Comptes-rendus d'événement
„Wer Unfreiheit und Willkür kennt, der weis Freiheit und Recht zu schätzen. Die Selbstverständlichkeit aber, mit der unser Volk Freiheit und Recht erleben darf, vermittelt mitunter zu wenig Gespür für die Gefahren von Willkür und Unfreiheit. Das ist das große Problem, vor dem jeder Rechtsstaat steht.“
Mit diesem Hinweis erklärte der damalige Bundespräsident Roman Herzog 1996 in seiner Ansprache im Deutschen Bundestag den 27. Januar zum jährlichen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus – als beständige Mahnung zur Weitergabe der Erinnerung an das nationalsozialistische Unrechtsregime mit seinen entsetzlichen Ausprägungen und Folgen.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung nimmt diesen Gedenktag seit über 15 Jahren zum Anlass bundesweit Projekte mit Zeitzeugen, Vorträge, Lesungen und Ausstellungen unter dem Titel DENK TAG anzubieten. Insbesondere die junge Generation soll damit angesprochen werden. So ermöglicht das Politische Bildungsforum Thüringen in diesen Tagen vielen Schülern den Besuch mit Workshop zum Thema „Auschwitz – Verbrechen und Verantwortung“ am Erinnerungsort Topf- und Söhne, aber auch ein Jugendwettbewerb, der unter dem Motto „Hinsehen, Einmischen, Mitgestalten“ aufruft sich mit der Erinnerung an die Shoah und NS-Diktatur, aber auch mit aktuellen Fragen von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit auseinanderzusetzen, wurde am 25. Januar wieder gestartet.
Am 22. Januar 2018 kamen gut 80 Gäste, darunter auch zahlreiche Schüler aus Saalfeld, in das Stadtmuseum Saalfeld um Eva Umlauf zu hören, die aus ihrem Buch „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“ las und zahlreiche Fragen des Publikums beantwortete. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Stadt Saalfeld, Bürgermeister Graul und dem Landtagsabgeordneten Maik Kowalleck, die beide ihre Hochachtung Eva Umlauf für ihr Engagement mit einem Grußwort zum Ausdruck brachten.
Eva Umlauf erzählt in ihrem Buch ihre Familien-Geschichte und wie sie als Kleinkind Auschwitz überlebe. Sie hat ihre ausgelöschte Familie nie kennengelernt; ihre eigene Erinnerung an Verfolgung und Konzentrationslager existiert nur im Unterbewusstsein. Sie berichtet aber, wie ihr Leben und das ihrer Familie stets von diesen Erfahrungen geprägt waren.
So erzählte ihr ihre Mutter später „Du warst ein Zeichen des Lebens in einer Zeit der Verfolgung und des Todes“ und sie selber ergänzt „Es war auch ein Zeichen des Widerstands gegen die Unterdrücker“ als sie über ihre Geburt 1942 und das Überleben im Konzentrationslager mit ihrer Mutter sprach und diesen Satz in ihrem Herzen und im Buch für uns festhielt.
„Fast jeder Überlebende hat seinen ‚Zufall‘, das Besondere, Spezifische, das ihn oder sie unvermutet am Leben erhalten hat“, schreibt Frau Klüger, in ihrer Autobiographie „weiter leben“. Der lebensrettende „Zufall“ für Eva Umlauf war, dass wenige Tage bevor sie auf dem Arm ihrer Mutter im Konzentrationslager Auschwitz ankamen, die SS aus Angst vor der anrückenden Roten Armee aufgehört hatte, Menschen in die Gaskammern zu schicken. Dies bedeutet für viele noch längst nicht die Rettung, denn Menschen wurden weiterhin erschossen oder erschlagen. Eva Umlauf und ihre Mutter hatte Glück. Dennoch wurde dem kleinen Mädchen eine Nummer eintätowiert. Eine Nummer die sie prägt und für immer nun zu ihr gehören sollte. Als das Lager im Januar von der Roten Armee befreit wurde, war sie der jüngste Häftling: zweieinhalb Jahre alt, abgemagert und todkrank.
„Was bedeutet ihnen heute die Nummer, haben Sie darüber nachgedacht diese auch entfernen zu lassen?“, fragte ein junger Mann aus dem Publikum.
Für Eva Umlauf gab es nie die Überlegung die Nummer wegmachen zu lassen. „Sie gehört zu mir“ und „sie verbindet mich nicht nur mit meinen Schicksalsgenossen“, sondern an erster Stelle auch mit ihrer Mutter, die die Nummer 58 und sie selbst die Nummer 59 am Ende hat. „Sinnbildlicher kann die Verbindung nicht sein“, so Umlauf. So ist die Nummer gleichfalls auch ein „persönliches Mahnmal“ und Auftrag zugleich: Sie will, dass die unvorstellbaren Menschheitsverbrechen, an Völkermord und daran, was Menschen anderen Menschen angetan haben, nie vergessen und, dass die Täter- und Opferperspektiven verstanden werden, um erneutes persönliches Leid und gesellschaftliche Zivilisationsbrüche zu verhindern.
Das Trauma ihrer Kindheit und die Gefühle der Fremdheit und Heimatlosigkeit waren in ihrem Innern stets präsent, berichtete Umlauf, auch wenn in ihrer Familie darüber geschwiegen wurde. Nach einem Herzinfarkt im Februar 2014 wusste sie: „Meine Zeit läuft.“ Jetzt gab sie ihrer Geschichte den nötigen Raum und stellte sich der Vergangenheit, so Umlauf auf die Frage, warum Sie so spät erst das Buch verfasst hatte.
Als Betroffene und Psychotherapeutin weiß sie, dass unausgesprochenes Leid aber auch die menschenverachtende Willkür der Täter sich auf die nächste Generation überträgt. So ist es nach wie vor eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe nicht zu schweigen und sich aktiv für die Menschenrechte und die Demokratie und gegen Extremismus und Antisemitismus unentwegt stark zu machen.
Am Ende des Abends bedankten sich viele Teilnehmer auch ganz persönlich bei Eva Umlauf für ihr Engagement das unvorstellbares Ausmaß an Gewalt, Leid, Unfreiheit und Willkür der Nationalsozialisten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.