Comptes-rendus d'événement
Gleich zwei Premieren gab es am 15. März auf Burg Bodenstein zu feiern: Zum einen organisierten die drei Thüringer Stiftungen Bildungswerk Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung sowie Heinrich-Böll-Stiftung erstmalig gemeinsam das Bodensteiner Gespräch „Europa wie weiter?-Wege für die Zukunft der Europäischen Union“. Zum anderen fand der Leiter der Burg Bodenstein Dieter Fuchs herzliche Begrüßungsworte an Professor Dr. Bernhard Vogel, der zum ersten Mal auf Burg Bodenstein weilte.
Der Ministerpräsident a.D. dankte für die Einladung an diesem schönen Ort. Besonders die frühlingshaften Temperaturen, die „offene“ Fenster erlaubten und so Kinderlachen der kleinen Gäste auf der Burg transportierten, erfreute den Ehrenvorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Professor Bernhard Vogel gab auch als erster sein Statement ab. Einführend stellte Bernhard Vogel klar, dass alle Parteien auf eine Einigung Europas zielen, sich jedoch die Wege und Ansichten sowie einzelne Schritte unterschiedlich gestalten. Ein geeintes Europa sei aus zwei Gründen ersichtlich: Das Überleben ist nur gemeinsam möglich, große Probleme nur gemeinsam lösbar. Zweitens ist Europa ein Kontinent des Friedens und des Wohlstands. Das will keiner aufs Spiel setzen. Allerdings, junge Leute, die sich keine Sorgen um Krieg machen müssen, sehen dies auch als Selbstverständlichkeit an.
Ein Europa werde auch um „unseretwillen“ gebraucht. Der Ministerpräsident a.D. listete den Weg Europas beginnend mit dem Abschluss der Römischen Verträge im Jahr 1957 auf, betonte auch, dass „Europa kein verbindliches Endstadium darstellen muss“. Professor Vogel warf die Begriffe Staatenbund oder Bundesstaat in die Runde, wünschte sich jedoch was „Neues“ für Europa, wobei die Zuständigkeiten klar getrennt werden sollten. Vogel wünschte sich eine offene Einigung, und warf ein, dass der alsbaldige Beitritt der osteuropäischen Länder kein Privileg sei. Jeder beitrittsfähige Staat habe ein Recht auf Zutritt, müsse jedoch die Bedingungen achten. Vogel hätte sich in diesem Zusammenhang jedoch eine kritischere Begleitung der beiden Länder Rumänien und Bulgarien gewünscht. Zudem sei ihm nicht entgangen, dass der Begeisterung für Europa einer gewissen Gewöhnung gewichen sei. Dennoch appellierte der Ehrenvorsitzende der KAS für Europa zu werben, auch mit Herz und Verstand zu führen. Die sei Aufgabe von Parteien, Stiftungen, Kirchen und jeden einzelnen Bürger: Wir brauchen mehr Europa.
Dr. Michaele Schreyer, die sich anschließend äußerte, stimmte ihrem Vorredner zu. Ausgangspunkt ihres Statements war die aktuelle Frage: Wo stehen wir heute? Die ehemalige EU-Kommissarin stellte das Wichtigste vorab: Europa habe Frieden gebracht und die Teilung überwunden. Zudem sei Europa von Freunden bzw. Staaten umgeben, die friedlich zusammen arbeiten. Gekennzeichnet von einer stabilen Demokratie, gemeinsamen Umweltschutz, hohem Wohlstandsniveau einer Rechtsstaatlichkeit werde das „Europäische Modell“ vielerorts bewundert. Doch neue politische Weltzentren streben nach vorn, die Weltordnung sei im Umbruch, Europa im Inneren habe mit der Schuldenkrise, global mit der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen. Hinzu käme die Knappheit der Ressourcen, der Klimawandel. Die Sprecherin des Aufsichtsrats der Heinrich-Böll-Stiftung ging auf die Finanz- und Schuldenkrise sowie den Vorteil einer gemeinsamen europäischen Währung ein, denn gemeinsame Regelungen halten die Inflation niedrig. Dennoch bewertete Dr. Schreyer das Instrument der Koordination der Krise, wie den Stabilitäts- und Wachstumspakt als schwach. Die ehemalige Kommissarin wünschte sich eine Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik und ein striktes Einhalten des Paktes. Deutschland müsse sich anpassen und seinen Schuldenberg abtragen. Ihre Wünsche wurden deutlich: Nachhaltiges soziales Wachstum, mehr Gelder für Bildung und klare Trennung von Aufgabenbereiche in nationale und europäischer Ebenen. Beispielsweise könnten europaweite Kooperationen die anstehende Energiepolitik positiv entwickeln, denn „Europa kann den Strombedarf decken“.
