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Rapports pays

Senegal in Wahlstimmung

Ein Weg mit vielen Hürden

Mit einem Monat Verspätung finden die Präsidentschaftswahl in Senegal nun am 24.03.2024 statt. Der ursprüngliche Termin (25.02.2024) war wenige Stunden vor Wahlkampfbeginn von Präsident Macky Sall per Dekret annulliert worden. Ursache waren Unstimmigkeiten auf höchster politischer Ebene und die Befürchtung des Präsidenten, dass die Bedingungen für einen friedlichen und einvernehmlichen Wahlkampf nicht gegeben seien. Manche Akteure aus Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft werteten das Dekret als Versuch Macky Salls, sich über sein Mandat hinaus an der Macht halten zu wollen. Es folgte ein Machtkampf der Institutionen und ein massiver Protest der Kandidaten und Wähler, die westafrikanische Vorzeigedemokratie schien plötzlich in Schieflage geraten zu sein. Reißerische Titel zierten die internationale Presse und stellten Senegal ungerechtfertigterweise in eine Reihe mit Ländern wie Mali oder Niger, in denen sich das Militär an die Macht geputscht hatte. In einer historischen Entscheidung nahm der Verfassungsrat in Senegal als oberste Instanz schließlich seine Rolle und Verantwortung wahr und stellte den Rechtsrahmen wieder her. Nun hat Macky Sall nach Beratungen mit Akteuren der Zivilgesellschaft und den Kommissionen sowie nach einem Machtwort des Verfassungsrates das Datum für die Präsidentschaftswahl festgelegt. Er selbst darf nicht mehr antreten und muss am 02.04.2024 die Regierungsgeschäfte an seinen Nachfolger übergeben.

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Damit findet nicht nur ein nervenaufreibender Prozess ein vorläufiges Ende, sondern auch eine der schwersten innenpolitischen Krisen, die das Land seit langer Zeit erlebt hat und die die Konkurrenz zwischen Verfassungsrat, Parlament und Präsident offenbarte. Mögliche Intentionen zur Machterhaltung des politischen Regierungsbündnisses traten dabei genauso zu Tage wie dessen innere Spaltung. Die Unstimmigkeiten auf höchster Ebene wurden wahrscheinlich durch eine erschütternde interne Wahlprognose für den Präsidentschaftskandidaten der Regierungskoalition, Ba, ausgelöst, die diesem kaum Chancen für einen Wahlsieg prognostizierte. Die Tatsache, dass die Regierungskoalitionen Benno Bok Yakaar (BBY) aus vielen verschiedenen Parteien besteht, erschwerte ein gemeinsames strategisches Vorgehen zusätzlich. Dieses Phänomen ist in Senegal weit verbreitet: Kleine Parteien gehen je nach Interessenlagen Parteibündnisse ein, um überhaupt wahlfähig zu werden, was die Konsensfindung dann oft zu einer Herausforderung macht. Um seinem Kandidaten Ba – bislang Premierminister – nun die Möglichkeit zu geben, sich voll und ganz auf seinen Wahlkampf zu konzentrieren und vielleicht doch noch eine Chance auf das höchste Amt im Staat zu haben, löste Macky Sall direkt nach der Festlegung des Wahltermins kurzerhand seine Regierung auf. Ba wurde durch Sidiki Kaba[1] ersetzt, bislang Innenminister und davor Verteidigungsminister. Sechs Minister der bisherigen Regierung sind definitiv ausgeschieden, darunter Persönlichkeiten wie Ismaïla Madior Fall (ehem. Justiz- und Außenminister, jetzt Kabinettschef von Macky Sall), Doudou Ka (Wirtschaftsminister) und Samba Sy (Minister für Arbeit); andere wurden personell umbesetzt. Der neue Innenminister Mohammad Moctar Cissé ist nun damit beauftragt, die Wahlen zu organisieren.

