Zu Beginn des Expertengesprächs umriss Dr. Knabe kurz und knapp die verfassungsrechtlichen Vorkehrungen, die 1949 in das deutsche Grundgesetz eingearbeitet wurden, um eine Wiederholung der Beseitigung der Verfassung wie vor dem Zweiten Weltkrieges zu verhindern. Als Beispiele für solche Sicherungen in der Verfassung nannte er das Widerstandsrecht, die Verpflichtung eines Bundeskanzlers bis zur demokratischen Ernennung seines Nachfolgers im Amt zu bleiben und insbesondere die Ewigkeitsklausel, die jede Änderung der ersten 20 Artikel des Grundgesetzes bis in alle Ewigkeit verbietet. Danach sprach er an, dass in den 1950ern die Deutschen lange nicht überzeugt von dem neuen demokratischen Grundgesetz waren. Dies habe sich jedoch langsam gewandelt und sei in eine Art Verfassungspatriotismus übergegangen. Danach kam die Expertenrunde auf die Wiedervereinigung Deutschlands zu sprechen und Dr. Krause postulierte, dass die Politik sich damals möglicherweise zu wenig um eine Legitimation der Ostdeutschen für eine Übernahme der Verfassung der BRD bemüht habe. Laut Dr. Knabe, wurde diese Legitimation jedoch durch die ersten Wahlen in der ehemaligen DDR erreicht, als die Parteien, die die Übernahme der westdeutschen Verfassung in Ostdeutschland vorangetrieben hatten, mehrheitlich gewählt wurden. Dr. Seidel, der zu der Zeit der Wiedervereinigung selbst für eine neue gesamtdeutsche Verfassung eingetreten war, lenkte ein, dass es damals schnell gehen musste, da nicht klar war wie lange sich die Sowjetunion zurückhalten würde, und auch viele Menschen wollten, dass die Verfassung der BRD unverändert für ein einheitliches Deutschland übernommen wird. Die heutzutage zu beobachtende Entfremdung der Bürger von der Politik habe laut Dr. Knabe wenig mit einer verpassten Chance zu Zeiten der Wiedervereinigung und der damaligen Frage der Verfassung zu tun, sondern die Ursachen für diese Entfremdung seien vielmehr in der heutigen Politik und deren Versäumnissen zu suchen. Seiner Meinung nach, wäre es nicht gut gewesen wenn der damalige Verfassungsentwurf für die DDR in eine gesamtdeutsche Verfassung eingeflossen wäre. Zur Frage der Legitimation der Verfassung heutzutage, hatte Dr. Knabe einige Umfrageergebnisse parat, die zeigten, dass die deutsche Bevölkerung zum größten Teil der Meinung ist, das sich das Grundgesetz alles in allem bewährt hat – in Westdeutschland denken das 90% der Befragten und in Ostdeutschland mit 78% etwas weniger, aber immer noch die klare Mehrheit. Im Vergleich dazu, waren deutlich weniger Befragte zufrieden oder sehr zufrieden damit, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert (nur 65% der Befragten). Dies zeigt, laut Dr. Knabe, dass zwischen Grundgesetz und Demokratie stark differenziert wird und ersteres bei den Deutschen deutlich besser abschneidet.
Anschließend wurde im Expertengespräch der Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes thematisiert. Der Theologe Dr. Seidel sieht in diesem Gottesbezug eine transzendentale Grundlage für das Grundgesetz, die dessen Ewigkeitsanspruch untermauere. Wenngleich dieser Gottesbezug von laizistischen Kritikern oft als Bevormundung oder sogar religiöse Missionierung wahrgenommen werde, stelle er für Dr. Krause klar, dass das Grundgesetz kein rein rationaler Vertrag sei, sondern an etwas Höherem und Grundlegendem angelehnt sei, wodurch seine ewige Gültigkeit legitimiert werde.
Schließlich kam die Sprache auf heutige Debatten in der Politik, die laut Dr. Krause häufig tiefgreifende Verunsicherungen in der Bevölkerung wiederspiegeln, die er als Folgen falscher Politik einschätzt. Laut Dr. Knabe hängen diese Unsicherheiten mit der Öffnung der Wirtschaft und der Gesellschaft und der voranschreitenden Globalisierung zusammen. Durch diese Veränderungen und die dadurch entstehende wachsende Konkurrenz im wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich würden Menschen verunsichert werden und sich in eine Gegenreaktion flüchten, die auf Abschottung und Verdrängung basiert. Eine weitere besorgniserregende, aktuelle Entwicklung sei laut den Referenten, dass diese Tendenz, sich im Einzelfall über das Recht hinwegzusetzen ohne die nötigen Verfahren für solche Notsituationen zu durchlaufen, in immer weiteren Kreisen und teils auch von den Medien als legitim dargestellt werde. Er sieht auch eine Gefahr darin, dass relativ kleine Gruppen, teilweise mit Unterstützung von den Medien, die Politik des Landes bestimmen und auch Politiker beeinflussen würden, bestimmte Meinungen aus Angst vor Negativpresse nicht zu vertreten. Dieselbe Angst auf kleinerem Niveau mache sich auch in der Gesellschaft breit, meint Dr. Knabe. Denn viel mehr Menschen hätten mittlerweile Angst sogar im eigenen Freundeskreis ihre Meinung zu sagen oder über „Tabuthemen“ zu sprechen. Ihm mache es Sorgen, dass sich immer mehr Menschen durch sozialen Druck veranlasst fühlen würden sich selbst zu zensieren.
Die Veranstaltung stand auch im Zeichen des 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls, wodurch die Frage, wie es der damaligen SED-Partei nach dem Ende der DDR und der damit verbundenen Niederlage des Kommunismus gelungen sei sich als Die Linkspartei so schnell wieder zu regenerieren, aktuell wurde. Dr. Knabe betonte bei dem Thema, das die SED sich nie aufgelöst hätte, sondern nur in PDS und schließlich Die Linkspartei unbenannt wurde ohne ihre bestehenden Strukturen und Finanzen aufzulösen und teilweise auch ohne ihre vorbelasteten Funktionäre auszutauschen. Auch der Umgang mit den Opfern der SED-Diktatur durch die Linkspartei hätte viel zu wünschen übrig gelassen. Dr. Knabe merkte auch an, dass er die alleinige Machtkonzentration in den Händen des Staates, wie es in der DDR der Fall war, als weitaus schlimmer erachte als die heutzutage vielfach kritisierte Macht der Konzerne. Er vertritt die These, dass die Bespitzelungsmaschinerie in Form der Stasi aufgrund der Grundpfeiler des Kommunismus notwendig gemacht wurde. Denn er meint, dass Überwachung notwendig wird, sobald ein Staat versucht den Menschen ihre Freiheit zur wirtschaftlichen Tätigkeit zu nehmen.
Trotz der kritischen und teils sehr besorgten Stimmung während des Expertengesprächs, ließ es sich Dr. Knabe nicht nehmen, den Abend mit einem optimistischen Schlusswort abzuschließen. Er sprach davon, miterlebt zu haben wie „eine bis an die Zähne bewaffnete Diktatur von einem Tag auf den anderen verschwunden ist und die Freiheit eingekehrt ist.“ Die Veranstaltung endete mit den durchaus optimistisch gemeinten Worten: „Die Geschichte fließt, es gibt kein Ende der Geschichte“.