war Dr. Britta Weck.

Die Gesprächspartnerinnen betonten, dass bei Verlautbarungen der EU vor allem der Blick auf die Menschen wichtig sei, denn Zuhören schafft Dialog und kann beeinflussen und Impulse geben. So berichtete Monika Schwenke aus der Flüchtlingsberatung, dass viele Menschen gerne wieder in ihre Heimatländer zurückkehren möchten, sobald es die dortige wirtschaftliche oder Sicherheitslage zuließe. Viele hätten ihr Land gar nicht erst verlassen, wenn die wirtschaftliche Situation anders gewesen wäre. Cornelia Lüddemann MdL unterstrich indes die Bedeutung der Integration von Geflüchteten. So würden sie später gestärkt zurückgehen und ihr Land aufbauen. Mit Blick auf Integration und fairen Handel warb sie dafür, sich zu überlegen, was man selbst dazu beitragen könne. „Letztendlich hat doch jeder die Möglichkeit, den Gang der Geschichte selbst mit zu bestimmen“, so die Fraktionsvorsitzende der Bündnis-Grünen.

Themenraum 2 unter dem Titel „Integration oder Desintegration: Europa als Wirtschafts-und Sozialraum“ (moderiert von Dr. Franz Kadell) beschäftigte sich mit Freiheiten der Waren, Personen, Dienstleistungen, Kapital; Auswirkungen auf Wirtschaft sowie Zusammenarbeit; Integration in Arbeitsmarkt, der demografischen Entwicklung sowie dem Fachkräftenachwuchs. Gesprächspartner in diesem Panel waren Sven Schulze MdEP (Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten), Susanne Wiedemeyer (stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirks Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt) sowie Klemens Gutmann (Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt).

Sven Schulze unterstrich, dass die EU derzeit eine Vielzahl an Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen habe. „Die EU befindet sich in der größten Krise seit ihrem Bestehen“, so Schulze. Beim Thema Soziales wies er darauf hin, dass die Kompetenzen hierzu meist nicht bei der EU, sondern den Mitgliedstaaten lägen. Hier sei zu klären, was in Brüssel besprochen werden müsse und was hingegen nationalstaatlich. Susanne Wiedemeyer verdeutlichte die Wichtigkeit von EU-Fördermitteln für Sachsen-Anhalt. Beispielsweise würden ESF-Mitteln dafür verwendet, Familien zu stärken, bei denen beide Elternteile arbeitslos seien. Auch Jugendliche würden während ihrer Ausbildung begleitet. „Wir brauchen ESF-Mittel, weil wir dies aus Landesmitteln nicht finanzieren können“, unterstrich Wiedemeyer. Der Unternehmer Klemens Gutmann erläuterte die Wirtschaftsdynamiken innerhalb der EU. „In allen Ländern gibt es Gewinner und Verlierer“. So seien in einigen EU-Mitgliedsstaaten (etwa Griechenland und Spanien) ganze Regionen bis auf wenige Nischen wirtschaftlich „plattgemacht“. Dort gibt es kaum noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, sondern zumeist Manufakturen. Zugleich habe die spanische Tourismuswirtschaft profitiert, während es in der Branche in anderen Regionen (etwa dem Schwarzwald) Probleme gibt. Gleichzeitig habe die deutsche Industrie dort, ohne dies zu wollen, lokale Produzenten verdrängt. „Soziale Standards anzugleichen ist viel schwieriger als einen gemeinsamen Markt zu schaffen“, sagte Gutmann. Auch kritisierte der Unternehmer die EU-Initiativen zur Beschäftigung – zwar wurde viel Geld ausgeschüttet, doch die Maßnahmen greifen nicht.

Europa ist ein reicher Kontinent, doch ist der Reichtum auf die einzelnen Staaten/Regionen unterschiedlich verteilt. Gerade Diversität ist aber der große Reichtum Europas. Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel: Kann Integration von Flüchtlingen ein Lösungsansatz hierfür sein? Angesichts der Flüchtlingssituation dürften keine Vorurteile verstärkt werden, etwa dass die Zuwanderer nur „Hartz IV“ wollten. Diskutiert wurde über die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes, das Bedingungen für die Zuwanderung beinhaltet. Auch in diesem Themenraum wurde über den Dialog zwischen Einheimischen und Flüchtlingen debattiert, der gegenseitige Ängste und Vorurteile abbaut. Wichtiges Thema war zudem, wie Ausländer in Deutschland konkrete Unterstützung erhalten, etwa bei der Suche nach Ausbildungsplätzen oder bei Sprach- und Integrationskursen.

Im Themenraum 3 wurde unter Moderation von Maik Scholkowsky die Frage „Organisierte Kriminalität und Terror im globalen Dorf - was kann Europa tun?“ diskutiert. Gesprächspunkte waren EU-Maßnahmen gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus, Wertevertretung der EU nach innen und nach außen sowie die Rolle der EU in der Welt. An diesem Forum wirkten Arne Lietz MdEP, Dr. Günter Krings MdB sowie Ernst G. Walter (stv. Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft) mit. Das Schengen-System wurde von allen Beteiligten als große Errungenschaft gewertet – gleichwohl ist dieses Projekt noch nicht vollendet. Walter berichtete von der Arbeit der Sicherheitsbehörden an den Außengrenzen. In den letzten Monaten sei die deutsche Bundespolizei vermehrt an Flughäfen eingesetzt worden. Generell sei mehr Personal erforderlich, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.

In seinem Schlusswort zog Thomas Rieke, Vorsitzender der Europa-Union Sachsen-Anhalt, eine positive Bilanz des Bürgerdialogs und dankte den Referenten und dem Publikum für die wertvollen Diskussionen.


Agrégateur de contenus

Logo Europe Direct Network EDIC Magdeburg / PBF Magdeburg

comment-portlet

Agrégateur de contenus