Es war aber nicht nur die Terminfindung für die Wahlen, die in Senegal kontrovers diskutiert wurde, sondern auch das umstrittene Amnestiegesetz[2], über welches das Parlament noch am gleichen Tag abstimmte – auch, weil dieses in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wahlprozess steht.  So wurde z.B. bereits darüber spekuliert, welche Auswirkungen das neue Gesetz für den Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Bassirou Diomaye Faye, haben könnte, der aktuell auf Grund einer Anklage wegen Diffamierung in Untersuchungshaft sitzt und sich nicht aktiv am Wahlkampf beteiligen kann. So sieht das neue Gesetz nämlich Straffreiheit für zwischen 2021 und 2024 begangenen Straftaten mit politischer Motivation vor. Hintergrund ist die zunehmende Kritik an Macky Salls Regierung, weil er Aktivisten und Zivilisten, die sich an Demonstrationen beteiligten, verhaften ließ und diese bisher ohne konkrete Aussicht auf ein Verfahren in Untersuchungshaft hielt. Das ist gleichzeitig aber auch einer der Hauptgründe, warum das Gesetz so umstritten ist: Warum benötigen Gefangene in Untersuchungshaft eine Amnestie, wenn es doch nicht zu einer Verurteilung kam? Gleichzeitig befürchtet man nun, dass durch die Massenfreilassungen ohne Verfahren tatsächlich Schuldige ihrer gerechten Strafe entgehen könnten. Die öffentliche Meinung besteht darüber hinaus darauf, dass der Tod von über 50 Menschen im Zuge der Unruhen seit 2021 untersucht wird. So stehen Fragen im Raum, weshalb es zum Einsatz von scharfer Munition gegen Demonstranten, der massiven Sachbeschädigung öffentlichen und privaten Eigentums sowie zur Plünderung von Verkaufsflächen kam. Es wird deswegen spekuliert, ob Macky Sall mit dem neuen Gesetz nicht nur eine Art Wiedergutmachung für die vielen nicht nachvollziehbaren Festnahmen leisten möchte, sondern möglicherweise auch in einer Art Präventivmaßnahme potenzielle Anschuldigungen vermeiden möchte, die ggf. nach dem Ende seiner Regierungszeit auf ihn zukommen könnten. Dabei geht es vor allem um die ungeklärten Fälle von Gewaltausübung durch staatliche und nicht staatliche Sicherheitskräfte. Es hieß, dass die Parteien u.a. sogar private Milizen angeheuert hätten, um gegen Gewaltausbrüche im Rahmen von Demonstrationen vorzugehen.

 

Neue Wahltermin, gleiche Kandidaten

Bei allen Diskussionen um den Wahltermin und das Amnestiegesetz ist letztendlich nur eine Sache beim Alten geblieben, nämlich die Liste der möglichen Nachfolger Macky Salls. Der Verfassungsrat legte in seiner Entscheidung fest, dass alle ursprünglich validierten Kandidatinnen und Kandidaten zum Wahlkampf antreten können. Einzige Ausnahme ist Rose Wardini, die ihre Bewerbung bereits vor Verschiebung der Wahlen auf Grund einer nicht offen gelegten doppelten Staatsbürgerschaft zurückziehen musste. So können die Senegalesinnen und Senegalesen am 24.03. nun zwischen insgesamt 19 Kandidatinnen und Kandidaten wählen, die sich unterschiedlichen Lagern zuteilen lassen:

 

Die vier aussichtsreichsten Kandidaten

Amadou Ba[3] (*1961), Mitglied der Partei APR und der Regierungskoalition Benno Bok Yakaar ist der von Macky Sall designierte Kandidat. Vor seiner Ernennung zum Premierminister war er Funktionär der staatlichen Finanz- und Bodenbehörde und dort u.a. auch Vorgesetzter von Ousmane Sonko, der von 2005 bis 2016 in der Behörde arbeitete[4].  Später wurde Ba Wirtschafts- und Finanzminister sowie Außenminister. Er gilt als sehr wohlhabend und als treuer Weggefährte von Macky Sall. In seiner Persönlichkeit wird er als zurückhaltend und distanziert sowie als überaus loyal, arbeitsam und verlässlich wahrgenommen. Er hofft auf die Unterstützung der Khalifen der großen religiösen Bruderschaften[5] in Senegal. Sein Ansatz für den Wahlkampf: Es müssen mindestens eine Million neue Arbeitsplätze für die senegalesische Jugend geschaffen werden[6], was einer inkompetenten Opposition nicht zuzutrauen ist.  Neu ist, dass Ba seine Kampagne selbst finanzieren muss[7]; bei den letzten Parlamentswahlen hatten die Kandidaten der Regierung noch „Zuschüsse“ vom Staat erhalten. Er hat immer noch Chancen, als Sieger dieser Wahl hervorzugehen – vorausgesetzt, dass sich die Regierungskoalition auch geschlossen für ihn einsetzt und sich nicht hinter einen Konkurrenten wie z.B. Mahammed Bound Abdallah Dionne stellt. Dionne gehört eigentlich zur Regierungskoalition, tritt aber aus Protest mit seinem eigenen Mouvement zur Wahl an.

