Am 21. September 2023 veranstaltete das Politische Bildungsforum Thüringen gemeinsam mit der Point-Alpha-Stiftung eine Lesung mit Jan Schönfelder, Historiker, Journalist und Autor des Buches „Feindbild Israel: Udo Albrecht, der rechte Terror und die Geheimdienste“. Die Lesung fand in der Gedenkstätte Point Alpha in Geisa statt, direkt auf der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
Nach einer Begrüßung von Seiten der Point-Alpha-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung, stieg Jan Schönfelder mit der Frage ein: „Kennen Sie Udo Albrecht?“. Das Publikum verneinte. Er selbst sei zufällig in einem Buch auf Udo Albrecht gestoßen und fand bei seiner anschließenden Recherche nur einseitige Berichterstattungen und keine faktenbasierte. Dieser Umstand und sein Interesse für Ost-West-Schicksale trieb Jan Schönfelder zu seinem Forschungsprojekt zu Udo Albrecht an.
Albrecht ist in Thüringen geboren und floh als Jugendlicher gemeinsam mit seiner Familie nach Westdeutschland. Schon mit 17 Jahren wurde er straffällig und musste Aufenthalte in Jugendstrafanstalten absitzen. Er beschäftigte sich mit politischen Schriften, insbesondere aus dem sog. Dritten Reich, wodurch er sich politisierte und radikalisierte. Er entwickelte ein rechtsextremistisches antisemitisches Weltbild, laut Schönfelder kannte er nur einen Feind, den Juden. Er fing an, Kontakte zu rechtsextremen Terrororganisationen zu pflegen und sie zu unterstützen. Bei einer militanten palästinensischen Terrororganisation wird er zum Helfer, besorgt gefälschte Ausweise und wird sogar zum General ernannt. Aber auch in Europa ist er in der rechtsextremen Szene aktiv, insbesondere in Deutschland, Italien und Österreich. Nebenbei wurde Albrecht straffällig durch Autodiebstahl und Diebstahl von Blankopässen. Häufiger landet er im Gefängnis und probierte öfter zu fliehen, teilweise mit Erfolg. Albrecht rückte in den Fokus von Interpol, aber auch der BND und die Staatssicherheit beschatteten ihn.
Schließlich geriet er im Sommer 1980 in der BRD wieder in Haft und begann mit den Beamten zu kooperieren. Er legte offen, wo eines einer Waffendepots und eines seiner Falschgelddepots waren. Als diese Aussagen sich als wahr herausstellten, behauptete er, er habe eine Panzerfaust an der innerdeutschen Grenze vergraben. Die Beamten fuhren mit ihm also an die innerdeutsche Grenze, um diese zu suchen. Ohne Fesseln half Albrecht mit beim Graben. Dabei wurden Fotos gemacht, auf denen man auch DDR-Grenzposten sieht. Als die BRD-Beamten abgelenkt waren, fing Albrecht an, Richtung DDR zu rennen. Die Beamten folgten ihm und rannten noch wenige Meter auf DDR-Gebiet. Albrecht stürzte und wurde dann von den DDR-Grenzposten empfangen. Er wurde in ein Gefängnis gebracht und anschließend lange von der Staatssicherheit verhört. Diese befürchtete einen BRD-Spion und begegnete Albrecht misstrauisch. Bei den Verhören bestand Albrecht aber darauf, dass er zu keiner Organisation außer den militanten Palästinensern gehöre und seine einzige Mission sei, „Israel zu zerstören und Juden zu töten“. Die DDR gab ihm eine neue Identität und ließ ihn nach Palästina ausreisen. Seitdem ist er verschwunden. Bis heute fahndet man nach ihm, allerdings gehen die Ermittler von seinem Tod aus.
Diese Flucht macht Albrecht bis heute zu einem Mythos. Die Frage, die sich bei diesem Fall laut Schönfelder stelle: Warum gab die DDR einem Rechtsextremen Schutz? War er ein Agent der DDR oder BRD oder sogar ein Doppelagent? Laut Schönfelder gebe es keine Hinweise darauf, dass er für die Staatssicherheit oder den BND gearbeitet habe. Und die DDR-Akten weisen auch nicht darauf hin, dass Albrecht von den DDR-Grenzposten erwartet wurde. Diese Lücken im Fall Egon Albrecht geben Raum für Spekulationen und sorgen dafür, dass er bis heute diskutiert wird.
Nach der Lesung wurden noch die Fragen des Publikums geklärt. Warum ließ man ihn ohne Fesseln an die Grenze? Warum ließ die DDR ihn gehen? Und hat er wirklich bei den Terrororganisationen mitgekämpft? Die Annahme, dass Albrecht bei Terrororganisationen mitgekämpft habe, basiere auf Selbstaussagen, wodurch man das nicht sicher beantworten könne. Die fehlenden Fesseln hat ein Staatsanwalt zu verantworten, der ihm dann auch persönlich an der innerdeutschen Grenze hinterhergerannt sei. Und warum die DDR ihn gehen ließ, wisse man nicht. Man kann nur spekulieren.