Mit einer guten Nachricht begann Michael Roth MdB seine Ausführungen: Seit 1. April können die Bürger per Internet mitbestimmen. Möglich mache das die Bürgerinitiative, die eine Beteiligung der Europäer ab 1 Million Unterschriften an europäischen Ideen berücksichtigt.
„Wir sind uns alle einig, aber reden nur unterschiedlich“. Diese einführende Aussage des europapolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion stieß auf breiten Konsens. Roth vermisse jedoch Wut und Empörung, auch Leidenschaft für Europa. Europa sei für viele Bürger gleichgültig geworden. Roth wünschte sich mehr Engagement und Einsatz in Krisenzeiten. Europa sei für viele ganz weit weg. Die Bürger lehnen erst einmal ab, weil sie Ängste plagen. Die Frage „Mehr Europa wagen, was heißt das im täglichen Geschäft“ beantwortete Roth selbst. Europa wagen bedeute erst einmal nicht Verzicht. Europa dürfe allein nicht das Projekt der Regierungen sein. Dabei sollte nicht nur über Schulden gesprochen werden, sondern die Staaten müssen die Chance bekommen, Wachstum und Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Roth sieht Potentiale bei jungen Leuten, regt aber auch an, Diskussionen für ältere Generationen zu initiieren. Grundsätzlich sei eine Krise eine Chance und Entscheidungen können auch über Volksabstimmungen fallen.
Mit einer Zukunftsfrage eröffnete der Fernsehmoderator bei ZDF/Phönix Stephan Kulle die anschließende Gesprächsrunde. Ein Bild für das Jahr 2025 wurde gesucht, und Dr. Michaele Schreyer malte aus. So wünschte sich die EU-Kommissarin a.D. die Überwindung der Kleinstaatlichkeit, Kooperation auf regionaler Ebene, eine gemeinsame Energiepolitik und nicht nur „ganz viele Windmühlen“. Zum Thema Energie spann Michael Roth den Faden weiter und regte gegenseitiges Lernen der Länder voneinander an. Professor Vogel indes prophezeite bis 2025 nicht so viele Änderungen. Man müsse am Grundgesetz festhalten und Regionen sollten mehr zusammen arbeiten.
Dr. Michaele Schreyer wurde anschließend auf die Rolle der Europäischen Kommission angesprochen, die sich immer mehr als Prüfungskommission versteht. Gleichfalls wurde auf das Subsidiaritätsprinzip und die Regulierung der Finanzmärkte hingewiesen, Strafen über den Eurorettungsschirm diskutiert, verantwortbare und nichtverantwortbare Schulden verglichen.
Ziemlich schnell entwickelte sich die Diskussion unter Beteiligung der Bürger zur aktuellen Situation Griechenlands hin. Die Aussage „Griechenland muss sich selbst helfen“ wurde breit diskutiert. Letztendlich fasste Dr. Schreyer kurz zusammen: „Der Ruf der Banker ist bei den Politikern angekommen. Jedoch helfen wir der Bank nicht um der Banken willen.“ Gleichfalls bewegten sich die Themen um Rettungsfonds und um den schleichenden Demokratieabbau. Die Rolle Frankreichs und Deutschlands bei der Regulierung der Finanzmärkte solle sensibler werden. Politik und Beamte haben zum Wohle des Volkes arbeiten.
„Wohin gehen wir? Wo befinden sich die Grenzen Europas?“ Beide Fragen warfen Diskussionen um die Rolle von Volksabstimmungen auf. Aber auch die Aufnahmebedingungen wurden klar von den drei Gästen umrissen. Jeder europäische Staat besitze das Recht, einen Antrag auf EU-Beitritt zu stellen, so der Grundtenor aller. Auch Prof. Vogel, der dazu bemerkte, dass in diesem Staat eine stabile Demokratie vorherrschen müsse und aktuell die Aufnahmehürden steigen.
Die Antwort zur Frage „Was Europa braucht“, fand Dr. Schreyer: Mehr Regelungen, mehr Partizipation der Bevölkerung am öffentlichen Konsens. Gleichfalls sollten Landespolitiker die Bevölkerung mehr beteiligen. Dr. Vogel forderte in seinem Schlusswort auf: Bleiben Sie am Thema Europa dran, befassen Sie sich damit, mehr für Europa zu tun und einen Beitrag zu leisten. Michael Roth gab ein Kompliment an das Eichsfeld, das schon vor Jahren weitsichtig über die Grenzen der Region „vorausgedacht und geplant“ habe.
Mit einer aktiven Teilnehmerrunde dankten es die über 100 Gäste im bis auf den letzten Platz gefüllten Festsaal. Und an den zahlreichen konkreten Fragen zeigte sich, dass Europa längst einen wichtigen Platz im Eichsfeld eingenommen hat.
Text: Kirsten Seyfarth