El Hadj Mamadou Diao [8] (*1970), Rufname Mame Boye Diao, stammt aus Bignona, dem Süden des Senegal. Er gehörte zur Partei APR, ist heute allerdings Mitglied der CPJ/Nay Leer. Er arbeitete ebenfalls in der Finanzbehörde, ist amtierender Bürgermeister der Stadt Kolda und ein sehr geschätzter Politiker. Er trat aus der APR aus, nachdem Amadou Ba als Kandidat aufgestellt wurde und gründete sein eigenes Mouvement. Sein Programm[9] sieht u.a. vor, die Frauen in das Zentrum der Entwicklung zu stellen und ihnen mehr Entscheidungsmöglichkeiten im Sinne einer wahren Gleichstellung einzuräumen. Er will sich auch um eine Revitalisierung des Fischereisektors kümmern, Arbeitsplätze für die Jugend schaffen, Berufspraktika obligatorisch machen sowie ein Programm für Rückkehrer der Diaspora[10] auflegen. Er hat durchaus Chancen gewählt zu werden, weil er einen neuen und modernen Politikertypus verkörpert

Bassirou Diomaye Faye[11], (*1981), Generalsekretär der ehemaligen Partei PASTEF, wurde von Ousmane Sonko selbst zu seinem Nachfolger als Präsidentschaftskandidat benannt. Er tritt als unabhängiger Kandidat an und gilt als Favorit, obgleich er – wie angesprochen - seit April 2023 wegen Diffamierung in Untersuchungshaft sitzt und sich dementsprechend nicht am aktiven Wahlkampf beteiligen kann. Er ist Rechts- und Finanzexperte, kommt aus der nationalen Verwaltungskaderschule ENA und arbeitete zuletzt bei der Zollbehörde. In den Medien wurde u.a. über die Verdienste seiner Familie im Hinblick auf den Kampf gegen die Kolonialherren berichtet[12] . Er gilt als in seinen Traditionen verwurzelt und setzt sich z.B. gegen soziale Ungerechtigkeit ein. Er ist nicht so populär wie Ousmane Sonko, vertritt aber vehement dessen Programm[13], das u.a. eine Verstärkung der Industrialisierung durch Wertschöpfung eigener Ressourcen vorsieht, insbesondere im Energiesektor und durch den Ausbau der eigenen Kompetenzen. Ihm geht es ebenfalls um eine rigorose Trennung der verschiedenen Staatsmächte und um den Kampf gegen Korruption. Das Oppositionsprogramm sieht u.a. die Einführung einer eigenen Währung vor, um sich aus der Abhängigkeit Europas zu befreien - der CFA ist an den EURO gekoppelt. Auch die Verträge für die Öl- und Gasförderung, die eigentlich in diesem Jahr anlaufen soll, sollen neu verhandelt werden.

Déthié Fall (*1976) gehörte ehemals zur Partei REWMI und arbeitete eng mit Idrissa Seck zusammen. Er hat mit der Parti républicain pour le progrès ebenfalls seine eigene Bewegung gegründet. Er gilt als Gründer der Koalition YEWWI ASKAN WI und Weggefährte von Ousmane Sonko. Er ist Ingenieur und bereits zweimal als Abgeordneter gewählt worden. Derzeit arbeitet er als freier Consultant für strategische Entwicklung. Er ist durch die Koalition sehr populär geworden und gilt ebenfalls als eine Art Ersatzmann für Ousmane Sonko, was ihm durchaus Chancen verleiht, auch gewählt zu werden. Sein Programm[14] trägt den Namen „Un Sénégal bon à vivre et beau à voir » (Senegal ein Land, in dem es sich gut leben lässt und das gut aussieht). Es geht darum, das Vertrauen in die Institutionen zu stärken, die Industrialisierung voranzutreiben und die Armut zu bekämpfen.

 

Die vier politischen Newcomer

Von den beiden aufgestellten Frauen ist nur noch Anta Babacar Ngom[15] im Rennen, Wirtschaftsexpertin und Geschäftsfrau. Ngom ist Generaldirektorin des Großunternehmens SEDIMA (Geflügelzucht) und die Tochter dessen Gründers.  Sie setzt sich für einen radikalen Schnitt mit dem herkömmlichen System ein; dazu soll eine Reform des Bildungssektors, die Einführung eines Zivildienstes und eines Mindestlohns sowie eine Reduzierung der Steuerbelastungen für Angestellte und Firmen gehören. Sie ist eine politische Newcomerin, die auch gegen die Tatsache kämpfen muss, dass es Frauen immer noch schwer haben, politisch wahrgenommen zu werden - trotz existierender Gleichstellungsgesetze.

