Comptes-rendus d'événement
Zur Buchvorstellung „Klares Ziel und langer Atem – Bernhard Vogel: Brückenbauer zwischen Ost und West“ kamen 90 Gäste, um auf das bewegte politische Leben des im Freistaat Thüringen nach wie vor oft eingeladenen 85jährigen Prof. Bernhard Vogel zurückzublicken. Als Ministerpräsident prägte er in der alten Bundesrepublik Rheinland-Pfalz und nach der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes gab er noch einmal 11 Jahre lang Impulse im wieder erstandenen Thüringen, deren Ernte die Thüringer Landesregierungen bis heute immer noch mit einfahren. Darüber hinaus war er als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und nun Ehrenvorsitzender.
Aber der Bernhard Vogel des deutschen Laienkatholizismus und der Außenpolitiker Bernhard Vogel sind allgemein weniger bekannt.
Christopher Beckmann, Zeithistoriker in Diensten der Stiftung, hat eine umfangreiche und lesenswerte Monographie zur Deutschland- und Ostpolitik Vogels vorgelegt. In ihr sind wichtige biographische Aspekte dieses Ausnahmepolitikers nachzuverfolgen. In einer Festveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Hauses der Geschichte aus Anlass seines 85. Geburtstages wurde nun bewusst zusammen mit dem Jubilar über sein Wirken im deutschen Laienkatholizismus, vor allem als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in den Jahren 1972 bis 1976, und sein außenpolitisches Engagement gesprochen.
Prof. Dr. Hermann Wentker, Leiter der Forschungsabteilung Berlin des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, bezog sich in seiner Würdigung und historischen Einordnung des Wirkens von Vogel insbeondere auf die Außenpolitik und die Deutsche Frage:
Vogel habe in der Deutschlandpolitik agiert, als diese damals heftig in Bewegung war. Einerseits ging es um eine Öffnung der Bundesrepublik zu den Staaten Ostmitteleuropas, andererseits um die Frage der Anerkennung der DDR. Während Vogel Ersteres bejahte, lehnte er Letzteres ab: Die DDR war für den studierten Soziologen und Politologen, der nicht nur von Dolf Sternberger, sondern auch von Carl Joachim Friedrich beeinflusst war, eine totalitäre Diktatur, mit der die freiheitliche Bundesrepublik keinen Umgang pflegen sollte. Die Bundesrepublik sorgte für Vogel als starker Rechts- und Sozialstaat für Vertrauen bei den Ostdeutschen: Genau wie Konrad Adenauer und Kurt Schumacher war er Anhänger der Magnettheorie. Der Entfremdung zwischen Ost-und Westdeutschen wollte er entgegenarbeiten, und im globalen Ost-West-Konflikt trat er für Entspannung ein. Vor diesem Hintergrund war er von der Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition zwar nicht begeistert, stand den Ostverträgen allerdings nicht völlig ablehnend gegenüber. Denn auch Vogel erkannte, dass sich die Rahmenbedingungen für die Deutschlandpolitik seit den 1960er-Jahren grundlegend verändert hatten: Da weder die USA noch die Sowjetunion ein Interesse an einer Änderung des Status quo in Deutschland hatten, galt es, sich dieser Situation anzupassen. Vogel sah pragmatisch, dass man an einer staatlichen Anerkennung der DDR nicht länger vorbeikam. Die Chancen der Ostpolitik, die in einer intensivierten Kontaktpflege zu den Ostdeutschen bestanden, wollte er nutzen, indem er zu vermehrten Reisen in die DDR aufforderte. Gleichzeitig wollte er deren Risiko – einer Vertiefung der deutschen Teilung – durch Aufrechterhaltung eines gesamtdeutschen Bewusstseins entgegenarbeiten; außerdem mussten alle Wege zu einer Wiedervereinigung offengehalten werden. Daher war das auf eine Normenkontrollklage des Freistaats Bayern – und nicht, wie es irrtümlich heißt, der CSU – zustande gekommene Verfassungsgerichtsurteil von 1973 ganz in seinem Sinne.
In der von Matthias Gehler vom MDR moderierten Runde kamen mit der Autorin und Regisseurin, sowie ehem. Bürgerrechtlerin Freya Klier, dem Buchautor Dr. Christopher Beckmann auch der Protagonist Prof. Dr. Bernhard Vogel zu Wort, welcher seine Motive und Rolle zu historischen Meilensteinen kommentierte und einordnete. Die vielen Bernhard Vogels, die in seinem politischen Lebenswerk zum Vorschein kommen, machen ihn zu einem Zeitzeugen und Gestalter par excellence. Gerade die Thüringer werden sich an Prof. Dr. Bernhard Vogel als erste prägende politische Persönlichkeit nach der Wiedervereinigung und Neugründung ihres Freistaats erinnern.