Ebenfalls ohne politische Erfahrung, aber bekannt durch sein zivilgesellschaftliches Engagement ist Daouda Ndiaye, Wissenschaftler und Institutsleiter im medizinischen Bereich. Auch der Kandidat Papa Djibril Fall, Journalist und Kommentator des Privatsenders TFM sowie unabhängiger Parlamentarier, lässt sich der Gruppe der politischen Neulinge zuordnen. Seine Sendungen sind zwar durch ihre emotionale Ansprache beliebt, aber es fehlt ihm am notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung. Das gleiche gilt für den Kandidaten Serigne Mboup, Bürgermeister von Kaolack und Geschäftsmann: Er ist Autodidakt und in seiner Kommune sehr angesehen, aber es fehlt ihm noch die Reife und das Format eines national anerkannten Politikers.

 

Die vier „Uneindeutigen“ und Wankelmütigen

Bei einigen der Kandidaten ist auch kurz vor der Wahl weder klar, welchem Lager innerhalb der Opposition sie sich wirklich zugehörig fühlen, noch welche Themen sie konkret bearbeiten wollen. Dazu gehört Mamadou Lamine Diallo, Wirtschafts- und Finanzexperte mit viel Erfahrung in internationalen Gremien. Er setzt sich vor allem für einen allgemeinen Wertekanon wie mehr Respekt und Verantwortung in Politik und Gesellschaft sowie für mehr Effizienz in der Justiz ein. Ein weiterer Kandidat dieser Gruppe ist Idrissa Seck, politisches Oberhaupt der Partei REWMI und ehemaliger Bürgermeister von Thies. Er ist sehr bekannt und umtriebig, aber nicht beliebt, da er vielen als zu wankelmütig gilt. Im Rahmen der Präsidentschaftswahlen ist er vor allem deswegen relevant, da er in einem zweiten Wahlgang den Regierungskandidaten Ba stützen könnte. Der Kandidat El Hadj Malick Gackou schwankt immer wieder in seiner eigenen politischen Zuordnung; sein Programm nennt er Programme Alternativ Suxxali Senegal, Schwerpunkte sind mehr soziale Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung. Habib Sy ist ein erfahrener Politiker und zählte zu den Vertrauten von Sonko; er kommt ursprünglich aus den Reihen der Parti Socialiste (PS), war aber auch schon Mitglied der Parti Démocratique du Sénégal (PDS). Er tritt als unabhängiger Kandidat[16] an, gilt aber als „trojanisches Pferd“ der PASTEF“; seine konkreten Interessen sind unklar.

 

Die drei „Abtrünnigen“

Drei der Kandidaten zeichnen sich in erster Linie durch die Tatsache aus, dass sie alle ehemaligen Mitglieder der Regierungskoalition sind, sich aber entweder auf Grund von Unstimmigkeiten mit Präsident Macky Sall oder wegen Nicht-Berücksichtigung bei der Wahl des Regierungskandidaten aus der Koalition zurückgezogen haben. Zu dieser Gruppe lassen sich Aly Ngouille Ndiaye, Thierno Alassane Sall sowie Mahammed Bound Abdallah Dionne zählen. Alle drei sind erfahrene Politiker und politisch grundsätzlich republikanisch eingestellt. Aus diesem Grund ist es trotz aller Unstimmigkeiten mit der Koalition BBY sowohl möglich, dass sie bei einem möglichen zweiten Wahlgang den Regierungskandidaten Ba unterstützen. Genauso denkbar ist aber, dass sie als direkte Konkurrenten die Unterstützung von BBY für sich beanspruchen.

 

Die beiden unabhängigen Oppositionellen

Die unabhängigen Kandidaten der Opposition unterstützten zu Beginn ihrer politischen Karriere Sonko, distanzierten sich dann aber entweder von diesem oder verloren im Zuge der Auflösung von PASTEF die Parteibasis. Zu dieser Gruppe gehören Boubacar Camara[17] und Cheikh Tidiane Dièye[18]. Camara ist von Beruf Anwalt und blickt auf eine lange Karriere zurück, u.a. bei den Zollbehörden und zuletzt als Berater Sonkos bei der Präsidentschaftswahl 2019. Dièye [19] setzt sich seit langem für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents ein und hat in Genf und in Senegal für namhafte Organisationen wie Enda Tiers Monde und die UNO (UNITAR) gearbeitet. Sie sind im Kontext der Wahlen vor allem deswegen interessant, weil sie im Falle eines zweiten Wahlgangs den Favoriten der Opposition, Bassirou Diomaye Faye, unterstützen könnten.

 

Die beiden Außenseiter

Zu den Außenseitern lässt sich Khalifa Sall[20], Chef der Partei Parti Socialiste rechnen. Er war Teil der Koalition von Ousmane Sonko, hat sich aber mittlerweile von diesem distanziert. Er ist ein erfahrener Politiker und war bereits Abgeordneter, Parlamentspräsident, Minister und Bürgermeister von Dakar (2009 bis 2017). Er wurde 2017 festgenommen und wegen Veruntreuung von Staatsgeldern verurteilt. Einen Teil der Strafe saß er ab, wurde aber 2019 von Macky Sall begnadigt. 2023 hat er seine zivilen Rechte wiedererlangt und durfte sich somit als Kandidat aufstellen lassen. Aufgrund dieser Historie dürfte er aber dennoch kaum Chancen bei den Wählern haben.

Der Kandidat Aliou Mamadou Dia[21] gehört der Partei „Parti de L‘unité et du Rassemblement“ an, [22] die ebenfalls Teil der Oppositionskoalition ist. Dia ist ein erfahrener internationaler Funktionär, der zahlreiche Posten bei der UN innehatte. Außenseiter ist er vor allem deshalb, weil seine Partei durch einen eher orthodoxen Würdenträger der Tidjani gegründet wurde, der die recht militante religiöse Gruppierung der Moustarchidines gegründet hat. Die Tidjani gehören zu den einflussreichen religiösen Bruderschaften in Senegal. Die Bruderschaften schaffen nicht nur einen Wertekanon, sondern sind auch wirtschaftlich von Bedeutung. Ihr Einfluss reicht bis in die Politik[23]. Diese Vermischung von religiösen und staatlichen Interessen lehnen auch viele gläubige Senegalesen ab.

Beide Kandidaten haben wenig Aussicht, selbst in einem ersten Wahlgang eine Mehrheit zu erlangen. Je nach Ergebnis könnten sie aber ebenfalls eine Rolle in einem möglichen zweiten Wahlgang spielen, um dann den aussichtsreichsten Kandidaten zu unterstützen.

 

Friedlicher Wahlkampf, friedliche Wahlen?

Der Wahlkampf hat pünktlich am Sonntag, den 10.03.2024[24] begonnen. Die Kandidaten haben nun knapp 14 Tage Zeit, um ihre Programme vorzustellen. Dazu wurde ihnen auch Sendezeit in den nationalen Medien eingeräumt. Man rechnet innerhalb der nächsten Tage mit der Freilassung von Bassirou Diomaye Faye, damit dieser seinen Wahlkampf persönlich führen kann. Zumindest fordern dies seine Anhänger und Vertreter der Zivilgesellschaft. Bereits zum Auftakt der Kampagnen kam es zu Handgemengen zwischen rivalisierenden Parteien, die mit Tränengas aufgelöst werden mussten. Es gab Verletzte und Sachschäden. Bemerkenswert ist im Kontext des Wahlkampfs vor allem auch das Instrumentarium, welches die senegalesische Jugend zum Einsatz bringt, wie z.B. Drohnen, um die Kampagnen zu dokumentieren; auch die Kanäle der sozialen Medien wie TikTok oder Instagramm werden umfangreich ausgeschöpft, um für die jeweiligen Kandidaten Stimmung zu machen. Es sind vor allem junge Senegalesen, die sich einen politischen Wandel wünschen und bereit sind, sich für diesen nicht nur im Rahmen von Kampagnen zu engagieren, sondern auch auf die Straße zu gehen.

Nach wie vor gibt es Stimmen[25] aus dem Lager der nicht zugelassenen Kandidaten, die den Wahlkampf verschieben wollen und ihre Einsprüche an die Justiz kommunizieren. Sie dürften damit aber keinen Erfolg mehr haben; die Entscheidung für den Wahltermin ist endgültig gefallen. Auch die Mehrheit der Senegalesen dürfte nun erleichtert aufatmen: Nicht nur haben sich ihre demokratischen Institutionen als widerstandsfähig und funktional erwiesen; sie hoffen auch, dass mit Festlegung des Datums und der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahlen nun endlich wieder Ruhe im Land einkehrt und das Leben seinen gewohnten Gang nehmen kann. Auch Unternehmer und Wirtschaftsakteure hoffen auf gesellschaftlichen Frieden und Stabilität, denn wichtige Sektoren – vor allem der Tourismus – haben in den letzten Monaten bereits massiv unter der politischen Unsicherheit gelitten und mussten große Einbußen verzeichnen. Die Tatsache, dass der Wahlkampf mit den ersten beiden Wochen der muslimischen Fastenzeit Ramadan[26] zusammenfällt, dürfte ebenfalls zu einem friedlichen Ablauf beitragen, denn der Ramadan gilt weithin als Zeit der Zurückhaltung und Besinnung – zwei Werte, an denen sich die senegalesische Politik in den kommenden Wochen mit Blick auf den gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt hoffentlich wieder stärker orientiert.

 

[1]https://aps.sn/sidiki-kaba-forme-un-gouvernement-de-34-ministres/

[2]https://www.bbc.com/afrique/articles/ce97e3j5e25o

[3]https://fr.wikipedia.org/wiki/Amadou_Ba

[4]https://fr.wikipedia.org/wiki/Ousmane_Sonko

[5]https://www.dakaractu.com/TOUBA-Amadou-Ba-a-quelques-heures-de-la-campagne-recu-par-le-Khalife-des-Mourides_a245482.html

[6]https://www.dakaractu.com/Amadou-Ba-promet-un-million-d-emplois-et-tacle-l-opposition-Ils-sont-incompetents-_a245542.html

[7]https://www.seneweb.com/news/Politique/financement-de-amadou-ba-la-surprenante-_n_435156.html

[8]https://infosdakar.com/?p=29520

[9]https://aps.sn/mame-boye-diao-les-femmes-doivent-etre-au-coeur-du-developpement/

[10]https://www.seneweb.com/news/Politique/stage-obligatoire-emploi-hellip-cinq-cho_n_435178.html

[11]https://www.aa.com.tr/fr/afrique/s%C3%A9n%C3%A9gal-pr%C3%A9sidentielle-bassirou-diomaye-faye-d%C3%A9sign%C3%A9-candidat-par-le-parti-pastef-les-patriotes/3059135

[12]https://walf-groupe.com/blog/2023/11/22/un-portrait-et-temoignages-sur-bassirou-diomaye-faye/

[13]https://www.enqueteplus.com/content/presidentielle-2024-sonko-%C3%A9tale-son-programme

[14]https://www.enqueteplus.com/content/pr%C3%A9sidentielle-2024-d%C3%A9thi%C3%A9-fall-d%C3%A9voile-son-programme

[15]https://aps.sn/presidentielle-2024-la-candidate-anta-babacar-ngom-decline-ses-priorites-et-sengage-a-faire-renaitre-lespoir/

[16]https://lequotidien.sn/plan-b-de-sonko-habib-sy-le-cheval-de-troie/

[17]https://fr.wikipedia.org/wiki/Boubacar_Camara

[18]https://www.seneplus.com/politique/presidentielle-2024-dr-cheikh-tidiane-dieye-plan-c-de-sonko

[19]https://www.seneplus.com/politique/cheikh-tidiane-dieye-de-luniversite-lengagement-politique

[20]https://fr.wikipedia.org/wiki/Khalifa_Sall

[21]https://www.seneplus.com/politique/le-pur-mise-sur-aliou-mamadou-dia

[22]https://parti-pur.com/historique/

[23]Studie Timbuktu Institut/Konrad Adenauer Stiftung: Perception de la place et du rôle des acteurs religieux dans le jeu électoral du Sénégal, 2023, in Druck

[24]https://www.sudquotidien.sn/demarrage-de-la-campagne-electorale-2024-des-candidats-entre-presentation-de-programmes-et-caravanes/

[25]https://www.dakaractu.com/Cour-supreme-Le-FDPEI-a-depose-un-recours-pour-casser-le-decret-convoquant-le-corps-electoral-le-24-mars-2024_a245556.html

[26]https://www.sudquotidien.sn/senegal-la-coordination-des-musulmans-annonce-le-debut-du-ramadan-demain-lundi/

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